umfaßt haben würde 1). Es leuchtet ein, daß der Kirchen-1. Abschnitt. staat, auf solche Weise eingerahmt, eine mediceische Apanage geworden wäre, ja man hätte ihn kaum mehr zu säculari- siren nöthig gehabt.
Der Plan scheiterte an den allgemeinen politischen Verhältnissen; Giuliano starb bei Zeiten; um Lorenzo den- noch auszustatten unternahm Leo die Vertreibung des Her- zogs Francesco Maria della Rovere von Urbino, zog sich durch diesen Krieg unermeßlichen Haß und Armuth zu, und mußte, als Lorenzo 1519 ebenfalls starb 2) das mühselig Eroberte an die Kirche geben; er that ruhmlos und ge- zwungen, was ihm, freiwillig gethan, ewigen Ruhm ge- bracht haben würde. Was er dann noch gegen Alfonso von Ferrara probirte und gegen ein paar kleine Tyrannen und Condottieren wirklich ausführte, war vollends nicht von der Art, welche die Reputation erhöht. Und dieß Alles während die Könige des Abendlandes sich von JahrDie Großmächte. zu Jahr mehr an ein colossales politisches Kartenspiel ge- wöhnten, dessen Einsatz und Gewinn immer auch dieses oder jenes Gebiet von Italien war 3). Wer wollte dafür bürgen, daß sie nicht, nachdem ihre heimische Macht in den letzten Jahrzehnden unendlich gewachsen, ihre Absichten auch einmal auf den Kirchenstaat ausdehnen würden? Noch Leo mußte ein Vorspiel dessen erleben, was 1527 sich er- füllte; ein paar Haufen spanischer Infanterie erschienen gegen Ende d. J. 1520 -- aus eigenem Antrieb, scheint es -- an den Grenzen des Kirchenstaates um den Papst
1)Franc. Vettori, a. a. O. p. 301. -- Arch. stor. append. I, p. 293, s. -- Roscoe, Leone X, ed. Bossi VI, p. 232, s. -- Tommaso Gar, a. a. O. p. 42.
2)Ariosto, sat. VI. vs. 106. Tutti morrete, ed e fatal che muoja Leone appresso ...
3) Eine Combination dieser Art statt mehrerer: Lettere de' principi I, 46 in einer Pariser Depesche des Card. Bibiena 1518.
umfaßt haben würde 1). Es leuchtet ein, daß der Kirchen-1. Abſchnitt. ſtaat, auf ſolche Weiſe eingerahmt, eine mediceiſche Apanage geworden wäre, ja man hätte ihn kaum mehr zu ſäculari- ſiren nöthig gehabt.
Der Plan ſcheiterte an den allgemeinen politiſchen Verhältniſſen; Giuliano ſtarb bei Zeiten; um Lorenzo den- noch auszuſtatten unternahm Leo die Vertreibung des Her- zogs Francesco Maria della Rovere von Urbino, zog ſich durch dieſen Krieg unermeßlichen Haß und Armuth zu, und mußte, als Lorenzo 1519 ebenfalls ſtarb 2) das mühſelig Eroberte an die Kirche geben; er that ruhmlos und ge- zwungen, was ihm, freiwillig gethan, ewigen Ruhm ge- bracht haben würde. Was er dann noch gegen Alfonſo von Ferrara probirte und gegen ein paar kleine Tyrannen und Condottieren wirklich ausführte, war vollends nicht von der Art, welche die Reputation erhöht. Und dieß Alles während die Könige des Abendlandes ſich von JahrDie Großmächte. zu Jahr mehr an ein coloſſales politiſches Kartenſpiel ge- wöhnten, deſſen Einſatz und Gewinn immer auch dieſes oder jenes Gebiet von Italien war 3). Wer wollte dafür bürgen, daß ſie nicht, nachdem ihre heimiſche Macht in den letzten Jahrzehnden unendlich gewachſen, ihre Abſichten auch einmal auf den Kirchenſtaat ausdehnen würden? Noch Leo mußte ein Vorſpiel deſſen erleben, was 1527 ſich er- füllte; ein paar Haufen ſpaniſcher Infanterie erſchienen gegen Ende d. J. 1520 — aus eigenem Antrieb, ſcheint es — an den Grenzen des Kirchenſtaates um den Papſt
1)Franc. Vettori, a. a. O. p. 301. — Arch. stor. append. I, p. 293, s. — Roscoe, Leone X, ed. Bossi VI, p. 232, s. — Tommaso Gar, a. a. O. p. 42.
2)Ariosto, sat. VI. vs. 106. Tutti morrete, ed è fatal che muoja Leone appresso …
3) Eine Combination dieſer Art ſtatt mehrerer: Lettere de' principi I, 46 in einer Pariſer Depeſche des Card. Bibiena 1518.
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ſiren nöthig gehabt.
1. Abſchnitt.
Der Plan ſcheiterte an den allgemeinen politiſchen
Verhältniſſen; Giuliano ſtarb bei Zeiten; um Lorenzo den-
noch auszuſtatten unternahm Leo die Vertreibung des Her-
zogs Francesco Maria della Rovere von Urbino, zog ſich
durch dieſen Krieg unermeßlichen Haß und Armuth zu, und
mußte, als Lorenzo 1519 ebenfalls ſtarb 2) das mühſelig
Eroberte an die Kirche geben; er that ruhmlos und ge-
zwungen, was ihm, freiwillig gethan, ewigen Ruhm ge-
bracht haben würde. Was er dann noch gegen Alfonſo
von Ferrara probirte und gegen ein paar kleine Tyrannen
und Condottieren wirklich ausführte, war vollends nicht
von der Art, welche die Reputation erhöht. Und dieß
Alles während die Könige des Abendlandes ſich von Jahr
zu Jahr mehr an ein coloſſales politiſches Kartenſpiel ge-
wöhnten, deſſen Einſatz und Gewinn immer auch dieſes
oder jenes Gebiet von Italien war 3). Wer wollte dafür
bürgen, daß ſie nicht, nachdem ihre heimiſche Macht in den
letzten Jahrzehnden unendlich gewachſen, ihre Abſichten
auch einmal auf den Kirchenſtaat ausdehnen würden? Noch
Leo mußte ein Vorſpiel deſſen erleben, was 1527 ſich er-
füllte; ein paar Haufen ſpaniſcher Infanterie erſchienen
gegen Ende d. J. 1520 — aus eigenem Antrieb, ſcheint
es — an den Grenzen des Kirchenſtaates um den Papſt
Die
Großmächte.
1) Franc. Vettori, a. a. O. p. 301. — Arch. stor. append. I,
p. 293, s. — Roscoe, Leone X, ed. Bossi VI, p. 232, s. —
Tommaso Gar, a. a. O. p. 42.
2) Ariosto, sat. VI. vs. 106. Tutti morrete, ed è fatal che
muoja Leone appresso …
3) Eine Combination dieſer Art ſtatt mehrerer: Lettere de' principi
I, 46 in einer Pariſer Depeſche des Card. Bibiena 1518.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/133>, abgerufen am 26.11.2024.
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