1. Abschnitt.man dem Orientalen freilich kein Geld aus den Händen bringt. Hier ist kein Volk mehr, sondern ein controlirbarer Haufe von Unterthanen, die z. B. ohne besondere Erlaubniß nicht auswärts heirathen und unbedingt nicht auswärts studiren durften; -- die Universität Neapel übte den frühsten bekannten Studienzwang, während der Orient seine Leute wenigstens in diesen Dingen frei ließ. Echt mohammedanisch dagegen war es wiederum, daß Friedrich nach dem ganzen Mittelmeer eige- nen Handel trieb, viele Gegenstände sich vorbehielt und den Handel der Unterthanen hemmte. Die fatimidischen Khalifen mit ihrer Geheimlehre des Unglaubens waren (wenigstens Anfangs) tolerant gewesen gegen die Religionen ihrer Unter- thanen; Friedrich dagegen krönt sein Regierungssystem durch eine Ketzerinquisition, die nur um so schuldvoller erscheint, wenn man annimmt, er habe in den Ketzern die Vertreter frei- sinnigen städtischen Lebens verfolgt. Als Polizeimannschaft im Innern und als Kern der Armee nach außen dienten ihm endlich jene aus Sicilien nach Luceria und nach No- cera übergesiedelten Saracenen, welche gegen allen Jammer taub und gegen den kirchlichen Bann gleichgültig waren. Die Unterthanen, der Waffen entwöhnt, ließen später den Sturz Manfreds und die Besitznahme des Anjou leicht und willenlos über sich ergehen; letzterer aber erbte diesen Re- gierungsmechanismus und benützte ihn weiter.
Die Herrschaft Ezzelino's.Neben dem centralisirenden Kaiser tritt ein Usurpator der eigenthümlichsten Art auf: sein Vicarius und Schwieger- sohn Ezzelino da Romano. Er repräsentirt kein Regierungs- und Verwaltungssystem, da seine Thätigkeit in lauter Kämpfen um die Herrschaft im östlichen Oberitalien aufging, allein er ist als politisches Vorbild für die Folgezeit nicht minder wichtig als sein kaiserlicher Beschützer. Alle bisherige Eroberung und Usurpation des Mittelalters war entweder auf wirk- liche oder vorgegebene Erbschaft und andere Rechte hin oder gegen die Ungläubigen oder Excommunicirten voll- bracht worden. Hier zum erstenmal wird die Gründung
1. Abſchnitt.man dem Orientalen freilich kein Geld aus den Händen bringt. Hier iſt kein Volk mehr, ſondern ein controlirbarer Haufe von Unterthanen, die z. B. ohne beſondere Erlaubniß nicht auswärts heirathen und unbedingt nicht auswärts ſtudiren durften; — die Univerſität Neapel übte den frühſten bekannten Studienzwang, während der Orient ſeine Leute wenigſtens in dieſen Dingen frei ließ. Echt mohammedaniſch dagegen war es wiederum, daß Friedrich nach dem ganzen Mittelmeer eige- nen Handel trieb, viele Gegenſtände ſich vorbehielt und den Handel der Unterthanen hemmte. Die fatimidiſchen Khalifen mit ihrer Geheimlehre des Unglaubens waren (wenigſtens Anfangs) tolerant geweſen gegen die Religionen ihrer Unter- thanen; Friedrich dagegen krönt ſein Regierungsſyſtem durch eine Ketzerinquiſition, die nur um ſo ſchuldvoller erſcheint, wenn man annimmt, er habe in den Ketzern die Vertreter frei- ſinnigen ſtädtiſchen Lebens verfolgt. Als Polizeimannſchaft im Innern und als Kern der Armee nach außen dienten ihm endlich jene aus Sicilien nach Luceria und nach No- cera übergeſiedelten Saracenen, welche gegen allen Jammer taub und gegen den kirchlichen Bann gleichgültig waren. Die Unterthanen, der Waffen entwöhnt, ließen ſpäter den Sturz Manfreds und die Beſitznahme des Anjou leicht und willenlos über ſich ergehen; letzterer aber erbte dieſen Re- gierungsmechanismus und benützte ihn weiter.
Die Herrſchaft Ezzelino's.Neben dem centraliſirenden Kaiſer tritt ein Uſurpator der eigenthümlichſten Art auf: ſein Vicarius und Schwieger- ſohn Ezzelino da Romano. Er repräſentirt kein Regierungs- und Verwaltungsſyſtem, da ſeine Thätigkeit in lauter Kämpfen um die Herrſchaft im öſtlichen Oberitalien aufging, allein er iſt als politiſches Vorbild für die Folgezeit nicht minder wichtig als ſein kaiſerlicher Beſchützer. Alle bisherige Eroberung und Uſurpation des Mittelalters war entweder auf wirk- liche oder vorgegebene Erbſchaft und andere Rechte hin oder gegen die Ungläubigen oder Excommunicirten voll- bracht worden. Hier zum erſtenmal wird die Gründung
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man dem Orientalen freilich kein Geld aus den Händen
bringt. Hier iſt kein Volk mehr, ſondern ein controlirbarer
Haufe von Unterthanen, die z. B. ohne beſondere Erlaubniß
nicht auswärts heirathen und unbedingt nicht auswärts ſtudiren
durften; — die Univerſität Neapel übte den frühſten bekannten
Studienzwang, während der Orient ſeine Leute wenigſtens
in dieſen Dingen frei ließ. Echt mohammedaniſch dagegen war
es wiederum, daß Friedrich nach dem ganzen Mittelmeer eige-
nen Handel trieb, viele Gegenſtände ſich vorbehielt und den
Handel der Unterthanen hemmte. Die fatimidiſchen Khalifen
mit ihrer Geheimlehre des Unglaubens waren (wenigſtens
Anfangs) tolerant geweſen gegen die Religionen ihrer Unter-
thanen; Friedrich dagegen krönt ſein Regierungsſyſtem durch
eine Ketzerinquiſition, die nur um ſo ſchuldvoller erſcheint, wenn
man annimmt, er habe in den Ketzern die Vertreter frei-
ſinnigen ſtädtiſchen Lebens verfolgt. Als Polizeimannſchaft
im Innern und als Kern der Armee nach außen dienten
ihm endlich jene aus Sicilien nach Luceria und nach No-
cera übergeſiedelten Saracenen, welche gegen allen Jammer
taub und gegen den kirchlichen Bann gleichgültig waren.
Die Unterthanen, der Waffen entwöhnt, ließen ſpäter den
Sturz Manfreds und die Beſitznahme des Anjou leicht und
willenlos über ſich ergehen; letzterer aber erbte dieſen Re-
gierungsmechanismus und benützte ihn weiter.
1. Abſchnitt.
Neben dem centraliſirenden Kaiſer tritt ein Uſurpator
der eigenthümlichſten Art auf: ſein Vicarius und Schwieger-
ſohn Ezzelino da Romano. Er repräſentirt kein Regierungs-
und Verwaltungsſyſtem, da ſeine Thätigkeit in lauter Kämpfen
um die Herrſchaft im öſtlichen Oberitalien aufging, allein er
iſt als politiſches Vorbild für die Folgezeit nicht minder wichtig
als ſein kaiſerlicher Beſchützer. Alle bisherige Eroberung
und Uſurpation des Mittelalters war entweder auf wirk-
liche oder vorgegebene Erbſchaft und andere Rechte hin
oder gegen die Ungläubigen oder Excommunicirten voll-
bracht worden. Hier zum erſtenmal wird die Gründung
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/14>, abgerufen am 21.11.2024.
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