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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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2. Abschnitt.Neben solchen localen Ruhmeshallen, bei deren Aus-
Allgemeines
Pantheon.
stattung Mythus, Legende, literarisch hervorgebrachte Re-
nommee und populäres Erstaunen zusammenwirken, bauen
die Poeten-Philologen an einem allgemeinen Pantheon des
Weltruhms; sie schreiben Sammelwerke: von berühmten
Männern, von berühmten Frauen, oft in unmittelbarer
Abhängigkeit von Corn. Nepos, Pseudo-Sueton, Valerius
Maximus, Plutarch (Mulierum virtutes) u. s. w. Oder
sie dichten von visionären Triumphzügen und idealen, olym-
pischen Versammlungen, wie Petrarca namentlich in seinem
Trionfo della fama, Boccaccio in seiner Amorosa visione,
mit hunderten von Namen, wovon mindestens drei Vier-
theile dem Alterthum, die übrigen dem Mittelalter ange-
hören 1). Allmälig wird dieser neuere, relativ moderne
Bestandtheil mit größerem Nachdruck behandelt; die Ge-
schichtschreiber legen Characteristiken in ihre Werke ein, und

1) In den casus virorum illustrium des Boccaccio gehört nur das
letzte, neunte Buch der nachantiken Zeit an. Ebenso noch viel
später in den Commentarii urbani des Raph. Volaterranus nur
das 21ste Buch, welches das neunte der Anthropologie ist; Päpste
und Kaiser behandelt er im 22. und 23. Buch besonders. -- In
dem Werke "de claris mulieribus" des Augustiners Jacobus
Bergomensis (um 1500) überwiegt das Alterthum und noch
mehr die Legende, dann folgen aber einige werthvolle Biogra-
phien von Italienerinnen. Bei Scardeonius (de urb. Patav.
antiq., Graev. thesaur. VI, III, Col. 405, s.)
werden lauter be-
rühmte Paduanerinnen aufgezählt: Zuerst eine Legende oder eine
Sage aus der Völkerwanderung; dann leidenschaftliche Tragödien
aus den Parteikämpfen des XIII. und XIV. Jahrh; hierauf an-
dere kühne Heldenweiber; die Klosterstifterin, die politische Rathge-
berin, die Aerztin, die Mutter vieler und ausgezeichneter Söhne,
die gelehrte Frau, das Bauermädchen das für seine Unschuld stirbt,
endlich die schöne hochgebildete Frau des XVI. Jahrh., auf welche
Jedermann Gedichte macht; zum Schluß die Dichterin und Novel-
listin. Ein Jahrhundert später wäre zu all diesen berühmten patavi-
nischen Frauen noch die Professorin hinzugekommen. -- Die berühm-
ten Frauen des Hauses Este, bei Ariosto, Orl. XIII.

2. Abſchnitt.Neben ſolchen localen Ruhmeshallen, bei deren Aus-
Allgemeines
Pantheon.
ſtattung Mythus, Legende, literariſch hervorgebrachte Re-
nommee und populäres Erſtaunen zuſammenwirken, bauen
die Poeten-Philologen an einem allgemeinen Pantheon des
Weltruhms; ſie ſchreiben Sammelwerke: von berühmten
Männern, von berühmten Frauen, oft in unmittelbarer
Abhängigkeit von Corn. Nepos, Pſeudo-Sueton, Valerius
Maximus, Plutarch (Mulierum virtutes) u. ſ. w. Oder
ſie dichten von viſionären Triumphzügen und idealen, olym-
piſchen Verſammlungen, wie Petrarca namentlich in ſeinem
Trionfo della fama, Boccaccio in ſeiner Amoroſa viſione,
mit hunderten von Namen, wovon mindeſtens drei Vier-
theile dem Alterthum, die übrigen dem Mittelalter ange-
hören 1). Allmälig wird dieſer neuere, relativ moderne
Beſtandtheil mit größerem Nachdruck behandelt; die Ge-
ſchichtſchreiber legen Characteriſtiken in ihre Werke ein, und

1) In den casus virorum illustrium des Boccaccio gehört nur das
letzte, neunte Buch der nachantiken Zeit an. Ebenſo noch viel
ſpäter in den Commentarii urbani des Raph. Volaterranus nur
das 21ſte Buch, welches das neunte der Anthropologie iſt; Päpſte
und Kaiſer behandelt er im 22. und 23. Buch beſonders. — In
dem Werke „de claris mulieribus“ des Auguſtiners Jacobus
Bergomenſis (um 1500) überwiegt das Alterthum und noch
mehr die Legende, dann folgen aber einige werthvolle Biogra-
phien von Italienerinnen. Bei Scardeonius (de urb. Patav.
antiq., Græv. thesaur. VI, III, Col. 405, s.)
werden lauter be-
rühmte Paduanerinnen aufgezählt: Zuerſt eine Legende oder eine
Sage aus der Völkerwanderung; dann leidenſchaftliche Tragödien
aus den Parteikämpfen des XIII. und XIV. Jahrh; hierauf an-
dere kühne Heldenweiber; die Kloſterſtifterin, die politiſche Rathge-
berin, die Aerztin, die Mutter vieler und ausgezeichneter Söhne,
die gelehrte Frau, das Bauermädchen das für ſeine Unſchuld ſtirbt,
endlich die ſchöne hochgebildete Frau des XVI. Jahrh., auf welche
Jedermann Gedichte macht; zum Schluß die Dichterin und Novel-
liſtin. Ein Jahrhundert ſpäter wäre zu all dieſen berühmten patavi-
niſchen Frauen noch die Profeſſorin hinzugekommen. — Die berühm-
ten Frauen des Hauſes Eſte, bei Arioſto, Orl. XIII.
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[150/0160] Neben ſolchen localen Ruhmeshallen, bei deren Aus- ſtattung Mythus, Legende, literariſch hervorgebrachte Re- nommee und populäres Erſtaunen zuſammenwirken, bauen die Poeten-Philologen an einem allgemeinen Pantheon des Weltruhms; ſie ſchreiben Sammelwerke: von berühmten Männern, von berühmten Frauen, oft in unmittelbarer Abhängigkeit von Corn. Nepos, Pſeudo-Sueton, Valerius Maximus, Plutarch (Mulierum virtutes) u. ſ. w. Oder ſie dichten von viſionären Triumphzügen und idealen, olym- piſchen Verſammlungen, wie Petrarca namentlich in ſeinem Trionfo della fama, Boccaccio in ſeiner Amoroſa viſione, mit hunderten von Namen, wovon mindeſtens drei Vier- theile dem Alterthum, die übrigen dem Mittelalter ange- hören 1). Allmälig wird dieſer neuere, relativ moderne Beſtandtheil mit größerem Nachdruck behandelt; die Ge- ſchichtſchreiber legen Characteriſtiken in ihre Werke ein, und 2. Abſchnitt. Allgemeines Pantheon. 1) In den casus virorum illustrium des Boccaccio gehört nur das letzte, neunte Buch der nachantiken Zeit an. Ebenſo noch viel ſpäter in den Commentarii urbani des Raph. Volaterranus nur das 21ſte Buch, welches das neunte der Anthropologie iſt; Päpſte und Kaiſer behandelt er im 22. und 23. Buch beſonders. — In dem Werke „de claris mulieribus“ des Auguſtiners Jacobus Bergomenſis (um 1500) überwiegt das Alterthum und noch mehr die Legende, dann folgen aber einige werthvolle Biogra- phien von Italienerinnen. Bei Scardeonius (de urb. Patav. antiq., Græv. thesaur. VI, III, Col. 405, s.) werden lauter be- rühmte Paduanerinnen aufgezählt: Zuerſt eine Legende oder eine Sage aus der Völkerwanderung; dann leidenſchaftliche Tragödien aus den Parteikämpfen des XIII. und XIV. Jahrh; hierauf an- dere kühne Heldenweiber; die Kloſterſtifterin, die politiſche Rathge- berin, die Aerztin, die Mutter vieler und ausgezeichneter Söhne, die gelehrte Frau, das Bauermädchen das für ſeine Unſchuld ſtirbt, endlich die ſchöne hochgebildete Frau des XVI. Jahrh., auf welche Jedermann Gedichte macht; zum Schluß die Dichterin und Novel- liſtin. Ein Jahrhundert ſpäter wäre zu all dieſen berühmten patavi- niſchen Frauen noch die Profeſſorin hinzugekommen. — Die berühm- ten Frauen des Hauſes Eſte, bei Arioſto, Orl. XIII.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/160>, abgerufen am 21.11.2024.