Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

es entstehen Sammlungen von Biographien berühmter Zeit-2. Abschnitt.
genossen wie die von Filippo Villani, Vespasiano Fiorentino
und Bartolommeo Facio 1), zuletzt die von Paolo Giovio.

Der Norden aber besaß, bis Italien auf seine AutorenDer Ruhm im
Norden.

(z. B. auf Trithemius) einwirkte, nur Legenden der Hei-
ligen und vereinzelte Geschichten und Beschreibungen von
Fürsten und Geistlichen, die sich noch deutlich an die Le-
gende anlehnen und vom Ruhm, d. h. von der persönlich
errungenen Notorietät wesentlich unabhängig sind. Der
Dichterruhm beschränkt sich noch auf bestimmte Stände und
die Namen der Künstler erfahren wir im Norden fast aus-
schließlich nur insofern sie als Handwerker und Zunft-
menschen auftreten.

Der Poet-Philolog in Italien hat aber, wie bemerkt,Die Literatur
als Austheile-
rin d. Ruhmes.

auch schon das stärkste Bewußtsein davon, daß er der Aus-
theiler des Ruhmes, ja der Unsterblichkeit sei; und ebenso
der Vergessenheit 2). Schon Boccaccio klagt über eine von
ihm gefeierte Schöne, welche hartherzig blieb um immer
weiter von ihm besungen und dadurch berühmt zu werden,
und verdeutet ihr, er wolle es fortan mit dem Tadel ver-
suchen 3). Sannazaro droht dem vor Carl VIII. feig ge-
flohenen Alfonso von Neapel in zwei prächtigen Sonetten
mit ewiger Obscurität 4). Angelo Poliziano mahnt (1491)
den König Johann von Portugal 5) in Betreff der Ent-
deckungen in Africa ernstlich daran, bei Zeiten für Ruhm
und Unsterblichkeit zu sorgen und ihm das Material "zum

1) Die viri illustres des B. Facius, herausg. von Mehus, eines der
wichtigsten Werke dieser Art aus dem XV. Jahrh., habe ich leider
nie zu sehen bekommen.
2) Schon ein lateinischer Sänger des XII. Jahrh. -- ein fahrender
Scholar der mit seinem Lied um ein Kleid bettelt -- droht damit.
S. Carmina Burana, p. 76.
3) Boccaccio, opere volgari, Vol. XVI, im 13. Sonett: Pallido,
vinto etc.
4) U. a. bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi IV, p. 203.
5) Angeli Politiani epp. Lib. X.

es entſtehen Sammlungen von Biographien berühmter Zeit-2. Abſchnitt.
genoſſen wie die von Filippo Villani, Vespaſiano Fiorentino
und Bartolommeo Facio 1), zuletzt die von Paolo Giovio.

Der Norden aber beſaß, bis Italien auf ſeine AutorenDer Ruhm im
Norden.

(z. B. auf Trithemius) einwirkte, nur Legenden der Hei-
ligen und vereinzelte Geſchichten und Beſchreibungen von
Fürſten und Geiſtlichen, die ſich noch deutlich an die Le-
gende anlehnen und vom Ruhm, d. h. von der perſönlich
errungenen Notorietät weſentlich unabhängig ſind. Der
Dichterruhm beſchränkt ſich noch auf beſtimmte Stände und
die Namen der Künſtler erfahren wir im Norden faſt aus-
ſchließlich nur inſofern ſie als Handwerker und Zunft-
menſchen auftreten.

Der Poet-Philolog in Italien hat aber, wie bemerkt,Die Literatur
als Austheile-
rin d. Ruhmes.

auch ſchon das ſtärkſte Bewußtſein davon, daß er der Aus-
theiler des Ruhmes, ja der Unſterblichkeit ſei; und ebenſo
der Vergeſſenheit 2). Schon Boccaccio klagt über eine von
ihm gefeierte Schöne, welche hartherzig blieb um immer
weiter von ihm beſungen und dadurch berühmt zu werden,
und verdeutet ihr, er wolle es fortan mit dem Tadel ver-
ſuchen 3). Sannazaro droht dem vor Carl VIII. feig ge-
flohenen Alfonſo von Neapel in zwei prächtigen Sonetten
mit ewiger Obscurität 4). Angelo Poliziano mahnt (1491)
den König Johann von Portugal 5) in Betreff der Ent-
deckungen in Africa ernſtlich daran, bei Zeiten für Ruhm
und Unſterblichkeit zu ſorgen und ihm das Material „zum

1) Die viri illustres des B. Facius, herausg. von Mehus, eines der
wichtigſten Werke dieſer Art aus dem XV. Jahrh., habe ich leider
nie zu ſehen bekommen.
2) Schon ein lateiniſcher Sänger des XII. Jahrh. — ein fahrender
Scholar der mit ſeinem Lied um ein Kleid bettelt — droht damit.
S. Carmina Burana, p. 76.
3) Boccaccio, opere volgari, Vol. XVI, im 13. Sonett: Pallido,
vinto etc.
4) U. a. bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi IV, p. 203.
5) Angeli Politiani epp. Lib. X.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0161" n="151"/>
es ent&#x017F;tehen Sammlungen von Biographien berühmter Zeit-<note place="right"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">2. Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi></note><lb/>
geno&#x017F;&#x017F;en wie die von Filippo Villani, Vespa&#x017F;iano Fiorentino<lb/>
und Bartolommeo Facio <note place="foot" n="1)">Die <hi rendition="#aq">viri illustres</hi> des B. Facius, herausg. von Mehus, eines der<lb/>
wichtig&#x017F;ten Werke die&#x017F;er Art aus dem <hi rendition="#aq">XV.</hi> Jahrh., habe ich leider<lb/>
nie zu &#x017F;ehen bekommen.</note>, zuletzt die von Paolo Giovio.</p><lb/>
        <p>Der Norden aber be&#x017F;aß, bis Italien auf &#x017F;eine Autoren<note place="right">Der Ruhm im<lb/>
Norden.</note><lb/>
(z. B. auf Trithemius) einwirkte, nur Legenden der Hei-<lb/>
ligen und vereinzelte Ge&#x017F;chichten und Be&#x017F;chreibungen von<lb/>
Für&#x017F;ten und Gei&#x017F;tlichen, die &#x017F;ich noch deutlich an die Le-<lb/>
gende anlehnen und vom Ruhm, d. h. von der per&#x017F;önlich<lb/>
errungenen Notorietät we&#x017F;entlich unabhängig &#x017F;ind. Der<lb/>
Dichterruhm be&#x017F;chränkt &#x017F;ich noch auf be&#x017F;timmte Stände und<lb/>
die Namen der Kün&#x017F;tler erfahren wir im Norden fa&#x017F;t aus-<lb/>
&#x017F;chließlich nur in&#x017F;ofern &#x017F;ie als Handwerker und Zunft-<lb/>
men&#x017F;chen auftreten.</p><lb/>
        <p>Der Poet-Philolog in Italien hat aber, wie bemerkt,<note place="right">Die Literatur<lb/>
als Austheile-<lb/>
rin d. Ruhmes.</note><lb/>
auch &#x017F;chon das &#x017F;tärk&#x017F;te Bewußt&#x017F;ein davon, daß er der Aus-<lb/>
theiler des Ruhmes, ja der Un&#x017F;terblichkeit &#x017F;ei; und eben&#x017F;o<lb/>
der Verge&#x017F;&#x017F;enheit <note place="foot" n="2)">Schon ein lateini&#x017F;cher Sänger des <hi rendition="#aq">XII.</hi> Jahrh. &#x2014; ein fahrender<lb/>
Scholar der mit &#x017F;einem Lied um ein Kleid bettelt &#x2014; droht damit.<lb/>
S. <hi rendition="#aq">Carmina Burana, p.</hi> 76.</note>. Schon Boccaccio klagt über eine von<lb/>
ihm gefeierte Schöne, welche hartherzig blieb um immer<lb/>
weiter von ihm be&#x017F;ungen und dadurch berühmt zu werden,<lb/>
und verdeutet ihr, er wolle es fortan mit dem Tadel ver-<lb/>
&#x017F;uchen <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Boccaccio, opere volgari, Vol. XVI,</hi> im 13. Sonett: <hi rendition="#aq">Pallido,<lb/>
vinto etc.</hi></note>. Sannazaro droht dem vor Carl <hi rendition="#aq">VIII.</hi> feig ge-<lb/>
flohenen Alfon&#x017F;o von Neapel in zwei prächtigen Sonetten<lb/>
mit ewiger Obscurität <note place="foot" n="4)">U. a. bei <hi rendition="#aq">Roscoe, Leone X, ed. Bossi IV, p.</hi> 203.</note>. Angelo Poliziano mahnt (1491)<lb/>
den König Johann von Portugal <note place="foot" n="5)"><hi rendition="#aq">Angeli Politiani epp. Lib. X.</hi></note> in Betreff der Ent-<lb/>
deckungen in Africa ern&#x017F;tlich daran, bei Zeiten für Ruhm<lb/>
und Un&#x017F;terblichkeit zu &#x017F;orgen und ihm das Material &#x201E;zum<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0161] es entſtehen Sammlungen von Biographien berühmter Zeit- genoſſen wie die von Filippo Villani, Vespaſiano Fiorentino und Bartolommeo Facio 1), zuletzt die von Paolo Giovio. 2. Abſchnitt. Der Norden aber beſaß, bis Italien auf ſeine Autoren (z. B. auf Trithemius) einwirkte, nur Legenden der Hei- ligen und vereinzelte Geſchichten und Beſchreibungen von Fürſten und Geiſtlichen, die ſich noch deutlich an die Le- gende anlehnen und vom Ruhm, d. h. von der perſönlich errungenen Notorietät weſentlich unabhängig ſind. Der Dichterruhm beſchränkt ſich noch auf beſtimmte Stände und die Namen der Künſtler erfahren wir im Norden faſt aus- ſchließlich nur inſofern ſie als Handwerker und Zunft- menſchen auftreten. Der Ruhm im Norden. Der Poet-Philolog in Italien hat aber, wie bemerkt, auch ſchon das ſtärkſte Bewußtſein davon, daß er der Aus- theiler des Ruhmes, ja der Unſterblichkeit ſei; und ebenſo der Vergeſſenheit 2). Schon Boccaccio klagt über eine von ihm gefeierte Schöne, welche hartherzig blieb um immer weiter von ihm beſungen und dadurch berühmt zu werden, und verdeutet ihr, er wolle es fortan mit dem Tadel ver- ſuchen 3). Sannazaro droht dem vor Carl VIII. feig ge- flohenen Alfonſo von Neapel in zwei prächtigen Sonetten mit ewiger Obscurität 4). Angelo Poliziano mahnt (1491) den König Johann von Portugal 5) in Betreff der Ent- deckungen in Africa ernſtlich daran, bei Zeiten für Ruhm und Unſterblichkeit zu ſorgen und ihm das Material „zum Die Literatur als Austheile- rin d. Ruhmes. 1) Die viri illustres des B. Facius, herausg. von Mehus, eines der wichtigſten Werke dieſer Art aus dem XV. Jahrh., habe ich leider nie zu ſehen bekommen. 2) Schon ein lateiniſcher Sänger des XII. Jahrh. — ein fahrender Scholar der mit ſeinem Lied um ein Kleid bettelt — droht damit. S. Carmina Burana, p. 76. 3) Boccaccio, opere volgari, Vol. XVI, im 13. Sonett: Pallido, vinto etc. 4) U. a. bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi IV, p. 203. 5) Angeli Politiani epp. Lib. X.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/161
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/161>, abgerufen am 21.11.2024.