Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.2. Abschnitt.und Fürsten. -- Es sind echte Züge dieser Zeit hoch auf- Spott u. Witz.Das Correctiv nicht nur des Ruhmes und der modernen 1) Das Mittelalter ist reich an sogenannten satirischen Gedichten, allein
es ist noch nicht individuelle sondern fast lauter allgemeine, auf Stände, Kategorien, Bevölkerungen etc. gemünzte Satire, welche denn auch leicht in den lehrhaften Ton übergeht. Der allgemeine Nieder- schlag dieser ganzen Richtung ist vorzüglich die Fabel vom Reineke Fuchs in all ihren Redactionen bei den verschiedenen Völkern des Abendlandes. Für die französische Literatur dieses Zweiges ist eine treffliche neuere Arbeit vorhanden: Lenient, la satire en France au moyen-age. 2. Abſchnitt.und Fürſten. — Es ſind echte Züge dieſer Zeit hoch auf- Spott u. Witz.Das Correctiv nicht nur des Ruhmes und der modernen 1) Das Mittelalter iſt reich an ſogenannten ſatiriſchen Gedichten, allein
es iſt noch nicht individuelle ſondern faſt lauter allgemeine, auf Stände, Kategorien, Bevölkerungen ꝛc. gemünzte Satire, welche denn auch leicht in den lehrhaften Ton übergeht. Der allgemeine Nieder- ſchlag dieſer ganzen Richtung iſt vorzüglich die Fabel vom Reineke Fuchs in all ihren Redactionen bei den verſchiedenen Völkern des Abendlandes. Für die franzöſiſche Literatur dieſes Zweiges iſt eine treffliche neuere Arbeit vorhanden: Lenient, la satire en France au moyen-âge. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0164" n="154"/><note place="left"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">2. Abſchnitt.</hi></hi></note>und Fürſten. — Es ſind echte Züge dieſer Zeit hoch auf-<lb/> geregter, aber bereits verzweifelnder Kräfte und Leiden-<lb/> ſchaften, ganz wie einſt die Brandſtiftung im Tempel von<lb/> Epheſus zur Zeit des Philipp von Macedonien.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p><note place="left">Spott u. Witz.</note>Das Correctiv nicht nur des Ruhmes und der modernen<lb/> Ruhmbegier, ſondern des höher entwickelten Individualismus<lb/> überhaupt iſt der moderne Spott und Hohn, womöglich<lb/> in der ſiegreichen Form des Witzes. Wir erfahren aus<lb/> dem Mittelalter, wie feindliche Heere, verfeindete Fürſten<lb/> und Große einander mit ſymboliſchem Hohn auf das Aeußerſte<lb/> reizen, oder wie der unterlegene Theil mit höchſter ſymbo-<lb/> liſcher Schmach beladen wird. Daneben beginnt in theo-<lb/> logiſchen Streitigkeiten ſchon hie und da, unter dem Ein-<lb/> fluß antiker Rhetorik und Epiſtolographie, der Witz eine<lb/> Waffe zu werden und die provenzaliſche Poeſie entwickelt<lb/> eine eigene Gattung von Trotz- und Hohnliedern; auch den<lb/> Minneſingern fehlt gelegentlich dieſer Ton nicht, wie ihre<lb/><note place="left">Der Spott und<lb/> das Indivi-<lb/> duum.</note>politiſchen Gedichte zeigen <note place="foot" n="1)">Das Mittelalter iſt reich an ſogenannten ſatiriſchen Gedichten, allein<lb/> es iſt noch nicht individuelle ſondern faſt lauter allgemeine, auf<lb/> Stände, Kategorien, Bevölkerungen ꝛc. gemünzte Satire, welche denn<lb/> auch leicht in den lehrhaften Ton übergeht. Der allgemeine Nieder-<lb/> ſchlag dieſer ganzen Richtung iſt vorzüglich die Fabel vom Reineke<lb/> Fuchs in all ihren Redactionen bei den verſchiedenen Völkern des<lb/> Abendlandes. Für die franzöſiſche Literatur dieſes Zweiges iſt eine<lb/> treffliche neuere Arbeit vorhanden: <hi rendition="#aq">Lenient, la satire en France<lb/> au moyen-âge.</hi></note>. Aber ein ſelbſtändiges Element<lb/> des Lebens konnte der Witz doch erſt werden als ſein regel-<lb/> mäßiges Opfer, das ausgebildete Individuum mit perſön-<lb/> lichen Anſprüchen, vorhanden war. Da beſchränkt er ſich<lb/> auch bei Weitem nicht mehr auf Wort und Schrift, ſondern<lb/> wird thatſächlich: er ſpielt Poſſen und verübt Streiche, die<lb/> ſogenannten <hi rendition="#aq">burle</hi> und <hi rendition="#aq">beffe,</hi> welche einen Hauptinhalt<lb/> mehrerer Novellenſammlungen ausmachen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [154/0164]
und Fürſten. — Es ſind echte Züge dieſer Zeit hoch auf-
geregter, aber bereits verzweifelnder Kräfte und Leiden-
ſchaften, ganz wie einſt die Brandſtiftung im Tempel von
Epheſus zur Zeit des Philipp von Macedonien.
2. Abſchnitt.
Das Correctiv nicht nur des Ruhmes und der modernen
Ruhmbegier, ſondern des höher entwickelten Individualismus
überhaupt iſt der moderne Spott und Hohn, womöglich
in der ſiegreichen Form des Witzes. Wir erfahren aus
dem Mittelalter, wie feindliche Heere, verfeindete Fürſten
und Große einander mit ſymboliſchem Hohn auf das Aeußerſte
reizen, oder wie der unterlegene Theil mit höchſter ſymbo-
liſcher Schmach beladen wird. Daneben beginnt in theo-
logiſchen Streitigkeiten ſchon hie und da, unter dem Ein-
fluß antiker Rhetorik und Epiſtolographie, der Witz eine
Waffe zu werden und die provenzaliſche Poeſie entwickelt
eine eigene Gattung von Trotz- und Hohnliedern; auch den
Minneſingern fehlt gelegentlich dieſer Ton nicht, wie ihre
politiſchen Gedichte zeigen 1). Aber ein ſelbſtändiges Element
des Lebens konnte der Witz doch erſt werden als ſein regel-
mäßiges Opfer, das ausgebildete Individuum mit perſön-
lichen Anſprüchen, vorhanden war. Da beſchränkt er ſich
auch bei Weitem nicht mehr auf Wort und Schrift, ſondern
wird thatſächlich: er ſpielt Poſſen und verübt Streiche, die
ſogenannten burle und beffe, welche einen Hauptinhalt
mehrerer Novellenſammlungen ausmachen.
Spott u. Witz.
Der Spott und
das Indivi-
duum.
1) Das Mittelalter iſt reich an ſogenannten ſatiriſchen Gedichten, allein
es iſt noch nicht individuelle ſondern faſt lauter allgemeine, auf
Stände, Kategorien, Bevölkerungen ꝛc. gemünzte Satire, welche denn
auch leicht in den lehrhaften Ton übergeht. Der allgemeine Nieder-
ſchlag dieſer ganzen Richtung iſt vorzüglich die Fabel vom Reineke
Fuchs in all ihren Redactionen bei den verſchiedenen Völkern des
Abendlandes. Für die franzöſiſche Literatur dieſes Zweiges iſt eine
treffliche neuere Arbeit vorhanden: Lenient, la satire en France
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