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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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3. Abschnitt.Ungeheuer 1) die Humanisten mit vielen Andern unter den
Artikel: Superbia; er schildert sie mit ihrem Dünkel als
Apollssöhne, wie sie verdrossenen und maliciösen Aussehens
mit falscher Gravität einherschreiten, dem körnerpickenden
Kranich vergleichbar, bald ihren Schatten betrachtend, bald
in zehrende Sorge um Lob versunken. Allein das XVI.
Jahrhundert machte ihnen förmlich den Proceß. Außer
Im XVI. Ih.Ariosto bezeugt dieß hauptsächlich ihr Literarhistoriker Gy-
raldus, dessen Abhandlung 2) schon unter Leo X. verfaßt,
wahrscheinlich aber um 1540 überarbeitet wurde. Antike
und moderne Warnungsexempel der sittlichen Haltlosigkeit
und des jammervollen Lebens der Literaten strömen uns
hier in gewaltiger Masse entgegen, und dazwischen werden
schwere allgemeine Anklagen formulirt. Dieselben lauten
hauptsächlich auf Leidenschaftlichkeit, Eitelkeit, Starrsinn,
Selbstvergötterung, zerfahrenes Privatleben, Unzucht aller
Art, Ketzerei, Atheismus, -- dann Wohlredenheit ohne
Ueberzeugung, verderblichen Einfluß auf die Cabinete,
Sprachpedanterei, Undank gegen die Lehrer, kriechende
Schmeichelei gegen die Fürsten, welche den Literaten zuerst
anbeißen und dann hungern lassen u. dgl. m. Den Schluß
bildet eine Bemerkung über das goldene Zeitalter, welches
nämlich damals geherrscht habe, als es noch keine Wissen-
schaft gab. -- Von diesen Anklagen wurde bald eine die
gefährlichste: diejenige auf Ketzerei, und Gyraldus selbst
muß sich später beim Wiederabdruck einer völlig harmlosen
Jugendschrift 3) an den Mantel des Herzogs Ercole II.
von Ferrara anklammern, weil schon Leute das Wort führen,
welche finden, die Zeit wäre besser an christliche Gegenstände
gewendet worden als an mythologische Forschungen. Er

1) Bapt. Mantuan. de calamitatibus temporum, L. I.
2) Lil. Greg. Gyraldus Progymnasma adversus literas et literatos.
3) Lil. Greg. Gyraldus: Hercules. Die Widmung ist ein sprechendes
Denkmal der ersten drohenden Regungen der Inquisition.

3. Abſchnitt.Ungeheuer 1) die Humaniſten mit vielen Andern unter den
Artikel: Superbia; er ſchildert ſie mit ihrem Dünkel als
Apollsſöhne, wie ſie verdroſſenen und maliciöſen Ausſehens
mit falſcher Gravität einherſchreiten, dem körnerpickenden
Kranich vergleichbar, bald ihren Schatten betrachtend, bald
in zehrende Sorge um Lob verſunken. Allein das XVI.
Jahrhundert machte ihnen förmlich den Proceß. Außer
Im XVI. Ih.Arioſto bezeugt dieß hauptſächlich ihr Literarhiſtoriker Gy-
raldus, deſſen Abhandlung 2) ſchon unter Leo X. verfaßt,
wahrſcheinlich aber um 1540 überarbeitet wurde. Antike
und moderne Warnungsexempel der ſittlichen Haltloſigkeit
und des jammervollen Lebens der Literaten ſtrömen uns
hier in gewaltiger Maſſe entgegen, und dazwiſchen werden
ſchwere allgemeine Anklagen formulirt. Dieſelben lauten
hauptſächlich auf Leidenſchaftlichkeit, Eitelkeit, Starrſinn,
Selbſtvergötterung, zerfahrenes Privatleben, Unzucht aller
Art, Ketzerei, Atheismus, — dann Wohlredenheit ohne
Ueberzeugung, verderblichen Einfluß auf die Cabinete,
Sprachpedanterei, Undank gegen die Lehrer, kriechende
Schmeichelei gegen die Fürſten, welche den Literaten zuerſt
anbeißen und dann hungern laſſen u. dgl. m. Den Schluß
bildet eine Bemerkung über das goldene Zeitalter, welches
nämlich damals geherrſcht habe, als es noch keine Wiſſen-
ſchaft gab. — Von dieſen Anklagen wurde bald eine die
gefährlichſte: diejenige auf Ketzerei, und Gyraldus ſelbſt
muß ſich ſpäter beim Wiederabdruck einer völlig harmloſen
Jugendſchrift 3) an den Mantel des Herzogs Ercole II.
von Ferrara anklammern, weil ſchon Leute das Wort führen,
welche finden, die Zeit wäre beſſer an chriſtliche Gegenſtände
gewendet worden als an mythologiſche Forſchungen. Er

1) Bapt. Mantuan. de calamitatibus temporum, L. I.
2) Lil. Greg. Gyraldus Progymnasma adversus literas et literatos.
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[272/0282] Ungeheuer 1) die Humaniſten mit vielen Andern unter den Artikel: Superbia; er ſchildert ſie mit ihrem Dünkel als Apollsſöhne, wie ſie verdroſſenen und maliciöſen Ausſehens mit falſcher Gravität einherſchreiten, dem körnerpickenden Kranich vergleichbar, bald ihren Schatten betrachtend, bald in zehrende Sorge um Lob verſunken. Allein das XVI. Jahrhundert machte ihnen förmlich den Proceß. Außer Arioſto bezeugt dieß hauptſächlich ihr Literarhiſtoriker Gy- raldus, deſſen Abhandlung 2) ſchon unter Leo X. verfaßt, wahrſcheinlich aber um 1540 überarbeitet wurde. Antike und moderne Warnungsexempel der ſittlichen Haltloſigkeit und des jammervollen Lebens der Literaten ſtrömen uns hier in gewaltiger Maſſe entgegen, und dazwiſchen werden ſchwere allgemeine Anklagen formulirt. Dieſelben lauten hauptſächlich auf Leidenſchaftlichkeit, Eitelkeit, Starrſinn, Selbſtvergötterung, zerfahrenes Privatleben, Unzucht aller Art, Ketzerei, Atheismus, — dann Wohlredenheit ohne Ueberzeugung, verderblichen Einfluß auf die Cabinete, Sprachpedanterei, Undank gegen die Lehrer, kriechende Schmeichelei gegen die Fürſten, welche den Literaten zuerſt anbeißen und dann hungern laſſen u. dgl. m. Den Schluß bildet eine Bemerkung über das goldene Zeitalter, welches nämlich damals geherrſcht habe, als es noch keine Wiſſen- ſchaft gab. — Von dieſen Anklagen wurde bald eine die gefährlichſte: diejenige auf Ketzerei, und Gyraldus ſelbſt muß ſich ſpäter beim Wiederabdruck einer völlig harmloſen Jugendſchrift 3) an den Mantel des Herzogs Ercole II. von Ferrara anklammern, weil ſchon Leute das Wort führen, welche finden, die Zeit wäre beſſer an chriſtliche Gegenſtände gewendet worden als an mythologiſche Forſchungen. Er 3. Abſchnitt. Im XVI. Ih. 1) Bapt. Mantuan. de calamitatibus temporum, L. I. 2) Lil. Greg. Gyraldus Progymnasma adversus literas et literatos. 3) Lil. Greg. Gyraldus: Hercules. Die Widmung iſt ein ſprechendes Denkmal der erſten drohenden Regungen der Inquiſition.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/282>, abgerufen am 22.11.2024.