Hauslehrerschaft, Secretariat, Professur, Dienstbarkeit bei3. Abschnitt. Fürsten, tödtliche Feindschaften und Gefahren, begeisterte Bewunderung und Ueberschüttung mit Hohn, Ueberfluß und Armuth wirr aufeinander folgten. Dem gediegensten Wissen konnte der flachste Dilettantismus bisweilen den Rang ab- laufen. Das Hauptübel aber war, daß dieser Stand mit einer festen Heimath beinahe unverträglich blieb, indem er entweder den Ortswechsel geradezu erforderte, oder den Menschen so stimmte, daß ihm nirgends lange wohl sein konnte. Während er der Leute des Ortes satt wurde und im Wirbel der Feindschaften sich übel befand, verlangten auch eben jene Leute stets Neues (S. 207). So ManchesVergleichung mit den Sophisten hier auch an die griechischen Sophisten der Kaiserzeit er- innert, wie sie Philostratus beschreibt, so standen diese doch günstiger, indem sie großentheils Reichthümer besaßen, oder leichter entbehrten und überhaupt leichter lebten, weil sie nicht sowohl Gelehrte als ausübende Virtuosen der Rede waren. Der Humanist der Renaissance dagegen muß eine große Erudition und einen Strudel der verschiedensten Lagen und Beschäftigungen zu tragen wissen. Dazu dann, um sich zu betäuben, unordentlicher Genuß, und, sobald man ihm ohnehin das Schlimmste zutraute, Gleichgültigkeit gegen alle sonst geltende Moral. Ohne Hochmuth sind solche Charactere vollends nicht denkbar; sie bedürfen des- selben schon um oben schwimmend zu bleiben und die mit dem Haß abwechselnde Vergötterung bestärkt sie nothwendig darin. Sie sind die auffallendsten Beispiele und Opfer der entfesselten Subjectivität.
Die Klagen wie die satirischen Schilderungen beginnen,Ankläger im XV. Jahrh.; wie bemerkt, schon früh, indem ja für jeden entwickelten Individualismus, für jede Art von Celebrität ein bestimmter Hohn als Zuchtruthe vorhanden war. Zudem lieferten ja die Betreffenden selber das furchtbarste Material, welches man nur zu benützen brauchte. Noch im XV. Jahrhundert ordnet Battista Mantovano in der Aufzählung der sieben
Hauslehrerſchaft, Secretariat, Profeſſur, Dienſtbarkeit bei3. Abſchnitt. Fürſten, tödtliche Feindſchaften und Gefahren, begeiſterte Bewunderung und Ueberſchüttung mit Hohn, Ueberfluß und Armuth wirr aufeinander folgten. Dem gediegenſten Wiſſen konnte der flachſte Dilettantismus bisweilen den Rang ab- laufen. Das Hauptübel aber war, daß dieſer Stand mit einer feſten Heimath beinahe unverträglich blieb, indem er entweder den Ortswechſel geradezu erforderte, oder den Menſchen ſo ſtimmte, daß ihm nirgends lange wohl ſein konnte. Während er der Leute des Ortes ſatt wurde und im Wirbel der Feindſchaften ſich übel befand, verlangten auch eben jene Leute ſtets Neues (S. 207). So ManchesVergleichung mit den Sophiſten hier auch an die griechiſchen Sophiſten der Kaiſerzeit er- innert, wie ſie Philoſtratus beſchreibt, ſo ſtanden dieſe doch günſtiger, indem ſie großentheils Reichthümer beſaßen, oder leichter entbehrten und überhaupt leichter lebten, weil ſie nicht ſowohl Gelehrte als ausübende Virtuoſen der Rede waren. Der Humaniſt der Renaiſſance dagegen muß eine große Erudition und einen Strudel der verſchiedenſten Lagen und Beſchäftigungen zu tragen wiſſen. Dazu dann, um ſich zu betäuben, unordentlicher Genuß, und, ſobald man ihm ohnehin das Schlimmſte zutraute, Gleichgültigkeit gegen alle ſonſt geltende Moral. Ohne Hochmuth ſind ſolche Charactere vollends nicht denkbar; ſie bedürfen des- ſelben ſchon um oben ſchwimmend zu bleiben und die mit dem Haß abwechſelnde Vergötterung beſtärkt ſie nothwendig darin. Sie ſind die auffallendſten Beiſpiele und Opfer der entfeſſelten Subjectivität.
Die Klagen wie die ſatiriſchen Schilderungen beginnen,Ankläger im XV. Jahrh.; wie bemerkt, ſchon früh, indem ja für jeden entwickelten Individualismus, für jede Art von Celebrität ein beſtimmter Hohn als Zuchtruthe vorhanden war. Zudem lieferten ja die Betreffenden ſelber das furchtbarſte Material, welches man nur zu benützen brauchte. Noch im XV. Jahrhundert ordnet Battiſta Mantovano in der Aufzählung der ſieben
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0281"n="271"/>
Hauslehrerſchaft, Secretariat, Profeſſur, Dienſtbarkeit bei<noteplace="right"><hirendition="#b"><hirendition="#u">3. Abſchnitt.</hi></hi></note><lb/>
Fürſten, tödtliche Feindſchaften und Gefahren, begeiſterte<lb/>
Bewunderung und Ueberſchüttung mit Hohn, Ueberfluß und<lb/>
Armuth wirr aufeinander folgten. Dem gediegenſten Wiſſen<lb/>
konnte der flachſte Dilettantismus bisweilen den Rang ab-<lb/>
laufen. Das Hauptübel aber war, daß dieſer Stand mit<lb/>
einer feſten Heimath beinahe unverträglich blieb, indem er<lb/>
entweder den Ortswechſel geradezu erforderte, oder den<lb/>
Menſchen ſo ſtimmte, daß ihm nirgends lange wohl ſein<lb/>
konnte. Während er der Leute des Ortes ſatt wurde und<lb/>
im Wirbel der Feindſchaften ſich übel befand, verlangten<lb/>
auch eben jene Leute ſtets Neues (S. 207). So Manches<noteplace="right">Vergleichung<lb/>
mit<lb/>
den Sophiſten</note><lb/>
hier auch an die griechiſchen Sophiſten der Kaiſerzeit er-<lb/>
innert, wie ſie Philoſtratus beſchreibt, ſo ſtanden dieſe doch<lb/>
günſtiger, indem ſie großentheils Reichthümer beſaßen, oder<lb/>
leichter entbehrten und überhaupt leichter lebten, weil ſie<lb/>
nicht ſowohl Gelehrte als ausübende Virtuoſen der Rede<lb/>
waren. Der Humaniſt der Renaiſſance dagegen muß eine<lb/>
große Erudition und einen Strudel der verſchiedenſten Lagen<lb/>
und Beſchäftigungen zu tragen wiſſen. Dazu dann, um<lb/>ſich zu betäuben, unordentlicher Genuß, und, ſobald man<lb/>
ihm ohnehin das Schlimmſte zutraute, Gleichgültigkeit<lb/>
gegen alle ſonſt geltende Moral. Ohne Hochmuth ſind<lb/>ſolche Charactere vollends nicht denkbar; ſie bedürfen des-<lb/>ſelben ſchon um oben ſchwimmend zu bleiben und die mit dem<lb/>
Haß abwechſelnde Vergötterung beſtärkt ſie nothwendig<lb/>
darin. Sie ſind die auffallendſten Beiſpiele und Opfer<lb/>
der entfeſſelten Subjectivität.</p><lb/><p>Die Klagen wie die ſatiriſchen Schilderungen beginnen,<noteplace="right">Ankläger im<lb/><hirendition="#aq">XV.</hi> Jahrh.;</note><lb/>
wie bemerkt, ſchon früh, indem ja für jeden entwickelten<lb/>
Individualismus, für jede Art von Celebrität ein beſtimmter<lb/>
Hohn als Zuchtruthe vorhanden war. Zudem lieferten ja<lb/>
die Betreffenden ſelber das furchtbarſte Material, welches<lb/>
man nur zu benützen brauchte. Noch im <hirendition="#aq">XV.</hi> Jahrhundert<lb/>
ordnet Battiſta Mantovano in der Aufzählung der ſieben<lb/></p></div></body></text></TEI>
[271/0281]
Hauslehrerſchaft, Secretariat, Profeſſur, Dienſtbarkeit bei
Fürſten, tödtliche Feindſchaften und Gefahren, begeiſterte
Bewunderung und Ueberſchüttung mit Hohn, Ueberfluß und
Armuth wirr aufeinander folgten. Dem gediegenſten Wiſſen
konnte der flachſte Dilettantismus bisweilen den Rang ab-
laufen. Das Hauptübel aber war, daß dieſer Stand mit
einer feſten Heimath beinahe unverträglich blieb, indem er
entweder den Ortswechſel geradezu erforderte, oder den
Menſchen ſo ſtimmte, daß ihm nirgends lange wohl ſein
konnte. Während er der Leute des Ortes ſatt wurde und
im Wirbel der Feindſchaften ſich übel befand, verlangten
auch eben jene Leute ſtets Neues (S. 207). So Manches
hier auch an die griechiſchen Sophiſten der Kaiſerzeit er-
innert, wie ſie Philoſtratus beſchreibt, ſo ſtanden dieſe doch
günſtiger, indem ſie großentheils Reichthümer beſaßen, oder
leichter entbehrten und überhaupt leichter lebten, weil ſie
nicht ſowohl Gelehrte als ausübende Virtuoſen der Rede
waren. Der Humaniſt der Renaiſſance dagegen muß eine
große Erudition und einen Strudel der verſchiedenſten Lagen
und Beſchäftigungen zu tragen wiſſen. Dazu dann, um
ſich zu betäuben, unordentlicher Genuß, und, ſobald man
ihm ohnehin das Schlimmſte zutraute, Gleichgültigkeit
gegen alle ſonſt geltende Moral. Ohne Hochmuth ſind
ſolche Charactere vollends nicht denkbar; ſie bedürfen des-
ſelben ſchon um oben ſchwimmend zu bleiben und die mit dem
Haß abwechſelnde Vergötterung beſtärkt ſie nothwendig
darin. Sie ſind die auffallendſten Beiſpiele und Opfer
der entfeſſelten Subjectivität.
3. Abſchnitt.
Vergleichung
mit
den Sophiſten
Die Klagen wie die ſatiriſchen Schilderungen beginnen,
wie bemerkt, ſchon früh, indem ja für jeden entwickelten
Individualismus, für jede Art von Celebrität ein beſtimmter
Hohn als Zuchtruthe vorhanden war. Zudem lieferten ja
die Betreffenden ſelber das furchtbarſte Material, welches
man nur zu benützen brauchte. Noch im XV. Jahrhundert
ordnet Battiſta Mantovano in der Aufzählung der ſieben
Ankläger im
XV. Jahrh.;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/281>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.