4. Abschnitt.und besonders gegen die Experimente. Letzteres wird wohl vorgekommen aber kaum je zu beweisen sein. Was im Norden solche Verfolgungen mit veranlassen mochte, der Widerstand des von den Scholastikern recipirten, officiellen Systems der Naturkunde gegen die Neuerer als solche, möchte für Italien weniger oder auch gar nicht in Betracht kommen. Pietro von Abano (zu Anfang des XIV. Jahrhunderts) fiel notorisch als Opfer des colle- gialischen Neides eines andern Arztes, der ihn bei der Inquisition wegen Irrglaubens und Zauberei verklagte 1), und auch bei seinem paduanischen Zeitgenossen Giovannino Sanguinacci wird man etwas Aehnliches vermuthen dürfen, da derselbe als Arzt ein practischer Neuerer war; derselbe kam mit bloßer Verbannung davon. Endlich ist nicht zu vergessen, daß die Macht der Dominicaner als Inquisitoren in Italien weniger gleichmäßig geübt werden konnte als im Norden; Tyrannen sowohl als freie Staaten zeigten bis- weilen im XIV. Jahrhundert der ganzen Clerisei eine solche Verachtung, daß noch ganz andere Dinge als bloße und des Huma- nismus.Naturforschung ungeahndet durchgingen. Als aber mit dem XV. Jahrhundert das Alterthum mächtig in den Vorder- grund trat, war die ins alte System gelegte Bresche eine gemeinsame zu Gunsten jeder Art profanen Forschens, nur daß allerdings der Humanismus die besten Kräfte an sich zog und auch wohl der empirischen Naturkunde Eintrag that 2). Hie und da erwacht dazwischen immer wieder die Inquisition und straft oder verbrennt Aerzte als Läste- rer und Necromanten, wobei nie sicher zu ermitteln ist,
1)Scardeonius, de urb. Patav. antiq., in Graevii Thesaur. ant. Ital. Tom. VI. pars III.
2) S. die übertriebenen Klagen Libri's, a. a. O. II, p. 258, s. So sehr es zu bedauern sein mag, daß das hochbegabte Volk nicht einen größern Theil seiner Kraft auf die Naturwissenschaften wandte, so glauben wir doch, daß dasselbe noch wichtigere Ziele hatte und theil- weise erreichte.
4. Abſchnitt.und beſonders gegen die Experimente. Letzteres wird wohl vorgekommen aber kaum je zu beweiſen ſein. Was im Norden ſolche Verfolgungen mit veranlaſſen mochte, der Widerſtand des von den Scholaſtikern recipirten, officiellen Syſtems der Naturkunde gegen die Neuerer als ſolche, möchte für Italien weniger oder auch gar nicht in Betracht kommen. Pietro von Abano (zu Anfang des XIV. Jahrhunderts) fiel notoriſch als Opfer des colle- gialiſchen Neides eines andern Arztes, der ihn bei der Inquiſition wegen Irrglaubens und Zauberei verklagte 1), und auch bei ſeinem paduaniſchen Zeitgenoſſen Giovannino Sanguinacci wird man etwas Aehnliches vermuthen dürfen, da derſelbe als Arzt ein practiſcher Neuerer war; derſelbe kam mit bloßer Verbannung davon. Endlich iſt nicht zu vergeſſen, daß die Macht der Dominicaner als Inquiſitoren in Italien weniger gleichmäßig geübt werden konnte als im Norden; Tyrannen ſowohl als freie Staaten zeigten bis- weilen im XIV. Jahrhundert der ganzen Cleriſei eine ſolche Verachtung, daß noch ganz andere Dinge als bloße und des Huma- nismus.Naturforſchung ungeahndet durchgingen. Als aber mit dem XV. Jahrhundert das Alterthum mächtig in den Vorder- grund trat, war die ins alte Syſtem gelegte Breſche eine gemeinſame zu Gunſten jeder Art profanen Forſchens, nur daß allerdings der Humanismus die beſten Kräfte an ſich zog und auch wohl der empiriſchen Naturkunde Eintrag that 2). Hie und da erwacht dazwiſchen immer wieder die Inquiſition und ſtraft oder verbrennt Aerzte als Läſte- rer und Necromanten, wobei nie ſicher zu ermitteln iſt,
1)Scardeonius, de urb. Patav. antiq., in Grævii Thesaur. ant. Ital. Tom. VI. pars III.
2) S. die übertriebenen Klagen Libri's, a. a. O. II, p. 258, s. So ſehr es zu bedauern ſein mag, daß das hochbegabte Volk nicht einen größern Theil ſeiner Kraft auf die Naturwiſſenſchaften wandte, ſo glauben wir doch, daß daſſelbe noch wichtigere Ziele hatte und theil- weiſe erreichte.
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Syſtems der Naturkunde gegen die Neuerer als ſolche,
möchte für Italien weniger oder auch gar nicht in
Betracht kommen. Pietro von Abano (zu Anfang des
XIV. Jahrhunderts) fiel notoriſch als Opfer des colle-
gialiſchen Neides eines andern Arztes, der ihn bei der
Inquiſition wegen Irrglaubens und Zauberei verklagte 1),
und auch bei ſeinem paduaniſchen Zeitgenoſſen Giovannino
Sanguinacci wird man etwas Aehnliches vermuthen dürfen,
da derſelbe als Arzt ein practiſcher Neuerer war; derſelbe
kam mit bloßer Verbannung davon. Endlich iſt nicht zu
vergeſſen, daß die Macht der Dominicaner als Inquiſitoren
in Italien weniger gleichmäßig geübt werden konnte als im
Norden; Tyrannen ſowohl als freie Staaten zeigten bis-
weilen im XIV. Jahrhundert der ganzen Cleriſei eine
ſolche Verachtung, daß noch ganz andere Dinge als bloße
Naturforſchung ungeahndet durchgingen. Als aber mit dem
XV. Jahrhundert das Alterthum mächtig in den Vorder-
grund trat, war die ins alte Syſtem gelegte Breſche eine
gemeinſame zu Gunſten jeder Art profanen Forſchens, nur
daß allerdings der Humanismus die beſten Kräfte an ſich
zog und auch wohl der empiriſchen Naturkunde Eintrag
that 2). Hie und da erwacht dazwiſchen immer wieder
die Inquiſition und ſtraft oder verbrennt Aerzte als Läſte-
rer und Necromanten, wobei nie ſicher zu ermitteln iſt,
4. Abſchnitt.
und des Huma-
nismus.
1) Scardeonius, de urb. Patav. antiq., in Grævii Thesaur. ant.
Ital. Tom. VI. pars III.
2) S. die übertriebenen Klagen Libri's, a. a. O. II, p. 258, s. So
ſehr es zu bedauern ſein mag, daß das hochbegabte Volk nicht einen
größern Theil ſeiner Kraft auf die Naturwiſſenſchaften wandte, ſo
glauben wir doch, daß daſſelbe noch wichtigere Ziele hatte und theil-
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/296>, abgerufen am 22.11.2024.
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