welches das wahre, tiefste Motiv der Verurtheilung gewe-4. Abschnitt. sen. Bei alle dem stand Italien zu Ende des XV. Jahr- hunderts mit Paolo Toscanelli, Luca Paccioli und Lionardo da Vinci in Mathematik und Naturwissenschaften ohne allen Vergleich als das erste Volk Europa's da und die Gelehrten aller Länder bekannten sich als seine Schüler, auch Regio- montanus und Copernicus. Dieser Ruhm überlebte sogar die Gegenreformation und noch bis heute würden die Ita- liener hier in der ersten Reihe stehen, wenn nicht gewaltsam dafür gesorgt wäre, daß die tüchtigsten Geister und die ruhige Forschung sich nicht mehr zusammenfinden.
Ein bedeutsamer Wink für die allgemeine VerbreitungBotanik; Sammlungen. des naturgeschichtlichen Interesses liegt auch in dem früh geäußerten Sammlersinn, der vergleichenden Betrachtung der Pflanzen und Thiere. Italien rühmt sich zunächst der frühsten botanischen Gärten, doch mag hier der practische Zweck überwogen haben und selbst die Priorität streitig sein. Ungleich wichtiger ist es, daß Fürsten und reiche Privatleute bei der Anlage ihrer Lustgärten von selbst auf das Sammeln möglichst vieler verschiedenen Pflanzen und Species und Varietäten derselben geriethen. So wird uns im XV. Jahrhundert der prächtige Garten der Mediceischen Villa Careggi beinahe wie ein botanischer Garten geschildert 1), mit zahllosen einzelnen Gattungen von Bäumen und Sträu- chern. So im Beginn des XVI. Jahrhunderts eine Villa des Cardinal Triulzio in der römischen Campagna 2), gegen Tivoli hin, mit Hecken von verschiedenen Rosengattungen, mit Bäumen aller Art, worunter die Fruchtbäume in allen möglichen Varietäten; endlich zwanzig Rebengattungen und
1)Alexandri Braccii descriptio horti Laurentii Med., abgedruckt u. a. als Beilage Nr. 58 zu Roscoe's Leben des Lorenzo. Auch in den Beilagen zu Fabroni's Laurentius.
2)Mondanarii villa, abgedruckt in den Poemata aliquot insignia illustr. poetar. recent.
welches das wahre, tiefſte Motiv der Verurtheilung gewe-4. Abſchnitt. ſen. Bei alle dem ſtand Italien zu Ende des XV. Jahr- hunderts mit Paolo Toscanelli, Luca Paccioli und Lionardo da Vinci in Mathematik und Naturwiſſenſchaften ohne allen Vergleich als das erſte Volk Europa's da und die Gelehrten aller Länder bekannten ſich als ſeine Schüler, auch Regio- montanus und Copernicus. Dieſer Ruhm überlebte ſogar die Gegenreformation und noch bis heute würden die Ita- liener hier in der erſten Reihe ſtehen, wenn nicht gewaltſam dafür geſorgt wäre, daß die tüchtigſten Geiſter und die ruhige Forſchung ſich nicht mehr zuſammenfinden.
Ein bedeutſamer Wink für die allgemeine VerbreitungBotanik; Sammlungen. des naturgeſchichtlichen Intereſſes liegt auch in dem früh geäußerten Sammlerſinn, der vergleichenden Betrachtung der Pflanzen und Thiere. Italien rühmt ſich zunächſt der frühſten botaniſchen Gärten, doch mag hier der practiſche Zweck überwogen haben und ſelbſt die Priorität ſtreitig ſein. Ungleich wichtiger iſt es, daß Fürſten und reiche Privatleute bei der Anlage ihrer Luſtgärten von ſelbſt auf das Sammeln möglichſt vieler verſchiedenen Pflanzen und Species und Varietäten derſelben geriethen. So wird uns im XV. Jahrhundert der prächtige Garten der Mediceiſchen Villa Careggi beinahe wie ein botaniſcher Garten geſchildert 1), mit zahlloſen einzelnen Gattungen von Bäumen und Sträu- chern. So im Beginn des XVI. Jahrhunderts eine Villa des Cardinal Triulzio in der römiſchen Campagna 2), gegen Tivoli hin, mit Hecken von verſchiedenen Roſengattungen, mit Bäumen aller Art, worunter die Fruchtbäume in allen möglichen Varietäten; endlich zwanzig Rebengattungen und
1)Alexandri Braccii descriptio horti Laurentii Med., abgedruckt u. a. als Beilage Nr. 58 zu Roscoe's Leben des Lorenzo. Auch in den Beilagen zu Fabroni's Laurentius.
2)Mondanarii villa, abgedruckt in den Poemata aliquot insignia illustr. poetar. recent.
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ſen. Bei alle dem ſtand Italien zu Ende des XV. Jahr-
hunderts mit Paolo Toscanelli, Luca Paccioli und Lionardo
da Vinci in Mathematik und Naturwiſſenſchaften ohne allen
Vergleich als das erſte Volk Europa's da und die Gelehrten
aller Länder bekannten ſich als ſeine Schüler, auch Regio-
montanus und Copernicus. Dieſer Ruhm überlebte ſogar
die Gegenreformation und noch bis heute würden die Ita-
liener hier in der erſten Reihe ſtehen, wenn nicht gewaltſam
dafür geſorgt wäre, daß die tüchtigſten Geiſter und die
ruhige Forſchung ſich nicht mehr zuſammenfinden.
4. Abſchnitt.
Ein bedeutſamer Wink für die allgemeine Verbreitung
des naturgeſchichtlichen Intereſſes liegt auch in dem früh
geäußerten Sammlerſinn, der vergleichenden Betrachtung
der Pflanzen und Thiere. Italien rühmt ſich zunächſt der
frühſten botaniſchen Gärten, doch mag hier der practiſche
Zweck überwogen haben und ſelbſt die Priorität ſtreitig
ſein. Ungleich wichtiger iſt es, daß Fürſten und reiche
Privatleute bei der Anlage ihrer Luſtgärten von ſelbſt auf
das Sammeln möglichſt vieler verſchiedenen Pflanzen und
Species und Varietäten derſelben geriethen. So wird uns
im XV. Jahrhundert der prächtige Garten der Mediceiſchen
Villa Careggi beinahe wie ein botaniſcher Garten geſchildert 1),
mit zahlloſen einzelnen Gattungen von Bäumen und Sträu-
chern. So im Beginn des XVI. Jahrhunderts eine Villa
des Cardinal Triulzio in der römiſchen Campagna 2), gegen
Tivoli hin, mit Hecken von verſchiedenen Roſengattungen,
mit Bäumen aller Art, worunter die Fruchtbäume in allen
möglichen Varietäten; endlich zwanzig Rebengattungen und
Botanik;
Sammlungen.
1) Alexandri Braccii descriptio horti Laurentii Med., abgedruckt
u. a. als Beilage Nr. 58 zu Roscoe's Leben des Lorenzo. Auch in
den Beilagen zu Fabroni's Laurentius.
2) Mondanarii villa, abgedruckt in den Poemata aliquot insignia
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/297>, abgerufen am 22.11.2024.
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