Vorräthe bergen konnte. Das erste Beispiel eines so aus-1. Abschnitt. gestatteten Bandenführers ist John Hawkwood, welcher von Papst Gregor XI. Bagnacavallo und Cotignola erhielt. Als aber mit Alberigo da Barbiano italienische Heere und Heerführer auf den Schauplatz traten, da kam auch die Gelegenheit viel näher, Fürstenthümer zu erwerben, oder wenn der Condottiere schon irgendwo Gewaltherrscher war, das Ererbte zu vergrößern. Das erste große Bacchanal dieser soldatischen Herrschbegier wurde gefeiert in dem Her- zogthum Mailand nach dem Tode des Giangaleazzo (1402); die Regierung seiner beiden Söhne (S. 13) ging haupt- sächlich mit der Vertilgung dieser kriegerischen Tyrannen dahin, und der größte derselben, Facino Cane, wurde sammt seiner Wittwe, sammt einer Reihe von Städten und 400,000 Goldgulden ins Haus geerbt; überdieß zog Bea- trice di Tenda die Soldaten ihres ersten Gemahls nach sich. 1) Von dieser Zeit an bildete sich dann jenes über alle Maßen unmoralische Verhältniß zwischen den Regierungen undVerhältniß der Condottieren zum Brodherrn. ihren Condottieren aus, welches für das XV. Jahrhundert characteristisch ist. Eine alte Anecdote, 2) von jenen die nirgends und doch überall wahr sind, schildert dasselbe un- gefähr so: Einst hatten die Bürger einer Stadt -- es soll Siena gemeint sein -- einen Feldherrn, der sie von feind- lichem Druck befreit hatte; täglich beriethen sie, wie er zu belohnen sei und urtheilten, keine Belohnung, die in ihren Kräften stände, wäre groß genug, selbst nicht wenn sie ihn zum Herrn der Stadt machten. Endlich erhob sich Einer und meinte: Laßt uns ihn umbringen und dann als
1)Cagnola, archiv. stor. III, p. 28: et (Filippo Maria) da lei (Beatr.) ebbe molto texoro e dinari, e tutte le giente d'arme del dicto Facino, che obedivano a lei.
2)Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 1911. Die Alterna- tive, welche Macchiavell dem siegreichen Condottiere stellt, s. Dis- corsi, I, 30.
Vorräthe bergen konnte. Das erſte Beiſpiel eines ſo aus-1. Abſchnitt. geſtatteten Bandenführers iſt John Hawkwood, welcher von Papſt Gregor XI. Bagnacavallo und Cotignola erhielt. Als aber mit Alberigo da Barbiano italieniſche Heere und Heerführer auf den Schauplatz traten, da kam auch die Gelegenheit viel näher, Fürſtenthümer zu erwerben, oder wenn der Condottiere ſchon irgendwo Gewaltherrſcher war, das Ererbte zu vergrößern. Das erſte große Bacchanal dieſer ſoldatiſchen Herrſchbegier wurde gefeiert in dem Her- zogthum Mailand nach dem Tode des Giangaleazzo (1402); die Regierung ſeiner beiden Söhne (S. 13) ging haupt- ſächlich mit der Vertilgung dieſer kriegeriſchen Tyrannen dahin, und der größte derſelben, Facino Cane, wurde ſammt ſeiner Wittwe, ſammt einer Reihe von Städten und 400,000 Goldgulden ins Haus geerbt; überdieß zog Bea- trice di Tenda die Soldaten ihres erſten Gemahls nach ſich. 1) Von dieſer Zeit an bildete ſich dann jenes über alle Maßen unmoraliſche Verhältniß zwiſchen den Regierungen undVerhältniß der Condottieren zum Brodherrn. ihren Condottieren aus, welches für das XV. Jahrhundert characteriſtiſch iſt. Eine alte Anecdote, 2) von jenen die nirgends und doch überall wahr ſind, ſchildert daſſelbe un- gefähr ſo: Einſt hatten die Bürger einer Stadt — es ſoll Siena gemeint ſein — einen Feldherrn, der ſie von feind- lichem Druck befreit hatte; täglich beriethen ſie, wie er zu belohnen ſei und urtheilten, keine Belohnung, die in ihren Kräften ſtände, wäre groß genug, ſelbſt nicht wenn ſie ihn zum Herrn der Stadt machten. Endlich erhob ſich Einer und meinte: Laßt uns ihn umbringen und dann als
1)Cagnola, archiv. stor. III, p. 28: et (Filippo Maria) da lei (Beatr.) ebbe molto texoro e dinari, e tutte le giente d'arme del dicto Facino, che obedivano a lei.
2)Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 1911. Die Alterna- tive, welche Macchiavell dem ſiegreichen Condottiere ſtellt, ſ. Dis- corsi, I, 30.
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Vorräthe bergen konnte. Das erſte Beiſpiel eines ſo aus-
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Als aber mit Alberigo da Barbiano italieniſche Heere und
Heerführer auf den Schauplatz traten, da kam auch die
Gelegenheit viel näher, Fürſtenthümer zu erwerben, oder
wenn der Condottiere ſchon irgendwo Gewaltherrſcher war,
das Ererbte zu vergrößern. Das erſte große Bacchanal
dieſer ſoldatiſchen Herrſchbegier wurde gefeiert in dem Her-
zogthum Mailand nach dem Tode des Giangaleazzo (1402);
die Regierung ſeiner beiden Söhne (S. 13) ging haupt-
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dahin, und der größte derſelben, Facino Cane, wurde ſammt
ſeiner Wittwe, ſammt einer Reihe von Städten und
400,000 Goldgulden ins Haus geerbt; überdieß zog Bea-
trice di Tenda die Soldaten ihres erſten Gemahls nach ſich. 1)
Von dieſer Zeit an bildete ſich dann jenes über alle Maßen
unmoraliſche Verhältniß zwiſchen den Regierungen und
ihren Condottieren aus, welches für das XV. Jahrhundert
characteriſtiſch iſt. Eine alte Anecdote, 2) von jenen die
nirgends und doch überall wahr ſind, ſchildert daſſelbe un-
gefähr ſo: Einſt hatten die Bürger einer Stadt — es ſoll
Siena gemeint ſein — einen Feldherrn, der ſie von feind-
lichem Druck befreit hatte; täglich beriethen ſie, wie er zu
belohnen ſei und urtheilten, keine Belohnung, die in ihren
Kräften ſtände, wäre groß genug, ſelbſt nicht wenn ſie
ihn zum Herrn der Stadt machten. Endlich erhob ſich
Einer und meinte: Laßt uns ihn umbringen und dann als
1. Abſchnitt.
Verhältniß der
Condottieren
zum Brodherrn.
1) Cagnola, archiv. stor. III, p. 28: et (Filippo Maria) da lei
(Beatr.) ebbe molto texoro e dinari, e tutte le giente d'arme
del dicto Facino, che obedivano a lei.
2) Infessura, bei Eccard, scriptores II, Col. 1911. Die Alterna-
tive, welche Macchiavell dem ſiegreichen Condottiere ſtellt, ſ. Dis-
corsi, I, 30.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/31>, abgerufen am 03.12.2024.
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