1. Abschnitt.Stadtheiligen anbeten. Und so sei man mit ihm verfahren ungefähr wie der römische Senat mit Romulus. In der That hatten sich die Condottieren vor Niemand mehr zu hüten als vor ihren Brodherren; kämpften sie mit Erfolg, so waren sie gefährlich und wurden aus der Welt geschafft wie Roberto Malatesta gleich nach dem Siege den er für Sixtus IV. erfochten (1482); beim ersten Unglück aber rächte man sich bisweilen an ihnen wie die Venezianer am Carmagnola (1432). 1) Es zeichnet die Sachlage in mo- ralischer Beziehung, daß die Condottieren oft Weib und Kind als Geiseln geben mußten und dennoch weder Zu- trauen genossen noch selber empfanden. Sie hätten Heroen der Entsagung, Charactere wie Belisar sein müssen, wenn sich der tiefste Haß nicht in ihnen hätte sammeln sollen; nur die vollkommenste innere Güte hätte sie davon abhalten können, absolute Frevler zu werden. Und als solche, voller Hohn gegen das Heilige, voller Grausamkeit und Verrath gegen die Menschen, lernen wir manche von ihnen kennen, fast lauter Leute denen es nichts ausmachte, im päpstlichen Banne zu sterben. Zugleich aber entwickelt sich in manchen die Persönlichkeit, das Talent, bis zur höchsten Virtuosität und wird auch in diesem Sinne von den Soldaten aner- kannt und bewundert; es sind die ersten Armeen der neuern Geschichte wo der persönliche Credit des Anführers ohne Die Familie Sforza.weitere Nebengedanken die bewegende Kraft ist. Glänzend zeigt sich dieß z. B. im Leben des Francesco Sforza; 2)
1) Ob sie auch den Alviano 1516 vergiftet, und ob die dafür angege- benen Gründe richtig sind? vgl. Prato im Archiv. stor. III, p. 348. -- Von Colleoni ließ sich die Republik zur Erbin einsetzen und nahm nach seinem Tode 1475 erst noch eine förmliche Confis- cation vor. Vgl. Malipiero, Annali Veneti, im Archiv. stor. VII, I, p. 244. Sie liebte es, wenn die Condottieren ihr Geld in Venedig anlegten, ibid. p. 351.
2) Cagnola, im Archiv. stor. III, p. 121, s.
1. Abſchnitt.Stadtheiligen anbeten. Und ſo ſei man mit ihm verfahren ungefähr wie der römiſche Senat mit Romulus. In der That hatten ſich die Condottieren vor Niemand mehr zu hüten als vor ihren Brodherren; kämpften ſie mit Erfolg, ſo waren ſie gefährlich und wurden aus der Welt geſchafft wie Roberto Malateſta gleich nach dem Siege den er für Sixtus IV. erfochten (1482); beim erſten Unglück aber rächte man ſich bisweilen an ihnen wie die Venezianer am Carmagnola (1432). 1) Es zeichnet die Sachlage in mo- raliſcher Beziehung, daß die Condottieren oft Weib und Kind als Geiſeln geben mußten und dennoch weder Zu- trauen genoſſen noch ſelber empfanden. Sie hätten Heroen der Entſagung, Charactere wie Beliſar ſein müſſen, wenn ſich der tiefſte Haß nicht in ihnen hätte ſammeln ſollen; nur die vollkommenſte innere Güte hätte ſie davon abhalten können, abſolute Frevler zu werden. Und als ſolche, voller Hohn gegen das Heilige, voller Grauſamkeit und Verrath gegen die Menſchen, lernen wir manche von ihnen kennen, faſt lauter Leute denen es nichts ausmachte, im päpſtlichen Banne zu ſterben. Zugleich aber entwickelt ſich in manchen die Perſönlichkeit, das Talent, bis zur höchſten Virtuoſität und wird auch in dieſem Sinne von den Soldaten aner- kannt und bewundert; es ſind die erſten Armeen der neuern Geſchichte wo der perſönliche Credit des Anführers ohne Die Familie Sforza.weitere Nebengedanken die bewegende Kraft iſt. Glänzend zeigt ſich dieß z. B. im Leben des Francesco Sforza; 2)
1) Ob ſie auch den Alviano 1516 vergiftet, und ob die dafür angege- benen Gründe richtig ſind? vgl. Prato im Archiv. stor. III, p. 348. — Von Colleoni ließ ſich die Republik zur Erbin einſetzen und nahm nach ſeinem Tode 1475 erſt noch eine förmliche Confis- cation vor. Vgl. Malipiero, Annali Veneti, im Archiv. stor. VII, I, p. 244. Sie liebte es, wenn die Condottieren ihr Geld in Venedig anlegten, ibid. p. 351.
2) Cagnola, im Archiv. stor. III, p. 121, s.
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Stadtheiligen anbeten. Und ſo ſei man mit ihm verfahren
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ſo waren ſie gefährlich und wurden aus der Welt geſchafft
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Sixtus IV. erfochten (1482); beim erſten Unglück aber
rächte man ſich bisweilen an ihnen wie die Venezianer am
Carmagnola (1432). 1) Es zeichnet die Sachlage in mo-
raliſcher Beziehung, daß die Condottieren oft Weib und
Kind als Geiſeln geben mußten und dennoch weder Zu-
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der Entſagung, Charactere wie Beliſar ſein müſſen, wenn
ſich der tiefſte Haß nicht in ihnen hätte ſammeln ſollen;
nur die vollkommenſte innere Güte hätte ſie davon abhalten
können, abſolute Frevler zu werden. Und als ſolche, voller
Hohn gegen das Heilige, voller Grauſamkeit und Verrath
gegen die Menſchen, lernen wir manche von ihnen kennen,
faſt lauter Leute denen es nichts ausmachte, im päpſtlichen
Banne zu ſterben. Zugleich aber entwickelt ſich in manchen
die Perſönlichkeit, das Talent, bis zur höchſten Virtuoſität
und wird auch in dieſem Sinne von den Soldaten aner-
kannt und bewundert; es ſind die erſten Armeen der neuern
Geſchichte wo der perſönliche Credit des Anführers ohne
weitere Nebengedanken die bewegende Kraft iſt. Glänzend
zeigt ſich dieß z. B. im Leben des Francesco Sforza; 2)
1. Abſchnitt.
Die Familie
Sforza.
1) Ob ſie auch den Alviano 1516 vergiftet, und ob die dafür angege-
benen Gründe richtig ſind? vgl. Prato im Archiv. stor. III,
p. 348. — Von Colleoni ließ ſich die Republik zur Erbin einſetzen
und nahm nach ſeinem Tode 1475 erſt noch eine förmliche Confis-
cation vor. Vgl. Malipiero, Annali Veneti, im Archiv. stor.
VII, I, p. 244. Sie liebte es, wenn die Condottieren ihr Geld in
Venedig anlegten, ibid. p. 351.
2) Cagnola, im Archiv. stor. III, p. 121, s.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/32>, abgerufen am 21.11.2024.
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