4. Abschnitt.Vorgebirg der Circe bis nach Monte Argentaro überschaut, und das weite Land mit all den Ruinenstädten der Urzeit, mit den Bergzügen Mittelitaliens, mit dem Blick auf die in der Tiefe ringsum grünenden Wälder und die nahe scheinenden Seen des Gebirges. Er empfindet die Schön- heit der Lage von Todi, wie es thront über seinen Wein- bergen und Oelhalden, mit dem Blick auf ferne Wälder und auf das Tiberthal, wo die vielen Castelle und Städt- chen über dem schlängelnden Fluß ragen. Das reizende Hügelland um Siena mit seinen Villen und Klöstern auf allen Höhen ist freilich seine Heimath, und seine Schilde- rung zeigt eine besondere Vorliebe. Aber auch das einzelne und Ansichten.malerische Motiv im engern Sinne beglückt ihn, wie z. B. jene in den Bolsener See vortretende Landzunge Capo di Monte: "Felstreppen, von Weinlaub beschattet, führen steil "nieder ans Gestade, wo zwischen den Klippen die immer- "grünen Eichen stehen, stets belebt vom Gesang der Drosseln". Auf dem Wege rings um den See von Nemi, unter den Castanien und andern Fruchtbäumen fühlt er, daß hier wenn irgendwo das Gemüth eines Dichters erwachen müßte, hier in "Dianens Versteck". Oft und viel hat er Con- sistorium und Segnatura gehalten oder Gesandte angehört unter alten Riesencastanien, oder unter Oelbäumen, auf grüner Wiese, neben sprudelnden Gewässern. Einem An- blick wie der einer sich verengenden Waldschlucht mit einer kühn darüber gewölbten Brücke gewinnt er sofort seine hohe Bedeutung ab. Auch das Einzelste erfreut ihn dann wieder durch seine schöne oder vollständig ausgebildete und characteristische Erscheinung: die blauwogenden Flachsfelder, der gelbe Ginster, welcher die Hügel überzieht, selbst das wilde Gestrüpp jeder Art, und ebenso einzelne prächtige Bäume und Quellen, die ihm wie Naturwunder erscheinen.
Monte Amiata.Den Gipfel seines landschaftlichen Schwelgens bildet sein Aufenthalt auf dem Monte Amiata im Sommer 1462, als Pest und Gluthhitze die Tieflande schrecklich machten.
4. Abſchnitt.Vorgebirg der Circe bis nach Monte Argentaro überſchaut, und das weite Land mit all den Ruinenſtädten der Urzeit, mit den Bergzügen Mittelitaliens, mit dem Blick auf die in der Tiefe ringsum grünenden Wälder und die nahe ſcheinenden Seen des Gebirges. Er empfindet die Schön- heit der Lage von Todi, wie es thront über ſeinen Wein- bergen und Oelhalden, mit dem Blick auf ferne Wälder und auf das Tiberthal, wo die vielen Caſtelle und Städt- chen über dem ſchlängelnden Fluß ragen. Das reizende Hügelland um Siena mit ſeinen Villen und Klöſtern auf allen Höhen iſt freilich ſeine Heimath, und ſeine Schilde- rung zeigt eine beſondere Vorliebe. Aber auch das einzelne und Anſichten.maleriſche Motiv im engern Sinne beglückt ihn, wie z. B. jene in den Bolſener See vortretende Landzunge Capo di Monte: „Felstreppen, von Weinlaub beſchattet, führen ſteil „nieder ans Geſtade, wo zwiſchen den Klippen die immer- „grünen Eichen ſtehen, ſtets belebt vom Geſang der Droſſeln“. Auf dem Wege rings um den See von Nemi, unter den Caſtanien und andern Fruchtbäumen fühlt er, daß hier wenn irgendwo das Gemüth eines Dichters erwachen müßte, hier in „Dianens Verſteck“. Oft und viel hat er Con- ſiſtorium und Segnatura gehalten oder Geſandte angehört unter alten Rieſencaſtanien, oder unter Oelbäumen, auf grüner Wieſe, neben ſprudelnden Gewäſſern. Einem An- blick wie der einer ſich verengenden Waldſchlucht mit einer kühn darüber gewölbten Brücke gewinnt er ſofort ſeine hohe Bedeutung ab. Auch das Einzelſte erfreut ihn dann wieder durch ſeine ſchöne oder vollſtändig ausgebildete und characteriſtiſche Erſcheinung: die blauwogenden Flachsfelder, der gelbe Ginſter, welcher die Hügel überzieht, ſelbſt das wilde Geſtrüpp jeder Art, und ebenſo einzelne prächtige Bäume und Quellen, die ihm wie Naturwunder erſcheinen.
Monte Amiata.Den Gipfel ſeines landſchaftlichen Schwelgens bildet ſein Aufenthalt auf dem Monte Amiata im Sommer 1462, als Peſt und Gluthhitze die Tieflande ſchrecklich machten.
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Vorgebirg der Circe bis nach Monte Argentaro überſchaut,
und das weite Land mit all den Ruinenſtädten der Urzeit,
mit den Bergzügen Mittelitaliens, mit dem Blick auf die
in der Tiefe ringsum grünenden Wälder und die nahe
ſcheinenden Seen des Gebirges. Er empfindet die Schön-
heit der Lage von Todi, wie es thront über ſeinen Wein-
bergen und Oelhalden, mit dem Blick auf ferne Wälder
und auf das Tiberthal, wo die vielen Caſtelle und Städt-
chen über dem ſchlängelnden Fluß ragen. Das reizende
Hügelland um Siena mit ſeinen Villen und Klöſtern auf
allen Höhen iſt freilich ſeine Heimath, und ſeine Schilde-
rung zeigt eine beſondere Vorliebe. Aber auch das einzelne
maleriſche Motiv im engern Sinne beglückt ihn, wie z. B.
jene in den Bolſener See vortretende Landzunge Capo di
Monte: „Felstreppen, von Weinlaub beſchattet, führen ſteil
„nieder ans Geſtade, wo zwiſchen den Klippen die immer-
„grünen Eichen ſtehen, ſtets belebt vom Geſang der Droſſeln“.
Auf dem Wege rings um den See von Nemi, unter den
Caſtanien und andern Fruchtbäumen fühlt er, daß hier
wenn irgendwo das Gemüth eines Dichters erwachen müßte,
hier in „Dianens Verſteck“. Oft und viel hat er Con-
ſiſtorium und Segnatura gehalten oder Geſandte angehört
unter alten Rieſencaſtanien, oder unter Oelbäumen, auf
grüner Wieſe, neben ſprudelnden Gewäſſern. Einem An-
blick wie der einer ſich verengenden Waldſchlucht mit einer
kühn darüber gewölbten Brücke gewinnt er ſofort ſeine
hohe Bedeutung ab. Auch das Einzelſte erfreut ihn dann
wieder durch ſeine ſchöne oder vollſtändig ausgebildete und
characteriſtiſche Erſcheinung: die blauwogenden Flachsfelder,
der gelbe Ginſter, welcher die Hügel überzieht, ſelbſt das
wilde Geſtrüpp jeder Art, und ebenſo einzelne prächtige
Bäume und Quellen, die ihm wie Naturwunder erſcheinen.
4. Abſchnitt.
und Anſichten.
Den Gipfel ſeines landſchaftlichen Schwelgens bildet
ſein Aufenthalt auf dem Monte Amiata im Sommer 1462,
als Peſt und Gluthhitze die Tieflande ſchrecklich machten.
Monte Amiata.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/310>, abgerufen am 21.11.2024.
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