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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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4. Abschnitt.Giovanni Cavalcanti (in den Beilagen zu seiner florentini-
schen Geschichte, vor 1450) sammelt Beispiele bürgerlicher
Trefflichkeit und Aufopferung, politischen Verstandes, so
wie auch kriegerischer Tüchtigkeit, von lauter Florentinern.
Papst Pius II. giebt in seinen Commentarien werthvolle
Lebensbilder von berühmten Zeitgenossen; neuerlich ist auch
eine besondere Schrift seiner frühern Zeit 1) wieder abge-
druckt worden, welche gleichsam die Vorarbeiten zu jenen
Porträts, aber mit eigenthümlichen Zügen und Farben
enthält. Dem Jacob von Volterra verdanken wir pikante
Porträts der römischen Curie 2) nach Pius. Von Vespa-
siano Fiorentino war schon oft die Rede und als Quelle
im Ganzen gehört er zum Wichtigsten was wir besitzen,
aber seine Gabe des Characterisirens kommt noch nicht in
Betracht neben derjenigen eines Macchiavelli, Nicolo Va-
lori, Guicciardini, Varchi, Francesco Vettori, u. a., von
welchen die europäische Geschichtschreibung vielleicht so nach-
drücklich als von den Alten auf diesen Weg gewiesen wurde.
Man darf nämlich nicht vergessen, daß mehrere dieser Autoren
in lateinischen Uebersetzungen frühe ihren Weg nach dem
Norden fanden. Und eben so gäbe es ohne Giorgio Vasari
von Arezzo und sein unvergleichlich wichtiges Werk noch keine
Kunstgeschichte des Nordens und des neuern Europa's überhaupt.

Andere ital.
Gegenden.
Von den Oberitalienern des XV. Jahrhunderts soll
Bartolommeo Fazio (von Spezzia) höhere Bedeutung haben
(S. 151 Anm.). Platina, aus dem Cremonesischen ge-
bürtig, repräsentirt in seinem "Leben Pauls II." (S. 225)
bereits die biographische Caricatur. Vorzüglich wichtig aber
ist die von Piercandido Decembrio verfaßte Schilderung
des letzten Visconti 3), eine große erweiterte Nachahmung

1) De viris illustribus, in den Schriften des Stuttgarter literar.
Vereins.
2) Sein Diarium bei Murat. XXIII.
3) Petri Candidi Decembrii Vita Philippi Mariae Vicecomitis,
bei Murat. XX. Vgl. oben S. 37.

4. Abſchnitt.Giovanni Cavalcanti (in den Beilagen zu ſeiner florentini-
ſchen Geſchichte, vor 1450) ſammelt Beiſpiele bürgerlicher
Trefflichkeit und Aufopferung, politiſchen Verſtandes, ſo
wie auch kriegeriſcher Tüchtigkeit, von lauter Florentinern.
Papſt Pius II. giebt in ſeinen Commentarien werthvolle
Lebensbilder von berühmten Zeitgenoſſen; neuerlich iſt auch
eine beſondere Schrift ſeiner frühern Zeit 1) wieder abge-
druckt worden, welche gleichſam die Vorarbeiten zu jenen
Porträts, aber mit eigenthümlichen Zügen und Farben
enthält. Dem Jacob von Volterra verdanken wir pikante
Porträts der römiſchen Curie 2) nach Pius. Von Veſpa-
ſiano Fiorentino war ſchon oft die Rede und als Quelle
im Ganzen gehört er zum Wichtigſten was wir beſitzen,
aber ſeine Gabe des Characteriſirens kommt noch nicht in
Betracht neben derjenigen eines Macchiavelli, Nicolò Va-
lori, Guicciardini, Varchi, Francesco Vettori, u. a., von
welchen die europäiſche Geſchichtſchreibung vielleicht ſo nach-
drücklich als von den Alten auf dieſen Weg gewieſen wurde.
Man darf nämlich nicht vergeſſen, daß mehrere dieſer Autoren
in lateiniſchen Ueberſetzungen frühe ihren Weg nach dem
Norden fanden. Und eben ſo gäbe es ohne Giorgio Vaſari
von Arezzo und ſein unvergleichlich wichtiges Werk noch keine
Kunſtgeſchichte des Nordens und des neuern Europa's überhaupt.

Andere ital.
Gegenden.
Von den Oberitalienern des XV. Jahrhunderts ſoll
Bartolommeo Fazio (von Spezzia) höhere Bedeutung haben
(S. 151 Anm.). Platina, aus dem Cremoneſiſchen ge-
bürtig, repräſentirt in ſeinem „Leben Pauls II.“ (S. 225)
bereits die biographiſche Caricatur. Vorzüglich wichtig aber
iſt die von Piercandido Decembrio verfaßte Schilderung
des letzten Visconti 3), eine große erweiterte Nachahmung

1) De viris illustribus, in den Schriften des Stuttgarter literar.
Vereins.
2) Sein Diarium bei Murat. XXIII.
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[330/0340] Giovanni Cavalcanti (in den Beilagen zu ſeiner florentini- ſchen Geſchichte, vor 1450) ſammelt Beiſpiele bürgerlicher Trefflichkeit und Aufopferung, politiſchen Verſtandes, ſo wie auch kriegeriſcher Tüchtigkeit, von lauter Florentinern. Papſt Pius II. giebt in ſeinen Commentarien werthvolle Lebensbilder von berühmten Zeitgenoſſen; neuerlich iſt auch eine beſondere Schrift ſeiner frühern Zeit 1) wieder abge- druckt worden, welche gleichſam die Vorarbeiten zu jenen Porträts, aber mit eigenthümlichen Zügen und Farben enthält. Dem Jacob von Volterra verdanken wir pikante Porträts der römiſchen Curie 2) nach Pius. Von Veſpa- ſiano Fiorentino war ſchon oft die Rede und als Quelle im Ganzen gehört er zum Wichtigſten was wir beſitzen, aber ſeine Gabe des Characteriſirens kommt noch nicht in Betracht neben derjenigen eines Macchiavelli, Nicolò Va- lori, Guicciardini, Varchi, Francesco Vettori, u. a., von welchen die europäiſche Geſchichtſchreibung vielleicht ſo nach- drücklich als von den Alten auf dieſen Weg gewieſen wurde. Man darf nämlich nicht vergeſſen, daß mehrere dieſer Autoren in lateiniſchen Ueberſetzungen frühe ihren Weg nach dem Norden fanden. Und eben ſo gäbe es ohne Giorgio Vaſari von Arezzo und ſein unvergleichlich wichtiges Werk noch keine Kunſtgeſchichte des Nordens und des neuern Europa's überhaupt. 4. Abſchnitt. Von den Oberitalienern des XV. Jahrhunderts ſoll Bartolommeo Fazio (von Spezzia) höhere Bedeutung haben (S. 151 Anm.). Platina, aus dem Cremoneſiſchen ge- bürtig, repräſentirt in ſeinem „Leben Pauls II.“ (S. 225) bereits die biographiſche Caricatur. Vorzüglich wichtig aber iſt die von Piercandido Decembrio verfaßte Schilderung des letzten Visconti 3), eine große erweiterte Nachahmung Andere ital. Gegenden. 1) De viris illustribus, in den Schriften des Stuttgarter literar. Vereins. 2) Sein Diarium bei Murat. XXIII. 3) Petri Candidi Decembrii Vita Philippi Mariæ Vicecomitis, bei Murat. XX. Vgl. oben S. 37.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/340>, abgerufen am 22.11.2024.