5. Abschnitt.Anders verhält es sich allerdings mit Neapel, welches durch die strengere Ausscheidung und die Pompsucht seines Adels mehr als aus irgend einem andern Grunde von der geistigen Bewegung der Renaissance abgeschnitten blieb. Zu einer starken Nachwirkung des langobardischen und normannischen Mittelalters und des spätfranzösischen Adelswesens kam hier schon vor der Mitte des XV. Jahrhunderts die ara- gonesische Herrschaft, und so vollzog sich hier am frühsten, was erst hundert Jahre später im übrigen Italien über- hand nahm: die theilweise Hispanisirung des Lebens, deren Hauptelement die Verachtung der Arbeit und die Sucht Spätere Hispa- nisirung.nach Adelstiteln war. Der Einfluß hievon zeigte sich schon vor dem Jahre 1500 selbst in kleinen Städten; aus La Cava wird geklagt: der Ort sei sprichwörtlich reich gewesen so lange dort lauter Maurer und Tuchweber lebten; jetzt, da man statt Maurerzeug und Webstühlen nur Sporen, Steigbügel und vergoldete Gürtel sehe, da Jedermann Doctor der Rechte oder der Medicin, Notar, Officier und Ritter zu werden trachte, sei die bitterste Armuth eingekehrt 1). In Florenz wird eine analoge Entwicklung erst unter Co- simo dem ersten Großherzog constatirt; es wird ihm dafür gedankt, daß er die jungen Leute, welche jetzt Handel und Gewerbe verachteten, zur Ritterschaft in seinem Stephans- orden heranziehe 2). Es ist das directe Gegentheil jener frühern florentinischen Denkweise 3), da die Väter den
1)Massuccio, nov. 19.
2) Jac. Pitti an Cosimo I, Arch. stor. IV, II, p. 99. -- Auch in Oberitalien kam Aehnliches erst mit der spanischen Herrschaft auf. Bandello, Parte II, Nov. 40 stammt aus dieser Zeit.
3) Wenn sich im XV. Jahrh. Vespasiano Fiorentino (p. 518. 632) dahin ausspricht, daß die Reichen ihr ererbtes Vermögen nicht ver- mehren sondern jährlich ihre ganze Einnahme ausgeben sollten, so kann dieß im Munde eines Florentiners nur von den großen Grund- besitzern gelten.
5. Abſchnitt.Anders verhält es ſich allerdings mit Neapel, welches durch die ſtrengere Ausſcheidung und die Pompſucht ſeines Adels mehr als aus irgend einem andern Grunde von der geiſtigen Bewegung der Renaiſſance abgeſchnitten blieb. Zu einer ſtarken Nachwirkung des langobardiſchen und normanniſchen Mittelalters und des ſpätfranzöſiſchen Adelsweſens kam hier ſchon vor der Mitte des XV. Jahrhunderts die ara- goneſiſche Herrſchaft, und ſo vollzog ſich hier am frühſten, was erſt hundert Jahre ſpäter im übrigen Italien über- hand nahm: die theilweiſe Hiſpaniſirung des Lebens, deren Hauptelement die Verachtung der Arbeit und die Sucht Spätere Hiſpa- niſirung.nach Adelstiteln war. Der Einfluß hievon zeigte ſich ſchon vor dem Jahre 1500 ſelbſt in kleinen Städten; aus La Cava wird geklagt: der Ort ſei ſprichwörtlich reich geweſen ſo lange dort lauter Maurer und Tuchweber lebten; jetzt, da man ſtatt Maurerzeug und Webſtühlen nur Sporen, Steigbügel und vergoldete Gürtel ſehe, da Jedermann Doctor der Rechte oder der Medicin, Notar, Officier und Ritter zu werden trachte, ſei die bitterſte Armuth eingekehrt 1). In Florenz wird eine analoge Entwicklung erſt unter Co- ſimo dem erſten Großherzog conſtatirt; es wird ihm dafür gedankt, daß er die jungen Leute, welche jetzt Handel und Gewerbe verachteten, zur Ritterſchaft in ſeinem Stephans- orden heranziehe 2). Es iſt das directe Gegentheil jener frühern florentiniſchen Denkweiſe 3), da die Väter den
1)Massuccio, nov. 19.
2) Jac. Pitti an Coſimo I, Arch. stor. IV, II, p. 99. — Auch in Oberitalien kam Aehnliches erſt mit der ſpaniſchen Herrſchaft auf. Bandello, Parte II, Nov. 40 ſtammt aus dieſer Zeit.
3) Wenn ſich im XV. Jahrh. Veſpaſiano Fiorentino (p. 518. 632) dahin ausſpricht, daß die Reichen ihr ererbtes Vermögen nicht ver- mehren ſondern jährlich ihre ganze Einnahme ausgeben ſollten, ſo kann dieß im Munde eines Florentiners nur von den großen Grund- beſitzern gelten.
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Anders verhält es ſich allerdings mit Neapel, welches durch
die ſtrengere Ausſcheidung und die Pompſucht ſeines Adels
mehr als aus irgend einem andern Grunde von der geiſtigen
Bewegung der Renaiſſance abgeſchnitten blieb. Zu einer
ſtarken Nachwirkung des langobardiſchen und normanniſchen
Mittelalters und des ſpätfranzöſiſchen Adelsweſens kam
hier ſchon vor der Mitte des XV. Jahrhunderts die ara-
goneſiſche Herrſchaft, und ſo vollzog ſich hier am frühſten,
was erſt hundert Jahre ſpäter im übrigen Italien über-
hand nahm: die theilweiſe Hiſpaniſirung des Lebens, deren
Hauptelement die Verachtung der Arbeit und die Sucht
nach Adelstiteln war. Der Einfluß hievon zeigte ſich ſchon
vor dem Jahre 1500 ſelbſt in kleinen Städten; aus La
Cava wird geklagt: der Ort ſei ſprichwörtlich reich geweſen
ſo lange dort lauter Maurer und Tuchweber lebten; jetzt,
da man ſtatt Maurerzeug und Webſtühlen nur Sporen,
Steigbügel und vergoldete Gürtel ſehe, da Jedermann
Doctor der Rechte oder der Medicin, Notar, Officier und
Ritter zu werden trachte, ſei die bitterſte Armuth eingekehrt 1).
In Florenz wird eine analoge Entwicklung erſt unter Co-
ſimo dem erſten Großherzog conſtatirt; es wird ihm dafür
gedankt, daß er die jungen Leute, welche jetzt Handel und
Gewerbe verachteten, zur Ritterſchaft in ſeinem Stephans-
orden heranziehe 2). Es iſt das directe Gegentheil jener
frühern florentiniſchen Denkweiſe 3), da die Väter den
5. Abſchnitt.
Spätere Hiſpa-
niſirung.
1) Massuccio, nov. 19.
2) Jac. Pitti an Coſimo I, Arch. stor. IV, II, p. 99. — Auch in
Oberitalien kam Aehnliches erſt mit der ſpaniſchen Herrſchaft auf.
Bandello, Parte II, Nov. 40 ſtammt aus dieſer Zeit.
3) Wenn ſich im XV. Jahrh. Veſpaſiano Fiorentino (p. 518. 632)
dahin ausſpricht, daß die Reichen ihr ererbtes Vermögen nicht ver-
mehren ſondern jährlich ihre ganze Einnahme ausgeben ſollten, ſo
kann dieß im Munde eines Florentiners nur von den großen Grund-
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/370>, abgerufen am 24.11.2024.
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