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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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Söhnen eine Beschäftigung zur Bedingung des Erbes5. Abschnitt.
machten (S. 80).

Aber eine besondere Art von Rangsucht kreuzt nament-Die Ritter-
würde.

lich bei den Florentinern den gleichmachenden Cultus von
Kunst und Bildung auf eine oft komische Weise; es ist
das Streben nach der Ritterwürde, welches als Modethor-
heit erst recht in Schwung kam, als es bereits jeden Schat-
ten von eigentlicher Geltung eingebüßt hatte.

"Vor ein paar Jahren, schreibt Franco Sacchetti 1)
gegen Ende des XIV. Jahrhunderts, hat Jedermann sehen
können wie sich Handwerker bis zu den Bäckern herunter,
ja bis zu den Wollekratzern, Wucherern, Wechslern und
Halunken zu Rittern machen ließen. Weßhalb braucht ein
Beamter, um als Rettore in eine Landstadt gehen zu können,
[d]ie Ritterwürde? Zu irgend einem gewöhnlichen Broderwerb
paßt dieselbe vollends nicht. O wie bist du gesunken un-
glückliche Würde! von all der langen Liste von Ritterpflich-
ten thun diese Ritter das Gegentheil. Ich habe von diesen
Dingen reden wollen, damit die Leser inne werden, daß
das Ritterthum gestorben ist 2). So gut wie man jetzt
sogar Verstorbene zu Rittern erklärt, könnte man auch eine
Figur von Holz oder Stein, ja einen Ochsen zum Ritter
machen". -- Die Geschichten, welche Sacchetti als Beleg
erzählt, sind in der That sprechend genug; da lesen wir
wie Bernabo Visconti den Sieger eines Saufduells und
dann auch den Besiegten höhnisch mit jenem Titel schmückt,
wie deutsche Ritter mit ihren Helmzierden und Abzeichen
zum Besten gehalten werden u. dgl. Später moquirt sich
Poggio 3) über die vielen Ritter ohne Pferd und ohne
Kriegsübung. Wer die Ehrenrechte des Standes, z. B.

1) Franco Sacchetti, Nov. 153. Vgl. Nov. 82 und 150.
2) Che la cavalleria e morta.
3) Poggius, de nobilitate, fol. 27.

Söhnen eine Beſchäftigung zur Bedingung des Erbes5. Abſchnitt.
machten (S. 80).

Aber eine beſondere Art von Rangſucht kreuzt nament-Die Ritter-
würde.

lich bei den Florentinern den gleichmachenden Cultus von
Kunſt und Bildung auf eine oft komiſche Weiſe; es iſt
das Streben nach der Ritterwürde, welches als Modethor-
heit erſt recht in Schwung kam, als es bereits jeden Schat-
ten von eigentlicher Geltung eingebüßt hatte.

„Vor ein paar Jahren, ſchreibt Franco Sacchetti 1)
gegen Ende des XIV. Jahrhunderts, hat Jedermann ſehen
können wie ſich Handwerker bis zu den Bäckern herunter,
ja bis zu den Wollekratzern, Wucherern, Wechſlern und
Halunken zu Rittern machen ließen. Weßhalb braucht ein
Beamter, um als Rettore in eine Landſtadt gehen zu können,
[d]ie Ritterwürde? Zu irgend einem gewöhnlichen Broderwerb
paßt dieſelbe vollends nicht. O wie biſt du geſunken un-
glückliche Würde! von all der langen Liſte von Ritterpflich-
ten thun dieſe Ritter das Gegentheil. Ich habe von dieſen
Dingen reden wollen, damit die Leſer inne werden, daß
das Ritterthum geſtorben iſt 2). So gut wie man jetzt
ſogar Verſtorbene zu Rittern erklärt, könnte man auch eine
Figur von Holz oder Stein, ja einen Ochſen zum Ritter
machen“. — Die Geſchichten, welche Sacchetti als Beleg
erzählt, ſind in der That ſprechend genug; da leſen wir
wie Bernabò Visconti den Sieger eines Saufduells und
dann auch den Beſiegten höhniſch mit jenem Titel ſchmückt,
wie deutſche Ritter mit ihren Helmzierden und Abzeichen
zum Beſten gehalten werden u. dgl. Später moquirt ſich
Poggio 3) über die vielen Ritter ohne Pferd und ohne
Kriegsübung. Wer die Ehrenrechte des Standes, z. B.

1) Franco Sacchetti, Nov. 153. Vgl. Nov. 82 und 150.
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[361/0371] Söhnen eine Beſchäftigung zur Bedingung des Erbes machten (S. 80). 5. Abſchnitt. Aber eine beſondere Art von Rangſucht kreuzt nament- lich bei den Florentinern den gleichmachenden Cultus von Kunſt und Bildung auf eine oft komiſche Weiſe; es iſt das Streben nach der Ritterwürde, welches als Modethor- heit erſt recht in Schwung kam, als es bereits jeden Schat- ten von eigentlicher Geltung eingebüßt hatte. Die Ritter- würde. „Vor ein paar Jahren, ſchreibt Franco Sacchetti 1) gegen Ende des XIV. Jahrhunderts, hat Jedermann ſehen können wie ſich Handwerker bis zu den Bäckern herunter, ja bis zu den Wollekratzern, Wucherern, Wechſlern und Halunken zu Rittern machen ließen. Weßhalb braucht ein Beamter, um als Rettore in eine Landſtadt gehen zu können, die Ritterwürde? Zu irgend einem gewöhnlichen Broderwerb paßt dieſelbe vollends nicht. O wie biſt du geſunken un- glückliche Würde! von all der langen Liſte von Ritterpflich- ten thun dieſe Ritter das Gegentheil. Ich habe von dieſen Dingen reden wollen, damit die Leſer inne werden, daß das Ritterthum geſtorben iſt 2). So gut wie man jetzt ſogar Verſtorbene zu Rittern erklärt, könnte man auch eine Figur von Holz oder Stein, ja einen Ochſen zum Ritter machen“. — Die Geſchichten, welche Sacchetti als Beleg erzählt, ſind in der That ſprechend genug; da leſen wir wie Bernabò Visconti den Sieger eines Saufduells und dann auch den Beſiegten höhniſch mit jenem Titel ſchmückt, wie deutſche Ritter mit ihren Helmzierden und Abzeichen zum Beſten gehalten werden u. dgl. Später moquirt ſich Poggio 3) über die vielen Ritter ohne Pferd und ohne Kriegsübung. Wer die Ehrenrechte des Standes, z. B. 1) Franco Sacchetti, Nov. 153. Vgl. Nov. 82 und 150. 2) Che la cavalleria è morta. 3) Poggius, de nobilitate, fol. 27.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/371>, abgerufen am 24.11.2024.