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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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1. Abschnitt.Damals war Rafael als zwölfjähriger Knabe in der
Lehre bei Pietro Perugino. Vielleicht sind Eindrücke dieser
Tage verewigt in den frühen kleinen Bildchen des heil.
Georg und des heil. Michael; vielleicht lebt noch etwas
davon unvergänglich fort in dem großen St. Michaelsbilde,
und wenn irgendwo Astorre Baglione seine Verklärung ge-
funden hat, so ist es geschehen in der Gestalt des himm-
lischen Reiters im Heliodor.

Zwietracht im
Haus der
Baglionen.
Die Gegner waren theils umgekommen theils in pani-
schem Schrecken gewichen, und fortan keines solchen Angriffes
mehr fähig. Nach einiger Zeit wurde ihnen eine partielle
Versöhnung und Rückkehr gewährt. Aber Perugia wurde
nicht sicherer noch ruhiger; die innere Zwietracht des herr-
schenden Hauses brach jetzt in entsetzlichen Thaten aus.
Gegenüber Guido, Ridolfo und ihren Söhnen Gianpaolo,
Simonetto, Astorre, Gismondo, Gentile, Marcantonio u. A.
thaten sich zwei Großneffen, Grifone und Carlo Barciglia
zusammen; letzterer zugleich Neffe des Fürsten Varano von
Camerino und Schwager eines der früheren Verbannten,
Jeronimo dalla Penna. Vergebens bat Simonetto, der
schlimme Ahnungen hatte, seinen Oheim kniefällig, diesen
Penna tödten zu dürfen, Guido versagte es ihm. Das
Complott reifte plötzlich bei der Hochzeit des Astorre mit
Peruginer
Bluthochzeit.
der Lavinia Colonna, Mitte Sommers 1500. Das Fest
nahm seinen Anfang und dauerte einige Tage unter düstern
Anzeichen, deren Zunahme bei Matarazzo vorzüglich schön
geschildert ist. Der anwesende Varano trieb sie zusammen;
in teuflischer Weise wurde dem Grifone die Alleinherrschaft
und ein erdichtetes Verhältniß seiner Gemahlin Zenobia
mit Gianpaolo vorgespiegelt und endlich jedem Verschworenen
sein bestimmtes Opfer zugetheilt. (Die Baglionen hatten
lauter geschiedene Wohnungen, meist an der Stelle des
jetzigen Castells.) Von den vorhandenen Bravi bekam Jeder
15 Mann mit; der Rest wurde auf Wachen ausgestellt.
In der Nacht vom 15. Juli wurden die Thüren eingerannt

1. Abſchnitt.Damals war Rafael als zwölfjähriger Knabe in der
Lehre bei Pietro Perugino. Vielleicht ſind Eindrücke dieſer
Tage verewigt in den frühen kleinen Bildchen des heil.
Georg und des heil. Michael; vielleicht lebt noch etwas
davon unvergänglich fort in dem großen St. Michaelsbilde,
und wenn irgendwo Aſtorre Baglione ſeine Verklärung ge-
funden hat, ſo iſt es geſchehen in der Geſtalt des himm-
liſchen Reiters im Heliodor.

Zwietracht im
Haus der
Baglionen.
Die Gegner waren theils umgekommen theils in pani-
ſchem Schrecken gewichen, und fortan keines ſolchen Angriffes
mehr fähig. Nach einiger Zeit wurde ihnen eine partielle
Verſöhnung und Rückkehr gewährt. Aber Perugia wurde
nicht ſicherer noch ruhiger; die innere Zwietracht des herr-
ſchenden Hauſes brach jetzt in entſetzlichen Thaten aus.
Gegenüber Guido, Ridolfo und ihren Söhnen Gianpaolo,
Simonetto, Aſtorre, Gismondo, Gentile, Marcantonio u. A.
thaten ſich zwei Großneffen, Grifone und Carlo Barciglia
zuſammen; letzterer zugleich Neffe des Fürſten Varano von
Camerino und Schwager eines der früheren Verbannten,
Jeronimo dalla Penna. Vergebens bat Simonetto, der
ſchlimme Ahnungen hatte, ſeinen Oheim kniefällig, dieſen
Penna tödten zu dürfen, Guido verſagte es ihm. Das
Complott reifte plötzlich bei der Hochzeit des Aſtorre mit
Peruginer
Bluthochzeit.
der Lavinia Colonna, Mitte Sommers 1500. Das Feſt
nahm ſeinen Anfang und dauerte einige Tage unter düſtern
Anzeichen, deren Zunahme bei Matarazzo vorzüglich ſchön
geſchildert iſt. Der anweſende Varano trieb ſie zuſammen;
in teufliſcher Weiſe wurde dem Grifone die Alleinherrſchaft
und ein erdichtetes Verhältniß ſeiner Gemahlin Zenobia
mit Gianpaolo vorgeſpiegelt und endlich jedem Verſchworenen
ſein beſtimmtes Opfer zugetheilt. (Die Baglionen hatten
lauter geſchiedene Wohnungen, meiſt an der Stelle des
jetzigen Caſtells.) Von den vorhandenen Bravi bekam Jeder
15 Mann mit; der Reſt wurde auf Wachen ausgeſtellt.
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[30/0040] Damals war Rafael als zwölfjähriger Knabe in der Lehre bei Pietro Perugino. Vielleicht ſind Eindrücke dieſer Tage verewigt in den frühen kleinen Bildchen des heil. Georg und des heil. Michael; vielleicht lebt noch etwas davon unvergänglich fort in dem großen St. Michaelsbilde, und wenn irgendwo Aſtorre Baglione ſeine Verklärung ge- funden hat, ſo iſt es geſchehen in der Geſtalt des himm- liſchen Reiters im Heliodor. 1. Abſchnitt. Die Gegner waren theils umgekommen theils in pani- ſchem Schrecken gewichen, und fortan keines ſolchen Angriffes mehr fähig. Nach einiger Zeit wurde ihnen eine partielle Verſöhnung und Rückkehr gewährt. Aber Perugia wurde nicht ſicherer noch ruhiger; die innere Zwietracht des herr- ſchenden Hauſes brach jetzt in entſetzlichen Thaten aus. Gegenüber Guido, Ridolfo und ihren Söhnen Gianpaolo, Simonetto, Aſtorre, Gismondo, Gentile, Marcantonio u. A. thaten ſich zwei Großneffen, Grifone und Carlo Barciglia zuſammen; letzterer zugleich Neffe des Fürſten Varano von Camerino und Schwager eines der früheren Verbannten, Jeronimo dalla Penna. Vergebens bat Simonetto, der ſchlimme Ahnungen hatte, ſeinen Oheim kniefällig, dieſen Penna tödten zu dürfen, Guido verſagte es ihm. Das Complott reifte plötzlich bei der Hochzeit des Aſtorre mit der Lavinia Colonna, Mitte Sommers 1500. Das Feſt nahm ſeinen Anfang und dauerte einige Tage unter düſtern Anzeichen, deren Zunahme bei Matarazzo vorzüglich ſchön geſchildert iſt. Der anweſende Varano trieb ſie zuſammen; in teufliſcher Weiſe wurde dem Grifone die Alleinherrſchaft und ein erdichtetes Verhältniß ſeiner Gemahlin Zenobia mit Gianpaolo vorgeſpiegelt und endlich jedem Verſchworenen ſein beſtimmtes Opfer zugetheilt. (Die Baglionen hatten lauter geſchiedene Wohnungen, meiſt an der Stelle des jetzigen Caſtells.) Von den vorhandenen Bravi bekam Jeder 15 Mann mit; der Reſt wurde auf Wachen ausgeſtellt. In der Nacht vom 15. Juli wurden die Thüren eingerannt Zwietracht im Haus der Baglionen. Peruginer Bluthochzeit.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/40>, abgerufen am 23.11.2024.