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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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das Italien der Renaissance dabei an den Tag legt 1),5. Abschnitt.
wurde nur erreicht durch dasselbe Zusammenleben aller
Stände, welches auch die Grundlage der italienischen Ge-
sellschaft ausmacht. Im Norden hatten die Klöster, die
Höfe und die Bürgerschaften ihre besondern Feste und Auf-
führungen wie in Italien, allein dort waren dieselben nach
Styl und Inhalt getrennt, hier dagegen durch eine allge-
meine Bildung und Kunst zu einer gemeinsamen Höhe ent-
wickelt. Die decorirende Architectur, welche diesen Festen
zu Hülfe kam, verdient ein eigenes Blatt in der Kunstge-
schichte, obgleich sie uns nur noch als ein Phantasiebild
gegenübersteht, das wir aus den Beschreibungen zusammen-
lesen müssen. Hier beschäftigt uns das Fest selber als ein
erhöhter Moment im Dasein des Volkes, wobei die religiö-
sen, sittlichen und poetischen Ideale des letztern eine sicht-
bare Gestalt annehmen. Das italienische Festwesen in seiner
höhern Form ist ein wahrer Uebergang aus dem Leben in
die Kunst.

Die beiden Hauptformen festlicher Aufführung sind ur-Ihre Grund-
formen.

sprünglich, wie überall im Abendlande, das Mysterium,
d. h. die dramatisirte heilige Geschichte oder Legende, und
die Procession, d. h. der bei irgend einem kirchlichen Anlaß
entstehende Prachtaufzug.

Nun waren in Italien schon die Aufführungen der
Mysterien im Ganzen offenbar prachtvoller, zahlreicher und
durch die parallele Entwicklung der bildenden Kunst und
der Poesie geschmackvoller als anderswo. Sodann scheidet
sich aus ihnen nicht bloß wie im übrigen Abendlande zu-
nächst die Posse aus und dann das übrige weltliche Drama,
sondern frühe schon auch eine auf den schönen und reichen
Anblick berechnete Pantomime mit Gesang und Ballett.

1) Man vgl. S. 314, f., wo diese Pracht der Festausstattung als ein
Hinderniß für die höhere Entwicklung des Drama's nachgewiesen
wurde.
Cultur der Renaissance. 26

das Italien der Renaiſſance dabei an den Tag legt 1),5. Abſchnitt.
wurde nur erreicht durch daſſelbe Zuſammenleben aller
Stände, welches auch die Grundlage der italieniſchen Ge-
ſellſchaft ausmacht. Im Norden hatten die Klöſter, die
Höfe und die Bürgerſchaften ihre beſondern Feſte und Auf-
führungen wie in Italien, allein dort waren dieſelben nach
Styl und Inhalt getrennt, hier dagegen durch eine allge-
meine Bildung und Kunſt zu einer gemeinſamen Höhe ent-
wickelt. Die decorirende Architectur, welche dieſen Feſten
zu Hülfe kam, verdient ein eigenes Blatt in der Kunſtge-
ſchichte, obgleich ſie uns nur noch als ein Phantaſiebild
gegenüberſteht, das wir aus den Beſchreibungen zuſammen-
leſen müſſen. Hier beſchäftigt uns das Feſt ſelber als ein
erhöhter Moment im Daſein des Volkes, wobei die religiö-
ſen, ſittlichen und poetiſchen Ideale des letztern eine ſicht-
bare Geſtalt annehmen. Das italieniſche Feſtweſen in ſeiner
höhern Form iſt ein wahrer Uebergang aus dem Leben in
die Kunſt.

Die beiden Hauptformen feſtlicher Aufführung ſind ur-Ihre Grund-
formen.

ſprünglich, wie überall im Abendlande, das Myſterium,
d. h. die dramatiſirte heilige Geſchichte oder Legende, und
die Proceſſion, d. h. der bei irgend einem kirchlichen Anlaß
entſtehende Prachtaufzug.

Nun waren in Italien ſchon die Aufführungen der
Myſterien im Ganzen offenbar prachtvoller, zahlreicher und
durch die parallele Entwicklung der bildenden Kunſt und
der Poeſie geſchmackvoller als anderswo. Sodann ſcheidet
ſich aus ihnen nicht bloß wie im übrigen Abendlande zu-
nächſt die Poſſe aus und dann das übrige weltliche Drama,
ſondern frühe ſchon auch eine auf den ſchönen und reichen
Anblick berechnete Pantomime mit Geſang und Ballett.

1) Man vgl. S. 314, f., wo dieſe Pracht der Feſtausſtattung als ein
Hinderniß für die höhere Entwicklung des Drama's nachgewieſen
wurde.
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[401/0411] das Italien der Renaiſſance dabei an den Tag legt 1), wurde nur erreicht durch daſſelbe Zuſammenleben aller Stände, welches auch die Grundlage der italieniſchen Ge- ſellſchaft ausmacht. Im Norden hatten die Klöſter, die Höfe und die Bürgerſchaften ihre beſondern Feſte und Auf- führungen wie in Italien, allein dort waren dieſelben nach Styl und Inhalt getrennt, hier dagegen durch eine allge- meine Bildung und Kunſt zu einer gemeinſamen Höhe ent- wickelt. Die decorirende Architectur, welche dieſen Feſten zu Hülfe kam, verdient ein eigenes Blatt in der Kunſtge- ſchichte, obgleich ſie uns nur noch als ein Phantaſiebild gegenüberſteht, das wir aus den Beſchreibungen zuſammen- leſen müſſen. Hier beſchäftigt uns das Feſt ſelber als ein erhöhter Moment im Daſein des Volkes, wobei die religiö- ſen, ſittlichen und poetiſchen Ideale des letztern eine ſicht- bare Geſtalt annehmen. Das italieniſche Feſtweſen in ſeiner höhern Form iſt ein wahrer Uebergang aus dem Leben in die Kunſt. 5. Abſchnitt. Die beiden Hauptformen feſtlicher Aufführung ſind ur- ſprünglich, wie überall im Abendlande, das Myſterium, d. h. die dramatiſirte heilige Geſchichte oder Legende, und die Proceſſion, d. h. der bei irgend einem kirchlichen Anlaß entſtehende Prachtaufzug. Ihre Grund- formen. Nun waren in Italien ſchon die Aufführungen der Myſterien im Ganzen offenbar prachtvoller, zahlreicher und durch die parallele Entwicklung der bildenden Kunſt und der Poeſie geſchmackvoller als anderswo. Sodann ſcheidet ſich aus ihnen nicht bloß wie im übrigen Abendlande zu- nächſt die Poſſe aus und dann das übrige weltliche Drama, ſondern frühe ſchon auch eine auf den ſchönen und reichen Anblick berechnete Pantomime mit Geſang und Ballett. 1) Man vgl. S. 314, f., wo dieſe Pracht der Feſtausſtattung als ein Hinderniß für die höhere Entwicklung des Drama's nachgewieſen wurde. Cultur der Renaiſſance. 26

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/411>, abgerufen am 21.11.2024.