5. Abschnitt.unter andern schon das Modell zur Reiterstatue des Fran- cesco Sforza, und zwar unter einem Triumphbogen auf dem Castellplatz. Aus Vasari ist weiter bekannt, mit welch sinnreichen Automaten Lionardo in der Folge die französi- schen Könige als Herrn von Mailand bewillkommen half. Aber auch in kleinern Städten strengte man sich bisweilen Empfang eines neuen Fürsten.sehr an. Als Herzog Borso (S. 50) 1453 zur Huldigung nach Reggio kam 1), empfing man ihn am Thor mit einer großen Maschine, auf welcher S. Prospero, der Stadt- patron, zu schweben schien, überschattet durch einen von Engeln gehaltenen Baldachin, unter ihm eine drehende Scheibe mit acht Musikengeln, deren zwei sich hierauf von dem Heiligen die Stadtschlüssel und das Scepter erbaten, um beides dem Herzog zu überreichen. Dann folgte ein durch verdeckte Pferde bewegbares Gerüst, welches einen leeren Thron enthielt, hinten eine stehende Justitia mit einem Genius als Diener, an den Ecken vier greise Gesetzgeber, umgeben von sechs Engeln mit Fahnen; zu beiden Seiten geharnischte Reiter, ebenfalls mit Fahnen; es versteht sich, daß der Genius und die Göttin den Herzog nicht ohne Anrede ziehen ließen. Ein zweiter Wagen, wie es scheint, von einem Einhorn gezogen, trug eine Caritas mit bren- nender Fackel; dazwischen aber hatte man sich das antike Vergnügen eines von verborgenen Menschen vorwärts ge- triebenen Schiffwagens nicht versagen mögen. Dieser und die beiden Allegorien zogen nun dem Herzog voran; aber schon vor S. Pietro wurde wieder stille gehalten; ein heil. Petrus schwebte mit zwei Engeln in einer runden Glorie von der Fassade hernieder bis zum Herzog, setzte ihm einen Lorbeerkranz auf und schwebte wieder empor 2). Auch noch
1)Annal. Estens. bei Murat. XX, Col. 468, s. Die Beschreibung ist undeutlich, und überdieß nach einer incorrecten Abschrift gedruckt.
2) Man erfährt, daß die Stricke dieser Maschinerie als Guirlanden maskirt waren.
5. Abſchnitt.unter andern ſchon das Modell zur Reiterſtatue des Fran- cesco Sforza, und zwar unter einem Triumphbogen auf dem Caſtellplatz. Aus Vaſari iſt weiter bekannt, mit welch ſinnreichen Automaten Lionardo in der Folge die franzöſi- ſchen Könige als Herrn von Mailand bewillkommen half. Aber auch in kleinern Städten ſtrengte man ſich bisweilen Empfang eines neuen Fürſten.ſehr an. Als Herzog Borſo (S. 50) 1453 zur Huldigung nach Reggio kam 1), empfing man ihn am Thor mit einer großen Maſchine, auf welcher S. Prospero, der Stadt- patron, zu ſchweben ſchien, überſchattet durch einen von Engeln gehaltenen Baldachin, unter ihm eine drehende Scheibe mit acht Muſikengeln, deren zwei ſich hierauf von dem Heiligen die Stadtſchlüſſel und das Scepter erbaten, um beides dem Herzog zu überreichen. Dann folgte ein durch verdeckte Pferde bewegbares Gerüſt, welches einen leeren Thron enthielt, hinten eine ſtehende Juſtitia mit einem Genius als Diener, an den Ecken vier greiſe Geſetzgeber, umgeben von ſechs Engeln mit Fahnen; zu beiden Seiten geharniſchte Reiter, ebenfalls mit Fahnen; es verſteht ſich, daß der Genius und die Göttin den Herzog nicht ohne Anrede ziehen ließen. Ein zweiter Wagen, wie es ſcheint, von einem Einhorn gezogen, trug eine Caritas mit bren- nender Fackel; dazwiſchen aber hatte man ſich das antike Vergnügen eines von verborgenen Menſchen vorwärts ge- triebenen Schiffwagens nicht verſagen mögen. Dieſer und die beiden Allegorien zogen nun dem Herzog voran; aber ſchon vor S. Pietro wurde wieder ſtille gehalten; ein heil. Petrus ſchwebte mit zwei Engeln in einer runden Glorie von der Faſſade hernieder bis zum Herzog, ſetzte ihm einen Lorbeerkranz auf und ſchwebte wieder empor 2). Auch noch
1)Annal. Estens. bei Murat. XX, Col. 468, s. Die Beſchreibung iſt undeutlich, und überdieß nach einer incorrecten Abſchrift gedruckt.
2) Man erfährt, daß die Stricke dieſer Maſchinerie als Guirlanden maskirt waren.
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ſchen Könige als Herrn von Mailand bewillkommen half.
Aber auch in kleinern Städten ſtrengte man ſich bisweilen
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nach Reggio kam 1), empfing man ihn am Thor mit einer
großen Maſchine, auf welcher S. Prospero, der Stadt-
patron, zu ſchweben ſchien, überſchattet durch einen von
Engeln gehaltenen Baldachin, unter ihm eine drehende
Scheibe mit acht Muſikengeln, deren zwei ſich hierauf von
dem Heiligen die Stadtſchlüſſel und das Scepter erbaten,
um beides dem Herzog zu überreichen. Dann folgte ein
durch verdeckte Pferde bewegbares Gerüſt, welches einen
leeren Thron enthielt, hinten eine ſtehende Juſtitia mit einem
Genius als Diener, an den Ecken vier greiſe Geſetzgeber,
umgeben von ſechs Engeln mit Fahnen; zu beiden Seiten
geharniſchte Reiter, ebenfalls mit Fahnen; es verſteht ſich,
daß der Genius und die Göttin den Herzog nicht ohne
Anrede ziehen ließen. Ein zweiter Wagen, wie es ſcheint,
von einem Einhorn gezogen, trug eine Caritas mit bren-
nender Fackel; dazwiſchen aber hatte man ſich das antike
Vergnügen eines von verborgenen Menſchen vorwärts ge-
triebenen Schiffwagens nicht verſagen mögen. Dieſer und
die beiden Allegorien zogen nun dem Herzog voran; aber
ſchon vor S. Pietro wurde wieder ſtille gehalten; ein heil.
Petrus ſchwebte mit zwei Engeln in einer runden Glorie
von der Faſſade hernieder bis zum Herzog, ſetzte ihm einen
Lorbeerkranz auf und ſchwebte wieder empor 2). Auch noch
5. Abſchnitt.
Empfang eines
neuen Fürſten.
1) Annal. Estens. bei Murat. XX, Col. 468, s. Die Beſchreibung
iſt undeutlich, und überdieß nach einer incorrecten Abſchrift gedruckt.
2) Man erfährt, daß die Stricke dieſer Maſchinerie als Guirlanden
maskirt waren.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/424>, abgerufen am 22.11.2024.
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