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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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für eine andere rein kirchliche Allegorie hatte der Clerus5. Abschnitt.
hier gesorgt; auf zwei hohen Säulen standen "der Götzen-
dienst" und die "Fides"; nachdem letztere, ein schönes Mäd-
chen, ihren Gruß hergesagt, stürzte die andere Säule sammt
ihrer Puppe zusammen. Weiterhin begegnete man einem
"Cäsar" mit sieben schönen Weibern, welche er dem Borso
als die Tugenden präsentirte, welche derselbe zu erstreben
habe. Endlich gelangte man zum Dom, nach dem Gottes-
dienst aber nahm Borso wieder draußen auf einem hohen
goldenen Throne Platz, wo ein Theil der schon genannten
Masken ihn noch einmal becomplimentirten. Den Schluß
machten drei von einem nahen Gebäude niederschwebende
Engel, welche ihm unter holdem Gesange Palmzweige als
Sinnbilder des Friedens überreichten.

Betrachten wir nun diejenigen Festlichkeiten, wobei der
bewegte Zug selber die Hauptsache ist.

Ohne Zweifel gewährten die kirchlichen ProcessionenDie Procession.
seit dem frühen Mittelalter einen Anlaß zur Maskirung,
mochten nun Engelkinder das Sacrament, die herumgetra-
genen heiligen Bilder und Reliquien begleiten, oder Personen
der Passion im Zuge mitgehen, etwa Christus mit dem
Kreuz, die Schächer und Kriegsknechte, die heiligen Frauen.
Allein mit großen Kirchenfesten verbindet sich schon frühe
die Idee eines städtischen Aufzuges, der nach der naiven
Art des Mittelalters eine Menge profaner Bestandtheile
verträgt. Merkwürdig ist besonders der aus dem Heiden-
thum herübergenommene 1) Schiffwagen, carrus navalis,
der, wie schon an einem Beispiel bemerkt wurde, bei Festen
sehr verschiedener Art mitgeführt werden mochte, dessen
Name aber vorzugsweise auf dem "Carneval" haften blieb.

1) Eigentlich das Isisschiff, das am 5. März als Symbol der wieder
eröffneten Meerfahrt ins Wasser gelassen wird. -- Die Analogien im
deutschen Cult s. bei Jac. Grimm, deutsche Mythologie.

für eine andere rein kirchliche Allegorie hatte der Clerus5. Abſchnitt.
hier geſorgt; auf zwei hohen Säulen ſtanden „der Götzen-
dienſt“ und die „Fides“; nachdem letztere, ein ſchönes Mäd-
chen, ihren Gruß hergeſagt, ſtürzte die andere Säule ſammt
ihrer Puppe zuſammen. Weiterhin begegnete man einem
„Cäſar“ mit ſieben ſchönen Weibern, welche er dem Borſo
als die Tugenden präſentirte, welche derſelbe zu erſtreben
habe. Endlich gelangte man zum Dom, nach dem Gottes-
dienſt aber nahm Borſo wieder draußen auf einem hohen
goldenen Throne Platz, wo ein Theil der ſchon genannten
Masken ihn noch einmal becomplimentirten. Den Schluß
machten drei von einem nahen Gebäude niederſchwebende
Engel, welche ihm unter holdem Geſange Palmzweige als
Sinnbilder des Friedens überreichten.

Betrachten wir nun diejenigen Feſtlichkeiten, wobei der
bewegte Zug ſelber die Hauptſache iſt.

Ohne Zweifel gewährten die kirchlichen ProceſſionenDie Proceſſion.
ſeit dem frühen Mittelalter einen Anlaß zur Maskirung,
mochten nun Engelkinder das Sacrament, die herumgetra-
genen heiligen Bilder und Reliquien begleiten, oder Perſonen
der Paſſion im Zuge mitgehen, etwa Chriſtus mit dem
Kreuz, die Schächer und Kriegsknechte, die heiligen Frauen.
Allein mit großen Kirchenfeſten verbindet ſich ſchon frühe
die Idee eines ſtädtiſchen Aufzuges, der nach der naiven
Art des Mittelalters eine Menge profaner Beſtandtheile
verträgt. Merkwürdig iſt beſonders der aus dem Heiden-
thum herübergenommene 1) Schiffwagen, carrus navalis,
der, wie ſchon an einem Beiſpiel bemerkt wurde, bei Feſten
ſehr verſchiedener Art mitgeführt werden mochte, deſſen
Name aber vorzugsweiſe auf dem „Carneval“ haften blieb.

1) Eigentlich das Iſisſchiff, das am 5. März als Symbol der wieder
eröffneten Meerfahrt ins Waſſer gelaſſen wird. — Die Analogien im
deutſchen Cult ſ. bei Jac. Grimm, deutſche Mythologie.
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[415/0425] für eine andere rein kirchliche Allegorie hatte der Clerus hier geſorgt; auf zwei hohen Säulen ſtanden „der Götzen- dienſt“ und die „Fides“; nachdem letztere, ein ſchönes Mäd- chen, ihren Gruß hergeſagt, ſtürzte die andere Säule ſammt ihrer Puppe zuſammen. Weiterhin begegnete man einem „Cäſar“ mit ſieben ſchönen Weibern, welche er dem Borſo als die Tugenden präſentirte, welche derſelbe zu erſtreben habe. Endlich gelangte man zum Dom, nach dem Gottes- dienſt aber nahm Borſo wieder draußen auf einem hohen goldenen Throne Platz, wo ein Theil der ſchon genannten Masken ihn noch einmal becomplimentirten. Den Schluß machten drei von einem nahen Gebäude niederſchwebende Engel, welche ihm unter holdem Geſange Palmzweige als Sinnbilder des Friedens überreichten. 5. Abſchnitt. Betrachten wir nun diejenigen Feſtlichkeiten, wobei der bewegte Zug ſelber die Hauptſache iſt. Ohne Zweifel gewährten die kirchlichen Proceſſionen ſeit dem frühen Mittelalter einen Anlaß zur Maskirung, mochten nun Engelkinder das Sacrament, die herumgetra- genen heiligen Bilder und Reliquien begleiten, oder Perſonen der Paſſion im Zuge mitgehen, etwa Chriſtus mit dem Kreuz, die Schächer und Kriegsknechte, die heiligen Frauen. Allein mit großen Kirchenfeſten verbindet ſich ſchon frühe die Idee eines ſtädtiſchen Aufzuges, der nach der naiven Art des Mittelalters eine Menge profaner Beſtandtheile verträgt. Merkwürdig iſt beſonders der aus dem Heiden- thum herübergenommene 1) Schiffwagen, carrus navalis, der, wie ſchon an einem Beiſpiel bemerkt wurde, bei Feſten ſehr verſchiedener Art mitgeführt werden mochte, deſſen Name aber vorzugsweiſe auf dem „Carneval“ haften blieb. Die Proceſſion. 1) Eigentlich das Iſisſchiff, das am 5. März als Symbol der wieder eröffneten Meerfahrt ins Waſſer gelaſſen wird. — Die Analogien im deutſchen Cult ſ. bei Jac. Grimm, deutſche Mythologie.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/425>, abgerufen am 21.11.2024.