5. Abschnitt.Ein solches Schiff konnte freilich als heiter ausgestattetes Prachtstück die Beschauer vergnügen, ohne daß man sich irgend noch der frühern Bedeutung bewußt war, und als z. B. Isabella von England mit ihrem Bräutigam Kaiser Friedrich II. in Köln zusammenkam, fuhren ihr eine ganze Anzahl von Schiffwagen mit musicirenden Geistlichen, von verdeckten Pferden gezogen, entgegen.
Aber die kirchliche Procession konnte nicht nur durch Zuthaten aller Art verherrlicht, sondern auch durch einen Zug geistlicher Marken gradezu ersetzt werden. Einen An- laß hiezu gewährte vielleicht schon der Zug der zu einem Mysterium gehenden Schauspieler durch die Hauptstraßen einer Stadt, frühe aber möchte sich eine Gattung geistlicher Festzüge auch unabhängig hievon gebildet haben. Dante schildert 1) den "trionfo" der Beatrice mit den vierund- zwanzig Aeltesten der Offenbarung, den vier mystischen Thieren, den drei christlichen und den vier Cardinaltugenden, S. Lucas, S. Paulus und andern Aposteln, in einer sol- chen Weise, daß man beinahe genöthigt ist, das wirkliche Uebergang in den Trionfo.frühe Vorkommen solcher Züge vorauszusetzen. Dieß ver- räth sich hauptsächlich durch den Wagen, auf welchem Bea- trice fährt, und welcher in dem visionären Wunderwald nicht nöthig wäre, ja auffallend heißen darf. Oder hat Dante etwa den Wagen nur als wesentliches Symbol des Triumphirens betrachtet? und ist vollends erst sein Ge- dicht die Anregung zu solchen Zügen geworden, deren Form von dem Triumph römischer Imperatoren entlehnt war? Wie dem nun auch sei, jedenfalls haben Poesie und Theo- logie an dem Sinnbilde mit Vorliebe festgehalten. Sa- vonarola in seinem "Triumph des Kreuzes" stellt 2) Christus
1)Purgatorio XXIX, 43 bis Ende, und XXX, Anfang. -- Der Wagen ist laut Vs. 115 herrlicher als der Triumphwagen des Scipio, des Augustus, ja als der des Sonnengottes.
2) Ranke, Gesch. der roman. und german. Völker, S. 119.
5. Abſchnitt.Ein ſolches Schiff konnte freilich als heiter ausgeſtattetes Prachtſtück die Beſchauer vergnügen, ohne daß man ſich irgend noch der frühern Bedeutung bewußt war, und als z. B. Iſabella von England mit ihrem Bräutigam Kaiſer Friedrich II. in Köln zuſammenkam, fuhren ihr eine ganze Anzahl von Schiffwagen mit muſicirenden Geiſtlichen, von verdeckten Pferden gezogen, entgegen.
Aber die kirchliche Proceſſion konnte nicht nur durch Zuthaten aller Art verherrlicht, ſondern auch durch einen Zug geiſtlicher Marken gradezu erſetzt werden. Einen An- laß hiezu gewährte vielleicht ſchon der Zug der zu einem Myſterium gehenden Schauſpieler durch die Hauptſtraßen einer Stadt, frühe aber möchte ſich eine Gattung geiſtlicher Feſtzüge auch unabhängig hievon gebildet haben. Dante ſchildert 1) den „trionfo“ der Beatrice mit den vierund- zwanzig Aelteſten der Offenbarung, den vier myſtiſchen Thieren, den drei chriſtlichen und den vier Cardinaltugenden, S. Lucas, S. Paulus und andern Apoſteln, in einer ſol- chen Weiſe, daß man beinahe genöthigt iſt, das wirkliche Uebergang in den Trionfo.frühe Vorkommen ſolcher Züge vorauszuſetzen. Dieß ver- räth ſich hauptſächlich durch den Wagen, auf welchem Bea- trice fährt, und welcher in dem viſionären Wunderwald nicht nöthig wäre, ja auffallend heißen darf. Oder hat Dante etwa den Wagen nur als weſentliches Symbol des Triumphirens betrachtet? und iſt vollends erſt ſein Ge- dicht die Anregung zu ſolchen Zügen geworden, deren Form von dem Triumph römiſcher Imperatoren entlehnt war? Wie dem nun auch ſei, jedenfalls haben Poeſie und Theo- logie an dem Sinnbilde mit Vorliebe feſtgehalten. Sa- vonarola in ſeinem „Triumph des Kreuzes“ ſtellt 2) Chriſtus
1)Purgatorio XXIX, 43 bis Ende, und XXX, Anfang. — Der Wagen iſt laut Vs. 115 herrlicher als der Triumphwagen des Scipio, des Auguſtus, ja als der des Sonnengottes.
2) Ranke, Geſch. der roman. und german. Völker, S. 119.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0426"n="416"/><noteplace="left"><hirendition="#b"><hirendition="#u">5. Abſchnitt.</hi></hi></note>Ein ſolches Schiff konnte freilich als heiter ausgeſtattetes<lb/>
Prachtſtück die Beſchauer vergnügen, ohne daß man ſich<lb/>
irgend noch der frühern Bedeutung bewußt war, und als<lb/>
z. B. Iſabella von England mit ihrem Bräutigam Kaiſer<lb/>
Friedrich <hirendition="#aq">II.</hi> in Köln zuſammenkam, fuhren ihr eine ganze<lb/>
Anzahl von Schiffwagen mit muſicirenden Geiſtlichen, von<lb/>
verdeckten Pferden gezogen, entgegen.</p><lb/><p>Aber die kirchliche Proceſſion konnte nicht nur durch<lb/>
Zuthaten aller Art verherrlicht, ſondern auch durch einen<lb/>
Zug geiſtlicher Marken gradezu erſetzt werden. Einen An-<lb/>
laß hiezu gewährte vielleicht ſchon der Zug der zu einem<lb/>
Myſterium gehenden Schauſpieler durch die Hauptſtraßen<lb/>
einer Stadt, frühe aber möchte ſich eine Gattung geiſtlicher<lb/>
Feſtzüge auch unabhängig hievon gebildet haben. Dante<lb/>ſchildert <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Purgatorio XXIX,</hi> 43 bis Ende, und <hirendition="#aq">XXX,</hi> Anfang. — Der<lb/>
Wagen iſt laut Vs. 115 herrlicher als der Triumphwagen des<lb/>
Scipio, des Auguſtus, ja als der des Sonnengottes.</note> den „<hirendition="#aq">trionfo</hi>“ der Beatrice mit den vierund-<lb/>
zwanzig Aelteſten der Offenbarung, den vier myſtiſchen<lb/>
Thieren, den drei chriſtlichen und den vier Cardinaltugenden,<lb/>
S. Lucas, S. Paulus und andern Apoſteln, in einer ſol-<lb/>
chen Weiſe, daß man beinahe genöthigt iſt, das wirkliche<lb/><noteplace="left">Uebergang in<lb/>
den Trionfo.</note>frühe Vorkommen ſolcher Züge vorauszuſetzen. Dieß ver-<lb/>
räth ſich hauptſächlich durch den Wagen, auf welchem Bea-<lb/>
trice fährt, und welcher in dem viſionären Wunderwald<lb/>
nicht nöthig wäre, ja auffallend heißen darf. Oder<lb/>
hat Dante etwa den Wagen nur als weſentliches Symbol<lb/>
des Triumphirens betrachtet? und iſt vollends erſt ſein Ge-<lb/>
dicht die Anregung zu ſolchen Zügen geworden, deren Form<lb/>
von dem Triumph römiſcher Imperatoren entlehnt war?<lb/>
Wie dem nun auch ſei, jedenfalls haben Poeſie und Theo-<lb/>
logie an dem Sinnbilde mit Vorliebe feſtgehalten. Sa-<lb/>
vonarola in ſeinem „Triumph des Kreuzes“ſtellt <noteplace="foot"n="2)">Ranke, Geſch. der roman. und german. Völker, S. 119.</note> Chriſtus<lb/></p></div></body></text></TEI>
[416/0426]
Ein ſolches Schiff konnte freilich als heiter ausgeſtattetes
Prachtſtück die Beſchauer vergnügen, ohne daß man ſich
irgend noch der frühern Bedeutung bewußt war, und als
z. B. Iſabella von England mit ihrem Bräutigam Kaiſer
Friedrich II. in Köln zuſammenkam, fuhren ihr eine ganze
Anzahl von Schiffwagen mit muſicirenden Geiſtlichen, von
verdeckten Pferden gezogen, entgegen.
5. Abſchnitt.
Aber die kirchliche Proceſſion konnte nicht nur durch
Zuthaten aller Art verherrlicht, ſondern auch durch einen
Zug geiſtlicher Marken gradezu erſetzt werden. Einen An-
laß hiezu gewährte vielleicht ſchon der Zug der zu einem
Myſterium gehenden Schauſpieler durch die Hauptſtraßen
einer Stadt, frühe aber möchte ſich eine Gattung geiſtlicher
Feſtzüge auch unabhängig hievon gebildet haben. Dante
ſchildert 1) den „trionfo“ der Beatrice mit den vierund-
zwanzig Aelteſten der Offenbarung, den vier myſtiſchen
Thieren, den drei chriſtlichen und den vier Cardinaltugenden,
S. Lucas, S. Paulus und andern Apoſteln, in einer ſol-
chen Weiſe, daß man beinahe genöthigt iſt, das wirkliche
frühe Vorkommen ſolcher Züge vorauszuſetzen. Dieß ver-
räth ſich hauptſächlich durch den Wagen, auf welchem Bea-
trice fährt, und welcher in dem viſionären Wunderwald
nicht nöthig wäre, ja auffallend heißen darf. Oder
hat Dante etwa den Wagen nur als weſentliches Symbol
des Triumphirens betrachtet? und iſt vollends erſt ſein Ge-
dicht die Anregung zu ſolchen Zügen geworden, deren Form
von dem Triumph römiſcher Imperatoren entlehnt war?
Wie dem nun auch ſei, jedenfalls haben Poeſie und Theo-
logie an dem Sinnbilde mit Vorliebe feſtgehalten. Sa-
vonarola in ſeinem „Triumph des Kreuzes“ ſtellt 2) Chriſtus
Uebergang in
den Trionfo.
1) Purgatorio XXIX, 43 bis Ende, und XXX, Anfang. — Der
Wagen iſt laut Vs. 115 herrlicher als der Triumphwagen des
Scipio, des Auguſtus, ja als der des Sonnengottes.
2) Ranke, Geſch. der roman. und german. Völker, S. 119.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/426>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.