Boden hiefür war besonders die Romagna, wo sich die6. Abschnitt. Vendetta mit allen erdenklichen sonstigen Parteiungen ver- flocht. In furchtbarer Symbolik stellt die Sage bisweilen die Verwilderung dar, welche über dieses kühne, kräftige Volk kam. So z. B. in der Geschichte von jenem vorneh- men Ravennaten, der seine Feinde in einem Thurm bei- sammen hatte und sie hätte verbrennen können, statt dessen aber sie herausließ, umarmte und herrlich bewirthete, worauf die wüthende Scham sie erst recht zur Verschwörung an- trieb 1). Unablässig predigten fromme, ja heilige Mönche zur Versöhnung, aber es wird Alles gewesen sein was sie er- reichten, wenn sie die schon im Gange befindlichen Vendetten einschränkten; das Entstehen von neuen werden sie wohl schwerlich gehindert haben. Die Novellen schildern uns nicht selten auch diese Einwirkung der Religion, die edle Auf- wallung und dann deren Sinken durch das Schwergewicht dessen was vorangegangen und doch nicht mehr zu ändern ist. Hatte doch der Papst in Person nicht immer Glück im Friedenstiften: "Papst Paul II. wollte, daß der Hader zwischen Antonio Caffarello und dem Hause Alberino auf- höre und ließ Giovanni Alberino und Antonio Caffarello vor sich kommen und befahl ihnen, einander zu küssen und kündigte ihnen 2000 Ducaten Strafe an wenn sie einander wieder ein Leid anthäten, und zwei Tage darauf wurde Antonio von demselben Giacomo Alberino, Sohn des Gio- vanni, gestochen, der ihn vorher schon verwundet hatte, und Papst Paul wurde sehr unwillig und ließ den Alberino die Habe confisciren und die Häuser schleifen und Vater und Sohn aus Rom verbannen 2)." Die Eide und Ceremonien,Versöhnungs- schwüre. wodurch die Versöhnten sich vor dem Rückfall zu sichern suchen, sind bisweilen ganz entsetzlich; als am Sylvester- abend 1494 im Dom von Siena 3) die Parteien der Nove
1)Giraldi, Hecatommithi I, Nov. 7.
2)Infessura, bei Eccard, scrippt. II, Col. 1892. zum Jahr 1464.
3)Allegretto, Diarei sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 837.
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Boden hiefür war beſonders die Romagna, wo ſich die6. Abſchnitt. Vendetta mit allen erdenklichen ſonſtigen Parteiungen ver- flocht. In furchtbarer Symbolik ſtellt die Sage bisweilen die Verwilderung dar, welche über dieſes kühne, kräftige Volk kam. So z. B. in der Geſchichte von jenem vorneh- men Ravennaten, der ſeine Feinde in einem Thurm bei- ſammen hatte und ſie hätte verbrennen können, ſtatt deſſen aber ſie herausließ, umarmte und herrlich bewirthete, worauf die wüthende Scham ſie erſt recht zur Verſchwörung an- trieb 1). Unabläſſig predigten fromme, ja heilige Mönche zur Verſöhnung, aber es wird Alles geweſen ſein was ſie er- reichten, wenn ſie die ſchon im Gange befindlichen Vendetten einſchränkten; das Entſtehen von neuen werden ſie wohl ſchwerlich gehindert haben. Die Novellen ſchildern uns nicht ſelten auch dieſe Einwirkung der Religion, die edle Auf- wallung und dann deren Sinken durch das Schwergewicht deſſen was vorangegangen und doch nicht mehr zu ändern iſt. Hatte doch der Papſt in Perſon nicht immer Glück im Friedenſtiften: „Papſt Paul II. wollte, daß der Hader zwiſchen Antonio Caffarello und dem Hauſe Alberino auf- höre und ließ Giovanni Alberino und Antonio Caffarello vor ſich kommen und befahl ihnen, einander zu küſſen und kündigte ihnen 2000 Ducaten Strafe an wenn ſie einander wieder ein Leid anthäten, und zwei Tage darauf wurde Antonio von demſelben Giacomo Alberino, Sohn des Gio- vanni, geſtochen, der ihn vorher ſchon verwundet hatte, und Papſt Paul wurde ſehr unwillig und ließ den Alberino die Habe confisciren und die Häuſer ſchleifen und Vater und Sohn aus Rom verbannen 2).“ Die Eide und Ceremonien,Verſöhnungs- ſchwüre. wodurch die Verſöhnten ſich vor dem Rückfall zu ſichern ſuchen, ſind bisweilen ganz entſetzlich; als am Sylveſter- abend 1494 im Dom von Siena 3) die Parteien der Nove
1)Giraldi, Hecatommithi I, Nov. 7.
2)Infessura, bei Eccard, scrippt. II, Col. 1892. zum Jahr 1464.
3)Allegretto, Diarî sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 837.
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Boden hiefür war beſonders die Romagna, wo ſich die
Vendetta mit allen erdenklichen ſonſtigen Parteiungen ver-
flocht. In furchtbarer Symbolik ſtellt die Sage bisweilen
die Verwilderung dar, welche über dieſes kühne, kräftige
Volk kam. So z. B. in der Geſchichte von jenem vorneh-
men Ravennaten, der ſeine Feinde in einem Thurm bei-
ſammen hatte und ſie hätte verbrennen können, ſtatt deſſen
aber ſie herausließ, umarmte und herrlich bewirthete, worauf
die wüthende Scham ſie erſt recht zur Verſchwörung an-
trieb 1). Unabläſſig predigten fromme, ja heilige Mönche
zur Verſöhnung, aber es wird Alles geweſen ſein was ſie er-
reichten, wenn ſie die ſchon im Gange befindlichen Vendetten
einſchränkten; das Entſtehen von neuen werden ſie wohl
ſchwerlich gehindert haben. Die Novellen ſchildern uns nicht
ſelten auch dieſe Einwirkung der Religion, die edle Auf-
wallung und dann deren Sinken durch das Schwergewicht
deſſen was vorangegangen und doch nicht mehr zu ändern
iſt. Hatte doch der Papſt in Perſon nicht immer Glück
im Friedenſtiften: „Papſt Paul II. wollte, daß der Hader
zwiſchen Antonio Caffarello und dem Hauſe Alberino auf-
höre und ließ Giovanni Alberino und Antonio Caffarello
vor ſich kommen und befahl ihnen, einander zu küſſen und
kündigte ihnen 2000 Ducaten Strafe an wenn ſie einander
wieder ein Leid anthäten, und zwei Tage darauf wurde
Antonio von demſelben Giacomo Alberino, Sohn des Gio-
vanni, geſtochen, der ihn vorher ſchon verwundet hatte, und
Papſt Paul wurde ſehr unwillig und ließ den Alberino die
Habe confisciren und die Häuſer ſchleifen und Vater und
Sohn aus Rom verbannen 2).“ Die Eide und Ceremonien,
wodurch die Verſöhnten ſich vor dem Rückfall zu ſichern
ſuchen, ſind bisweilen ganz entſetzlich; als am Sylveſter-
abend 1494 im Dom von Siena 3) die Parteien der Nove
6. Abſchnitt.
Verſöhnungs-
ſchwüre.
1) Giraldi, Hecatommithi I, Nov. 7.
2) Infessura, bei Eccard, scrippt. II, Col. 1892. zum Jahr 1464.
3) Allegretto, Diarî sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 837.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/445>, abgerufen am 22.11.2024.
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