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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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schichte seines Unglückes zur Laute. Ein Freund des ge-6. Abschnitt.
nannten Hauses, Delio, "erzählte die Geschichte bis zu
diesem Puncte dem Scipione Atellano und fügte bei, er
werde dieselbe in einer seiner Novellen behandeln, da er
gewiß wisse, daß Antonio ermordet werden würde". Die
Art, wie dieß fast unter den Augen Delio's und Atellano's
eintraf, ist bei Bandello (I, 26) ergreifend geschildert.

Einstweilen aber nehmen die Novellisten doch fortwäh-Parteinahme
des Novellisten.

rend Partei für alles Sinnreiche, Schlaue und Komische,
was beim Ehebruch vorkömmt: mit Vergnügen schildern
sie das Versteckspiel in den Häusern, die symbolischen Winke
und Botschaften, die mit Kissen und Confect zum Voraus
versehenen Truhen, in welchen der Liebhaber verborgen und
fortgeschafft werden kann, u. dgl. m. Der betrogene Ehe-
mann wird je Umständen ausgemalt als eine ohnehin von
Hause aus lächerliche Person oder als ein furchtbarer Rächer;
ein drittes giebt es nicht, es sei denn, daß das Weib als
böse und grausam und der Mann oder Liebhaber als un-
schuldiges Opfer geschildert werden soll. Man wird indeß
bemerken, daß Erzählungen dieser letztern Art nicht eigent-
liche Novellen, sondern nur Schreckensbeispiele aus dem
wirklichen Leben sind 1).

Mit der Hispanisirung des italienischen Lebens im Ver-
lauf des XVI. Jahrhunderts nahm die in den Mitteln
höchst gewaltsame Eifersucht vielleicht noch zu, doch muß
man dieselbe unterscheiden von der schon vorher vorhandenen,
im Geist der italienischen Renaissance selbst begründeten
Vergeltung der Untreue. Mit der Abnahme des spanischen
Cultureinflusses schlug dann die auf die Spitze getriebene
Eifersucht gegen Ende des XVII. Jahrhunderts in ihr
Gegentheil um, in jene Gleichgültigkeit, welche den Cicisbeo
als unentbehrliche Figur im Hause betrachtete und außer-
dem noch einen oder mehrere Geduldete (Patiti) sich gefal-
len ließ.

1) Ein Beispiel Bandello, Parte I, Nov. 4.

ſchichte ſeines Unglückes zur Laute. Ein Freund des ge-6. Abſchnitt.
nannten Hauſes, Delio, „erzählte die Geſchichte bis zu
dieſem Puncte dem Scipione Atellano und fügte bei, er
werde dieſelbe in einer ſeiner Novellen behandeln, da er
gewiß wiſſe, daß Antonio ermordet werden würde“. Die
Art, wie dieß faſt unter den Augen Delio's und Atellano's
eintraf, iſt bei Bandello (I, 26) ergreifend geſchildert.

Einſtweilen aber nehmen die Novelliſten doch fortwäh-Parteinahme
des Novelliſten.

rend Partei für alles Sinnreiche, Schlaue und Komiſche,
was beim Ehebruch vorkömmt: mit Vergnügen ſchildern
ſie das Verſteckſpiel in den Häuſern, die ſymboliſchen Winke
und Botſchaften, die mit Kiſſen und Confect zum Voraus
verſehenen Truhen, in welchen der Liebhaber verborgen und
fortgeſchafft werden kann, u. dgl. m. Der betrogene Ehe-
mann wird je Umſtänden ausgemalt als eine ohnehin von
Hauſe aus lächerliche Perſon oder als ein furchtbarer Rächer;
ein drittes giebt es nicht, es ſei denn, daß das Weib als
böſe und grauſam und der Mann oder Liebhaber als un-
ſchuldiges Opfer geſchildert werden ſoll. Man wird indeß
bemerken, daß Erzählungen dieſer letztern Art nicht eigent-
liche Novellen, ſondern nur Schreckensbeiſpiele aus dem
wirklichen Leben ſind 1).

Mit der Hiſpaniſirung des italieniſchen Lebens im Ver-
lauf des XVI. Jahrhunderts nahm die in den Mitteln
höchſt gewaltſame Eiferſucht vielleicht noch zu, doch muß
man dieſelbe unterſcheiden von der ſchon vorher vorhandenen,
im Geiſt der italieniſchen Renaiſſance ſelbſt begründeten
Vergeltung der Untreue. Mit der Abnahme des ſpaniſchen
Cultureinfluſſes ſchlug dann die auf die Spitze getriebene
Eiferſucht gegen Ende des XVII. Jahrhunderts in ihr
Gegentheil um, in jene Gleichgültigkeit, welche den Cicisbeo
als unentbehrliche Figur im Hauſe betrachtete und außer-
dem noch einen oder mehrere Geduldete (Patiti) ſich gefal-
len ließ.

1) Ein Beiſpiel Bandello, Parte I, Nov. 4.
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[443/0453] ſchichte ſeines Unglückes zur Laute. Ein Freund des ge- nannten Hauſes, Delio, „erzählte die Geſchichte bis zu dieſem Puncte dem Scipione Atellano und fügte bei, er werde dieſelbe in einer ſeiner Novellen behandeln, da er gewiß wiſſe, daß Antonio ermordet werden würde“. Die Art, wie dieß faſt unter den Augen Delio's und Atellano's eintraf, iſt bei Bandello (I, 26) ergreifend geſchildert. 6. Abſchnitt. Einſtweilen aber nehmen die Novelliſten doch fortwäh- rend Partei für alles Sinnreiche, Schlaue und Komiſche, was beim Ehebruch vorkömmt: mit Vergnügen ſchildern ſie das Verſteckſpiel in den Häuſern, die ſymboliſchen Winke und Botſchaften, die mit Kiſſen und Confect zum Voraus verſehenen Truhen, in welchen der Liebhaber verborgen und fortgeſchafft werden kann, u. dgl. m. Der betrogene Ehe- mann wird je Umſtänden ausgemalt als eine ohnehin von Hauſe aus lächerliche Perſon oder als ein furchtbarer Rächer; ein drittes giebt es nicht, es ſei denn, daß das Weib als böſe und grauſam und der Mann oder Liebhaber als un- ſchuldiges Opfer geſchildert werden ſoll. Man wird indeß bemerken, daß Erzählungen dieſer letztern Art nicht eigent- liche Novellen, ſondern nur Schreckensbeiſpiele aus dem wirklichen Leben ſind 1). Parteinahme des Novelliſten. Mit der Hiſpaniſirung des italieniſchen Lebens im Ver- lauf des XVI. Jahrhunderts nahm die in den Mitteln höchſt gewaltſame Eiferſucht vielleicht noch zu, doch muß man dieſelbe unterſcheiden von der ſchon vorher vorhandenen, im Geiſt der italieniſchen Renaiſſance ſelbſt begründeten Vergeltung der Untreue. Mit der Abnahme des ſpaniſchen Cultureinfluſſes ſchlug dann die auf die Spitze getriebene Eiferſucht gegen Ende des XVII. Jahrhunderts in ihr Gegentheil um, in jene Gleichgültigkeit, welche den Cicisbeo als unentbehrliche Figur im Hauſe betrachtete und außer- dem noch einen oder mehrere Geduldete (Patiti) ſich gefal- len ließ. 1) Ein Beiſpiel Bandello, Parte I, Nov. 4.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/453>, abgerufen am 22.11.2024.