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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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6. Abschnitt.sei eine Lüge, so untersuche er die Cloaken der Nonnen-
Die Bettel-
mönche in den
Novellen.
klöster und er wird darin einen Vorrath von zarten Knöchlein
finden nicht viel anders als in Bethlehem zu Herodes Zei-
ten." Solche und andere Sachen birgt das Klosterleben.
Freilich machen einander die Mönche es in der Beichte
bequem und dictiren ein Paternoster für Dinge um derent-
willen sie einem Laien alle Absolution versagen würden
gleich einem Ketzer. "Darum öffne sich die Erde und ver-
schlinge solche Verbrecher lebendig sammt ihren Gönnern."
An einer andern Stelle äußert Massuccio, weil die Macht
der Mönche doch wesentlich auf der Furcht vor dem Jenseits
beruhe, einen ganz merkwürdigen Wunsch: "es gäbe keine
bessere Züchtigung für sie, als wenn Gott recht bald das
Fegefeuer aufhöbe; dann könnten sie nicht mehr von Al-
mosen leben und müßten wieder zur Hacke greifen".

Wenn man unter Ferrante und an ihn so schreiben
durfte, so hing dieß vielleicht damit zusammen, daß der
König durch ein auf ihn gemünztes falsches Wunder er-
bittert war 1). Man hatte ihn durch eine bei Tarent ver-
grabene und hernach gefundene Bleitafel mit Inschrift zu
einer Judenverfolgung ähnlich der spanischen zu zwingen
gesucht, und, als er den Betrug durchschaute, ihm Trotz
geboten. Auch einen falschen Faster hatte er entlarven
lassen, wie schon früher einmal sein Vater König Alfonso
that. Der Hof hatte wenigstens am dumpfen Aberglauben
keine Mitschuld 2).

Wir haben einen Autor angehört, dem es Ernst war,
und er ist lange nicht der einzige in seiner Art. Spott
und Schimpf über die Bettelmönche sind vollends massen-
weise vorhanden und durchdringen die ganze Literatur.
Man kann kaum daran zweifeln, daß die Renaissance binnen

1) Für das Folgende vgl. Jovian. Pontan. de sermone, L. II. und
Bandello, Parte I, Nov. 32.
2) Weßhalb auch sonst in seiner Nähe dieß Wesen offen denuncirt wer-
den durfte. Vgl. auch Jovian. Pontan.: Antonius, und Charon.

6. Abſchnitt.ſei eine Lüge, ſo unterſuche er die Cloaken der Nonnen-
Die Bettel-
mönche in den
Novellen.
klöſter und er wird darin einen Vorrath von zarten Knöchlein
finden nicht viel anders als in Bethlehem zu Herodes Zei-
ten.“ Solche und andere Sachen birgt das Kloſterleben.
Freilich machen einander die Mönche es in der Beichte
bequem und dictiren ein Paternoſter für Dinge um derent-
willen ſie einem Laien alle Abſolution verſagen würden
gleich einem Ketzer. „Darum öffne ſich die Erde und ver-
ſchlinge ſolche Verbrecher lebendig ſammt ihren Gönnern.“
An einer andern Stelle äußert Maſſuccio, weil die Macht
der Mönche doch weſentlich auf der Furcht vor dem Jenſeits
beruhe, einen ganz merkwürdigen Wunſch: „es gäbe keine
beſſere Züchtigung für ſie, als wenn Gott recht bald das
Fegefeuer aufhöbe; dann könnten ſie nicht mehr von Al-
moſen leben und müßten wieder zur Hacke greifen“.

Wenn man unter Ferrante und an ihn ſo ſchreiben
durfte, ſo hing dieß vielleicht damit zuſammen, daß der
König durch ein auf ihn gemünztes falſches Wunder er-
bittert war 1). Man hatte ihn durch eine bei Tarent ver-
grabene und hernach gefundene Bleitafel mit Inſchrift zu
einer Judenverfolgung ähnlich der ſpaniſchen zu zwingen
geſucht, und, als er den Betrug durchſchaute, ihm Trotz
geboten. Auch einen falſchen Faſter hatte er entlarven
laſſen, wie ſchon früher einmal ſein Vater König Alfonſo
that. Der Hof hatte wenigſtens am dumpfen Aberglauben
keine Mitſchuld 2).

Wir haben einen Autor angehört, dem es Ernſt war,
und er iſt lange nicht der einzige in ſeiner Art. Spott
und Schimpf über die Bettelmönche ſind vollends maſſen-
weiſe vorhanden und durchdringen die ganze Literatur.
Man kann kaum daran zweifeln, daß die Renaiſſance binnen

1) Für das Folgende vgl. Jovian. Pontan. de sermone, L. II. und
Bandello, Parte I, Nov. 32.
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den durfte. Vgl. auch Jovian. Pontan.: Antonius, und Charon.
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[462/0472] ſei eine Lüge, ſo unterſuche er die Cloaken der Nonnen- klöſter und er wird darin einen Vorrath von zarten Knöchlein finden nicht viel anders als in Bethlehem zu Herodes Zei- ten.“ Solche und andere Sachen birgt das Kloſterleben. Freilich machen einander die Mönche es in der Beichte bequem und dictiren ein Paternoſter für Dinge um derent- willen ſie einem Laien alle Abſolution verſagen würden gleich einem Ketzer. „Darum öffne ſich die Erde und ver- ſchlinge ſolche Verbrecher lebendig ſammt ihren Gönnern.“ An einer andern Stelle äußert Maſſuccio, weil die Macht der Mönche doch weſentlich auf der Furcht vor dem Jenſeits beruhe, einen ganz merkwürdigen Wunſch: „es gäbe keine beſſere Züchtigung für ſie, als wenn Gott recht bald das Fegefeuer aufhöbe; dann könnten ſie nicht mehr von Al- moſen leben und müßten wieder zur Hacke greifen“. 6. Abſchnitt. Die Bettel- mönche in den Novellen. Wenn man unter Ferrante und an ihn ſo ſchreiben durfte, ſo hing dieß vielleicht damit zuſammen, daß der König durch ein auf ihn gemünztes falſches Wunder er- bittert war 1). Man hatte ihn durch eine bei Tarent ver- grabene und hernach gefundene Bleitafel mit Inſchrift zu einer Judenverfolgung ähnlich der ſpaniſchen zu zwingen geſucht, und, als er den Betrug durchſchaute, ihm Trotz geboten. Auch einen falſchen Faſter hatte er entlarven laſſen, wie ſchon früher einmal ſein Vater König Alfonſo that. Der Hof hatte wenigſtens am dumpfen Aberglauben keine Mitſchuld 2). Wir haben einen Autor angehört, dem es Ernſt war, und er iſt lange nicht der einzige in ſeiner Art. Spott und Schimpf über die Bettelmönche ſind vollends maſſen- weiſe vorhanden und durchdringen die ganze Literatur. Man kann kaum daran zweifeln, daß die Renaiſſance binnen 1) Für das Folgende vgl. Jovian. Pontan. de sermone, L. II. und Bandello, Parte I, Nov. 32. 2) Weßhalb auch ſonſt in ſeiner Nähe dieß Weſen offen denuncirt wer- den durfte. Vgl. auch Jovian. Pontan.: Antonius, und Charon.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/472>, abgerufen am 27.11.2024.