6. Abschnitt.kommen konnten. Nach einer solchen Predigt starb er plötz- lich "an einem Brustwehe"; Alles kam, der Leiche die Füße zu küssen, weßhalb man sie Nachts in aller Stille begrub. Aber den neu entzündeten Geist der Weissagung, der nun selbst Weiber und Bauern ergriff, konnte man nur mit größter Mühe dämpfen. "Um die Leute wieder einiger- maßen heiter zu stimmen, veranstalteten hierauf die Medici, Giuliano (Bruder Leo's) und Lorenzo auf St. Johannis- tag 1514 jene prächtigen Feste, Jagden, Aufzüge und Tur- niere, wozu sich von Rom her außer einigen großen Herrn auch sechs Cardinäle, diese allerdings verkleidet, einfanden."
Savonarola.Der größte Bußprediger und Prophet aber war in Florenz schon 1498 verbrannt worden: Fra Girolamo Sa- vonarola von Ferrara 1). Hier müssen uns einige Winke über ihn genügen.
Das gewaltige Werkzeug, durch welches er Florenz umgestaltet und beherrscht (1494--1498), ist seine Rede, wovon die erhaltenen, meist an Ort und Stelle ungenügend nachgeschriebenen Predigten offenbar nur einen beschränkten Begriff geben. Nicht als ob die äußern Mittel seines Auf- tretens sehr groß gewesen wären, denn Stimme, Aussprache, rhetorische Redaction u. dgl. bildeten vielmehr eher die schwache Seite, und wer einen Styl- und Kunstprediger verlangte, ging zu seinem Rivalen Fra Mariano da Ghi- nazzano -- aber in Savonarola's Rede lag jene hohe per- sönliche Gewalt, welche wohl von da bis auf Luther nicht wieder vorgekommen ist. Er selber hielt es für Erleuchtung und taxirte deßhalb ohne Unbescheidenheit das Predigtamt sehr hoch: über dem Prediger folge in der großen Hierarchie der Geister unmittelbar der unterste der Engel.
Seine Ordens- reform.Diese völlig zu Feuer und Flammen gewordene Per- sönlichkeit vollbrachte zunächst noch ein anderes, größeres
1)Perrens: Jerome Savonarole, 2 voll., unter den vielen Special- werken vielleicht das methodisch bestgeordnete und nüchternste.
6. Abſchnitt.kommen konnten. Nach einer ſolchen Predigt ſtarb er plötz- lich „an einem Bruſtwehe“; Alles kam, der Leiche die Füße zu küſſen, weßhalb man ſie Nachts in aller Stille begrub. Aber den neu entzündeten Geiſt der Weiſſagung, der nun ſelbſt Weiber und Bauern ergriff, konnte man nur mit größter Mühe dämpfen. „Um die Leute wieder einiger- maßen heiter zu ſtimmen, veranſtalteten hierauf die Medici, Giuliano (Bruder Leo's) und Lorenzo auf St. Johannis- tag 1514 jene prächtigen Feſte, Jagden, Aufzüge und Tur- niere, wozu ſich von Rom her außer einigen großen Herrn auch ſechs Cardinäle, dieſe allerdings verkleidet, einfanden.“
Savonarola.Der größte Bußprediger und Prophet aber war in Florenz ſchon 1498 verbrannt worden: Fra Girolamo Sa- vonarola von Ferrara 1). Hier müſſen uns einige Winke über ihn genügen.
Das gewaltige Werkzeug, durch welches er Florenz umgeſtaltet und beherrſcht (1494—1498), iſt ſeine Rede, wovon die erhaltenen, meiſt an Ort und Stelle ungenügend nachgeſchriebenen Predigten offenbar nur einen beſchränkten Begriff geben. Nicht als ob die äußern Mittel ſeines Auf- tretens ſehr groß geweſen wären, denn Stimme, Ausſprache, rhetoriſche Redaction u. dgl. bildeten vielmehr eher die ſchwache Seite, und wer einen Styl- und Kunſtprediger verlangte, ging zu ſeinem Rivalen Fra Mariano da Ghi- nazzano — aber in Savonarola's Rede lag jene hohe per- ſönliche Gewalt, welche wohl von da bis auf Luther nicht wieder vorgekommen iſt. Er ſelber hielt es für Erleuchtung und taxirte deßhalb ohne Unbeſcheidenheit das Predigtamt ſehr hoch: über dem Prediger folge in der großen Hierarchie der Geiſter unmittelbar der unterſte der Engel.
Seine Ordens- reform.Dieſe völlig zu Feuer und Flammen gewordene Per- ſönlichkeit vollbrachte zunächſt noch ein anderes, größeres
1)Perrens: Jérôme Savonarole, 2 voll., unter den vielen Special- werken vielleicht das methodiſch beſtgeordnete und nüchternſte.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0486"n="476"/><noteplace="left"><hirendition="#b"><hirendition="#u">6. Abſchnitt.</hi></hi></note>kommen konnten. Nach einer ſolchen Predigt ſtarb er plötz-<lb/>
lich „an einem Bruſtwehe“; Alles kam, der Leiche die Füße<lb/>
zu küſſen, weßhalb man ſie Nachts in aller Stille begrub.<lb/>
Aber den neu entzündeten Geiſt der Weiſſagung, der nun<lb/>ſelbſt Weiber und Bauern ergriff, konnte man nur mit<lb/>
größter Mühe dämpfen. „Um die Leute wieder einiger-<lb/>
maßen heiter zu ſtimmen, veranſtalteten hierauf die Medici,<lb/>
Giuliano (Bruder Leo's) und Lorenzo auf St. Johannis-<lb/>
tag 1514 jene prächtigen Feſte, Jagden, Aufzüge und Tur-<lb/>
niere, wozu ſich von Rom her außer einigen großen Herrn<lb/>
auch ſechs Cardinäle, dieſe allerdings verkleidet, einfanden.“</p><lb/><p><noteplace="left">Savonarola.</note>Der größte Bußprediger und Prophet aber war in<lb/>
Florenz ſchon 1498 verbrannt worden: Fra Girolamo Sa-<lb/>
vonarola von Ferrara <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Perrens: Jérôme Savonarole, 2 voll.,</hi> unter den vielen Special-<lb/>
werken vielleicht das methodiſch beſtgeordnete und nüchternſte.</note>. Hier müſſen uns einige Winke<lb/>
über ihn genügen.</p><lb/><p>Das gewaltige Werkzeug, durch welches er Florenz<lb/>
umgeſtaltet und beherrſcht (1494—1498), iſt ſeine Rede,<lb/>
wovon die erhaltenen, meiſt an Ort und Stelle ungenügend<lb/>
nachgeſchriebenen Predigten offenbar nur einen beſchränkten<lb/>
Begriff geben. Nicht als ob die äußern Mittel ſeines Auf-<lb/>
tretens ſehr groß geweſen wären, denn Stimme, Ausſprache,<lb/>
rhetoriſche Redaction u. dgl. bildeten vielmehr eher die<lb/>ſchwache Seite, und wer einen Styl- und Kunſtprediger<lb/>
verlangte, ging zu ſeinem Rivalen Fra Mariano da Ghi-<lb/>
nazzano — aber in Savonarola's Rede lag jene hohe per-<lb/>ſönliche Gewalt, welche wohl von da bis auf Luther nicht<lb/>
wieder vorgekommen iſt. Er ſelber hielt es für Erleuchtung<lb/>
und taxirte deßhalb ohne Unbeſcheidenheit das Predigtamt<lb/>ſehr hoch: über dem Prediger folge in der großen Hierarchie<lb/>
der Geiſter unmittelbar der unterſte der Engel.</p><lb/><p><noteplace="left">Seine Ordens-<lb/>
reform.</note>Dieſe völlig zu Feuer und Flammen gewordene Per-<lb/>ſönlichkeit vollbrachte zunächſt noch ein anderes, größeres<lb/></p></div></body></text></TEI>
[476/0486]
kommen konnten. Nach einer ſolchen Predigt ſtarb er plötz-
lich „an einem Bruſtwehe“; Alles kam, der Leiche die Füße
zu küſſen, weßhalb man ſie Nachts in aller Stille begrub.
Aber den neu entzündeten Geiſt der Weiſſagung, der nun
ſelbſt Weiber und Bauern ergriff, konnte man nur mit
größter Mühe dämpfen. „Um die Leute wieder einiger-
maßen heiter zu ſtimmen, veranſtalteten hierauf die Medici,
Giuliano (Bruder Leo's) und Lorenzo auf St. Johannis-
tag 1514 jene prächtigen Feſte, Jagden, Aufzüge und Tur-
niere, wozu ſich von Rom her außer einigen großen Herrn
auch ſechs Cardinäle, dieſe allerdings verkleidet, einfanden.“
6. Abſchnitt.
Der größte Bußprediger und Prophet aber war in
Florenz ſchon 1498 verbrannt worden: Fra Girolamo Sa-
vonarola von Ferrara 1). Hier müſſen uns einige Winke
über ihn genügen.
Savonarola.
Das gewaltige Werkzeug, durch welches er Florenz
umgeſtaltet und beherrſcht (1494—1498), iſt ſeine Rede,
wovon die erhaltenen, meiſt an Ort und Stelle ungenügend
nachgeſchriebenen Predigten offenbar nur einen beſchränkten
Begriff geben. Nicht als ob die äußern Mittel ſeines Auf-
tretens ſehr groß geweſen wären, denn Stimme, Ausſprache,
rhetoriſche Redaction u. dgl. bildeten vielmehr eher die
ſchwache Seite, und wer einen Styl- und Kunſtprediger
verlangte, ging zu ſeinem Rivalen Fra Mariano da Ghi-
nazzano — aber in Savonarola's Rede lag jene hohe per-
ſönliche Gewalt, welche wohl von da bis auf Luther nicht
wieder vorgekommen iſt. Er ſelber hielt es für Erleuchtung
und taxirte deßhalb ohne Unbeſcheidenheit das Predigtamt
ſehr hoch: über dem Prediger folge in der großen Hierarchie
der Geiſter unmittelbar der unterſte der Engel.
Dieſe völlig zu Feuer und Flammen gewordene Per-
ſönlichkeit vollbrachte zunächſt noch ein anderes, größeres
Seine Ordens-
reform.
1) Perrens: Jérôme Savonarole, 2 voll., unter den vielen Special-
werken vielleicht das methodiſch beſtgeordnete und nüchternſte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/486>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.