6. Abschnitt.Schrift die Schädlichkeit der Wissenschaft im Allgemeinen zu. Eigentlich sollten, meint er, einige wenige Leute die- selbe erlernen, damit die Tradition der menschlichen Kennt- nisse nicht unterginge, besonders aber, damit immer einige Athleten zu Bekämpfung ketzerischer Sophismen vorräthig wären; alle Uebrigen dürften nicht über Grammatik, gute Sitten und Religionsunterricht (sacrae literae) hinaus. So würde natürlich die ganze Bildung wieder an Mönche zurückfallen, und da zugleich die "Wissendsten und Heilig- sten" auch Staaten und Reiche regieren sollten, so wären auch dieses wiederum Mönche. Wir wollen nicht einmal fragen, ob der Autor so weit hinaus gedacht hat.
Kindlicher kann man nicht raisonniren. Die einfache Erwägung, daß das wiederentdeckte Alterthum und die riesige Ausweitung des ganzen Gesichtskreises und Denk- kreises eine je nach Umständen ruhmvolle Feuerprobe für die Religion sein möchten, kommt dem guten Menschen nicht in den Sinn. Er möchte gern verbieten was sonst nicht zu beseitigen ist. Ueberhaupt war er nichts weniger als liberal; gegen gottlose Astrologen z. B. hält er denselben Scheiter- haufen in Bereitschaft, auf welchem er hernach selbst gestor- ben ist 1).
Wie gewaltig muß die Seele gewesen sein, die bei diesem engen Geiste wohnte! Welch ein Feuer bedurfte es, um den Bildungsenthusiasmus der Florentiner vor dieser Anschauung sich beugen zu lehren!
Seine Sitten- reform.Was sie ihm noch von Kunst und von Weltlichkeit Preis zu geben bereit waren, das zeigen jene berühmten Opferbrände, neben welchen gewiß alle talami des Ber- nardino da Siena und Anderer nur wenig besagen wollten.
Es ging dabei allerdings nicht ab ohne einige tyran- nische Polizei von Seiten Savonarola's. Ueberhaupt sind
1) Von den impii astrologi sagt er: non e da disputar (con loro) altrimenti che col fuoco.
6. Abſchnitt.Schrift die Schädlichkeit der Wiſſenſchaft im Allgemeinen zu. Eigentlich ſollten, meint er, einige wenige Leute die- ſelbe erlernen, damit die Tradition der menſchlichen Kennt- niſſe nicht unterginge, beſonders aber, damit immer einige Athleten zu Bekämpfung ketzeriſcher Sophismen vorräthig wären; alle Uebrigen dürften nicht über Grammatik, gute Sitten und Religionsunterricht (sacræ literæ) hinaus. So würde natürlich die ganze Bildung wieder an Mönche zurückfallen, und da zugleich die „Wiſſendſten und Heilig- ſten“ auch Staaten und Reiche regieren ſollten, ſo wären auch dieſes wiederum Mönche. Wir wollen nicht einmal fragen, ob der Autor ſo weit hinaus gedacht hat.
Kindlicher kann man nicht raiſonniren. Die einfache Erwägung, daß das wiederentdeckte Alterthum und die rieſige Ausweitung des ganzen Geſichtskreiſes und Denk- kreiſes eine je nach Umſtänden ruhmvolle Feuerprobe für die Religion ſein möchten, kommt dem guten Menſchen nicht in den Sinn. Er möchte gern verbieten was ſonſt nicht zu beſeitigen iſt. Ueberhaupt war er nichts weniger als liberal; gegen gottloſe Aſtrologen z. B. hält er denſelben Scheiter- haufen in Bereitſchaft, auf welchem er hernach ſelbſt geſtor- ben iſt 1).
Wie gewaltig muß die Seele geweſen ſein, die bei dieſem engen Geiſte wohnte! Welch ein Feuer bedurfte es, um den Bildungsenthuſiasmus der Florentiner vor dieſer Anſchauung ſich beugen zu lehren!
Seine Sitten- reform.Was ſie ihm noch von Kunſt und von Weltlichkeit Preis zu geben bereit waren, das zeigen jene berühmten Opferbrände, neben welchen gewiß alle talami des Ber- nardino da Siena und Anderer nur wenig beſagen wollten.
Es ging dabei allerdings nicht ab ohne einige tyran- niſche Polizei von Seiten Savonarola's. Ueberhaupt ſind
1) Von den impii astrologi ſagt er: non è da disputar (con loro) altrimenti che col fuoco.
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zu. Eigentlich ſollten, meint er, einige wenige Leute die-
ſelbe erlernen, damit die Tradition der menſchlichen Kennt-
niſſe nicht unterginge, beſonders aber, damit immer einige
Athleten zu Bekämpfung ketzeriſcher Sophismen vorräthig
wären; alle Uebrigen dürften nicht über Grammatik, gute
Sitten und Religionsunterricht (sacræ literæ) hinaus.
So würde natürlich die ganze Bildung wieder an Mönche
zurückfallen, und da zugleich die „Wiſſendſten und Heilig-
ſten“ auch Staaten und Reiche regieren ſollten, ſo wären
auch dieſes wiederum Mönche. Wir wollen nicht einmal
fragen, ob der Autor ſo weit hinaus gedacht hat.
6. Abſchnitt.
Kindlicher kann man nicht raiſonniren. Die einfache
Erwägung, daß das wiederentdeckte Alterthum und die
rieſige Ausweitung des ganzen Geſichtskreiſes und Denk-
kreiſes eine je nach Umſtänden ruhmvolle Feuerprobe für
die Religion ſein möchten, kommt dem guten Menſchen nicht
in den Sinn. Er möchte gern verbieten was ſonſt nicht zu
beſeitigen iſt. Ueberhaupt war er nichts weniger als liberal;
gegen gottloſe Aſtrologen z. B. hält er denſelben Scheiter-
haufen in Bereitſchaft, auf welchem er hernach ſelbſt geſtor-
ben iſt 1).
Wie gewaltig muß die Seele geweſen ſein, die bei
dieſem engen Geiſte wohnte! Welch ein Feuer bedurfte es,
um den Bildungsenthuſiasmus der Florentiner vor dieſer
Anſchauung ſich beugen zu lehren!
Was ſie ihm noch von Kunſt und von Weltlichkeit
Preis zu geben bereit waren, das zeigen jene berühmten
Opferbrände, neben welchen gewiß alle talami des Ber-
nardino da Siena und Anderer nur wenig beſagen wollten.
Seine Sitten-
reform.
Es ging dabei allerdings nicht ab ohne einige tyran-
niſche Polizei von Seiten Savonarola's. Ueberhaupt ſind
1) Von den impii astrologi ſagt er: non è da disputar (con loro)
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/490>, abgerufen am 25.11.2024.
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