seine Eingriffe in die hochgeschätzte Freiheit des italienischen6. Abschnitt. Privatlebens nicht gering, wie er denn z. B. Spionage der Dienerschaft gegen den Hausherrn verlangte um seine Sit- tenreform durchführen zu können. Was später in Genf dem eisernen Calvin, bei dauerndem Belagerungszustande von außen, doch nur mühsam gelang, eine Umgestaltung des öffentlichen und Privatlebens, das mußte in Florenz doch nur ein Versuch bleiben und als solcher die Gegner auf das Aeußerste erbittern. Dahin gehört vor Allem die von Savonarola organisirte Schaar von Knaben, welche in die Häuser drangen und die für den Scheiterhaufen geeig- neten Gegenstände mit Gewalt verlangten; sie wurden hie und da mit Schlägen abgewiesen, da gab man ihnen, um die Fiction einer heranwachsenden heiligen Bürgerschaft dennoch zu behaupten, Erwachsene als Beschützer mit.
Und so konnten am letzten Carnevalstage des JahresDie Opferbrände. 1497 und an demselben Tage des folgenden Jahres die großen Autodafes auf dem Signorenplatz stattfinden. Da ragte eine Stufenpyramide, ähnlich dem rogus, auf welchem römische Imperatorenleichen verbrannt zu werden pflegten. Unten zunächst der Basis waren Larven, falsche Bärte, Maskenkleider u. dgl. gruppirt; drüber folgten die Bücher der lateinischen und italienischen Dichter, unter andern der Morgante des Pulci, der Boccaccio, der Petrarca, zum Theil kostbare Pergamentdrucke und Manuscripte mit Miniaturen; dann Zierden und Toilettengeräthe der Frauen, Parfüms, Spiegel, Schleier, Haartouren; weiter oben Lauten, Harfen, Schachbretter, Trictracs, Spielkarten; endlich enthielten die beiden obersten Absätze lauter Gemälde, besonders von weiblichen Schönheiten, theils unter den classischen Namen der Lucretia, Cleopatra, Faustina, theils unmittelbare Por- träts wie die der schönen Bencina, Lena Morella, Bina und Maria de' Lenzi. Das erstemal bot ein anwesender venezianischer Kaufmann der Signorie 20,000 Goldthaler für den Inhalt der Pyramide; die einzige Antwort war,
Cultur der Renaissance. 31
ſeine Eingriffe in die hochgeſchätzte Freiheit des italieniſchen6. Abſchnitt. Privatlebens nicht gering, wie er denn z. B. Spionage der Dienerſchaft gegen den Hausherrn verlangte um ſeine Sit- tenreform durchführen zu können. Was ſpäter in Genf dem eiſernen Calvin, bei dauerndem Belagerungszuſtande von außen, doch nur mühſam gelang, eine Umgeſtaltung des öffentlichen und Privatlebens, das mußte in Florenz doch nur ein Verſuch bleiben und als ſolcher die Gegner auf das Aeußerſte erbittern. Dahin gehört vor Allem die von Savonarola organiſirte Schaar von Knaben, welche in die Häuſer drangen und die für den Scheiterhaufen geeig- neten Gegenſtände mit Gewalt verlangten; ſie wurden hie und da mit Schlägen abgewieſen, da gab man ihnen, um die Fiction einer heranwachſenden heiligen Bürgerſchaft dennoch zu behaupten, Erwachſene als Beſchützer mit.
Und ſo konnten am letzten Carnevalstage des JahresDie Opferbrände. 1497 und an demſelben Tage des folgenden Jahres die großen Autodafes auf dem Signorenplatz ſtattfinden. Da ragte eine Stufenpyramide, ähnlich dem rogus, auf welchem römiſche Imperatorenleichen verbrannt zu werden pflegten. Unten zunächſt der Baſis waren Larven, falſche Bärte, Maskenkleider u. dgl. gruppirt; drüber folgten die Bücher der lateiniſchen und italieniſchen Dichter, unter andern der Morgante des Pulci, der Boccaccio, der Petrarca, zum Theil koſtbare Pergamentdrucke und Manuſcripte mit Miniaturen; dann Zierden und Toilettengeräthe der Frauen, Parfüms, Spiegel, Schleier, Haartouren; weiter oben Lauten, Harfen, Schachbretter, Trictracs, Spielkarten; endlich enthielten die beiden oberſten Abſätze lauter Gemälde, beſonders von weiblichen Schönheiten, theils unter den claſſiſchen Namen der Lucretia, Cleopatra, Fauſtina, theils unmittelbare Por- träts wie die der ſchönen Bencina, Lena Morella, Bina und Maria de' Lenzi. Das erſtemal bot ein anweſender venezianiſcher Kaufmann der Signorie 20,000 Goldthaler für den Inhalt der Pyramide; die einzige Antwort war,
Cultur der Renaiſſance. 31
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ſeine Eingriffe in die hochgeſchätzte Freiheit des italieniſchen
Privatlebens nicht gering, wie er denn z. B. Spionage der
Dienerſchaft gegen den Hausherrn verlangte um ſeine Sit-
tenreform durchführen zu können. Was ſpäter in Genf
dem eiſernen Calvin, bei dauerndem Belagerungszuſtande
von außen, doch nur mühſam gelang, eine Umgeſtaltung
des öffentlichen und Privatlebens, das mußte in Florenz
doch nur ein Verſuch bleiben und als ſolcher die Gegner
auf das Aeußerſte erbittern. Dahin gehört vor Allem die
von Savonarola organiſirte Schaar von Knaben, welche in
die Häuſer drangen und die für den Scheiterhaufen geeig-
neten Gegenſtände mit Gewalt verlangten; ſie wurden hie
und da mit Schlägen abgewieſen, da gab man ihnen, um
die Fiction einer heranwachſenden heiligen Bürgerſchaft
dennoch zu behaupten, Erwachſene als Beſchützer mit.
6. Abſchnitt.
Und ſo konnten am letzten Carnevalstage des Jahres
1497 und an demſelben Tage des folgenden Jahres die
großen Autodafes auf dem Signorenplatz ſtattfinden. Da
ragte eine Stufenpyramide, ähnlich dem rogus, auf welchem
römiſche Imperatorenleichen verbrannt zu werden pflegten.
Unten zunächſt der Baſis waren Larven, falſche Bärte,
Maskenkleider u. dgl. gruppirt; drüber folgten die Bücher
der lateiniſchen und italieniſchen Dichter, unter andern der
Morgante des Pulci, der Boccaccio, der Petrarca, zum Theil
koſtbare Pergamentdrucke und Manuſcripte mit Miniaturen;
dann Zierden und Toilettengeräthe der Frauen, Parfüms,
Spiegel, Schleier, Haartouren; weiter oben Lauten, Harfen,
Schachbretter, Trictracs, Spielkarten; endlich enthielten die
beiden oberſten Abſätze lauter Gemälde, beſonders von
weiblichen Schönheiten, theils unter den claſſiſchen Namen
der Lucretia, Cleopatra, Fauſtina, theils unmittelbare Por-
träts wie die der ſchönen Bencina, Lena Morella, Bina
und Maria de' Lenzi. Das erſtemal bot ein anweſender
venezianiſcher Kaufmann der Signorie 20,000 Goldthaler
für den Inhalt der Pyramide; die einzige Antwort war,
Die
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/491>, abgerufen am 25.11.2024.
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