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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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6. Abschnitt.daß man ihn ebenfalls porträtiren und das Bild zu den
übrigen hinauf stellen ließ. Beim Anzünden trat die Sig-
norie auf den Balcon; Gesang, Trompetenschall und Glocken-
geläute erfüllte die Lüfte. Nachher zog man auf den Platz
vor S. Marco, wo die ganze Partei eine dreifache con-
centrische Runde tanzte: zu innerst die Mönche dieses Klosters
abwechselnd mit Engelknaben, dann junge Geistliche und
Laien, zu äußerst endlich Greise, Bürger und Priester, diese
mit Olivenzweigen bekränzt.

Der ganze Spott der siegreichen Gegenpartei, die doch
wahrlich einigen Anlaß und überdieß das Talent dazu
hatte, genügte später doch nicht, um das Andenken Savo-
narola's herabzusetzen. Je trauriger die Schicksale Ita-
liens sich entwickelten, desto heller verklärte sich im Gedächtniß
der Ueberlebenden die Gestalt des großen Mönches und
Propheten. Seine Weissagungen mochten im Einzelnen
unbewährt geblieben sein -- daß große allgemeine Unheil,
das er verkündet hatte, war nur zu schrecklich in Erfüllung
gegangen.

So groß aber die Wirkung der Bußprediger war und
so deutlich Savonarola dem Mönchsstande als solchem das
rettende Predigtamt vindicirte 1), so wenig entging dieser
Stand doch dem allgemeinen verwerfenden Urtheil. Italien
gab zu verstehen, daß es sich nur für die Individuen be-
geistern könne.


Stärke des al-
ten Glaubens.
Wenn man nun die Stärke des alten Glaubens, ab-
gesehen von Priesterwesen und Mönchthum, verificiren soll,
so kann dieselbe bald sehr gering, bald sehr bedeutend er-
scheinen, je nachdem man sie von einer bestimmten Seite,
in einem bestimmten Lichte anschaut. Von der Unentbehrlichkeit

1) S. die Stelle aus der 14ten Predigt über Ezechiel, bei Perrens,
l. c., vol. I, pag. 30, Nota.

6. Abſchnitt.daß man ihn ebenfalls porträtiren und das Bild zu den
übrigen hinauf ſtellen ließ. Beim Anzünden trat die Sig-
norie auf den Balcon; Geſang, Trompetenſchall und Glocken-
geläute erfüllte die Lüfte. Nachher zog man auf den Platz
vor S. Marco, wo die ganze Partei eine dreifache con-
centriſche Runde tanzte: zu innerſt die Mönche dieſes Kloſters
abwechſelnd mit Engelknaben, dann junge Geiſtliche und
Laien, zu äußerſt endlich Greiſe, Bürger und Prieſter, dieſe
mit Olivenzweigen bekränzt.

Der ganze Spott der ſiegreichen Gegenpartei, die doch
wahrlich einigen Anlaß und überdieß das Talent dazu
hatte, genügte ſpäter doch nicht, um das Andenken Savo-
narola's herabzuſetzen. Je trauriger die Schickſale Ita-
liens ſich entwickelten, deſto heller verklärte ſich im Gedächtniß
der Ueberlebenden die Geſtalt des großen Mönches und
Propheten. Seine Weiſſagungen mochten im Einzelnen
unbewährt geblieben ſein — daß große allgemeine Unheil,
das er verkündet hatte, war nur zu ſchrecklich in Erfüllung
gegangen.

So groß aber die Wirkung der Bußprediger war und
ſo deutlich Savonarola dem Mönchsſtande als ſolchem das
rettende Predigtamt vindicirte 1), ſo wenig entging dieſer
Stand doch dem allgemeinen verwerfenden Urtheil. Italien
gab zu verſtehen, daß es ſich nur für die Individuen be-
geiſtern könne.


Stärke des al-
ten Glaubens.
Wenn man nun die Stärke des alten Glaubens, ab-
geſehen von Prieſterweſen und Mönchthum, verificiren ſoll,
ſo kann dieſelbe bald ſehr gering, bald ſehr bedeutend er-
ſcheinen, je nachdem man ſie von einer beſtimmten Seite,
in einem beſtimmten Lichte anſchaut. Von der Unentbehrlichkeit

1) S. die Stelle aus der 14ten Predigt über Ezechiel, bei Perrens,
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[482/0492] daß man ihn ebenfalls porträtiren und das Bild zu den übrigen hinauf ſtellen ließ. Beim Anzünden trat die Sig- norie auf den Balcon; Geſang, Trompetenſchall und Glocken- geläute erfüllte die Lüfte. Nachher zog man auf den Platz vor S. Marco, wo die ganze Partei eine dreifache con- centriſche Runde tanzte: zu innerſt die Mönche dieſes Kloſters abwechſelnd mit Engelknaben, dann junge Geiſtliche und Laien, zu äußerſt endlich Greiſe, Bürger und Prieſter, dieſe mit Olivenzweigen bekränzt. 6. Abſchnitt. Der ganze Spott der ſiegreichen Gegenpartei, die doch wahrlich einigen Anlaß und überdieß das Talent dazu hatte, genügte ſpäter doch nicht, um das Andenken Savo- narola's herabzuſetzen. Je trauriger die Schickſale Ita- liens ſich entwickelten, deſto heller verklärte ſich im Gedächtniß der Ueberlebenden die Geſtalt des großen Mönches und Propheten. Seine Weiſſagungen mochten im Einzelnen unbewährt geblieben ſein — daß große allgemeine Unheil, das er verkündet hatte, war nur zu ſchrecklich in Erfüllung gegangen. So groß aber die Wirkung der Bußprediger war und ſo deutlich Savonarola dem Mönchsſtande als ſolchem das rettende Predigtamt vindicirte 1), ſo wenig entging dieſer Stand doch dem allgemeinen verwerfenden Urtheil. Italien gab zu verſtehen, daß es ſich nur für die Individuen be- geiſtern könne. Wenn man nun die Stärke des alten Glaubens, ab- geſehen von Prieſterweſen und Mönchthum, verificiren ſoll, ſo kann dieſelbe bald ſehr gering, bald ſehr bedeutend er- ſcheinen, je nachdem man ſie von einer beſtimmten Seite, in einem beſtimmten Lichte anſchaut. Von der Unentbehrlichkeit Stärke des al- ten Glaubens. 1) S. die Stelle aus der 14ten Predigt über Ezechiel, bei Perrens, l. c., vol. I, pag. 30, Nota.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/492>, abgerufen am 25.11.2024.