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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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zu haben scheint als alle Bußpredigten, von welchen diese6. Abschnitt.
Leute oft nicht mehr erreicht wurden.

Vor Allem verleidete er den Astrologen die weitereDeren
Wirkung.

Publication ihrer Lehrgebäude 1), und die welche bisher
dergleichen hatten drucken lassen, schämten sich mehr oder
weniger. Gioviano Pontano z. B. hatte in seinem Buche
"vom Schicksal" (S. 508) die ganze Wahnwissenschaft an-
erkannt und sie in einem eigenen großen Werke 2) theoretisch
in der Art des alten Firmicus vorgetragen; jetzt, in seinem
Dialog "Aegidius" giebt er zwar nicht die Astrologie, wohl
aber die Astrologen Preis, rühmt den freien Willen und
beschränkt den Einfluß der Sterne auf die körperlichen
Dinge. Die Sache blieb in Uebung, aber sie scheint doch
nicht mehr das Leben so beherrscht zu haben wie früher.
Die Malerei, welche im XV. Jahrhundert den Wahn nach
Kräften verherrlicht hatte, spricht nun die veränderte Denk-
weise aus: Rafael in der Kuppel der Capelle Chigi 3) stellt
ringsum die Planetengötter und den Fixsternhimmel dar,
aber bewacht und geleitet von herrlichen Engelgestalten,
und von oben herab gesegnet durch den ewigen Vater. Noch
ein anderes Element scheint der Astrologie in Italien feind-
lich gewesen zu sein: die Spanier hatten keinen Theil daran,
auch ihre Generale nicht, und wer sich bei ihnen in Gunst
setzen wollte 4), bekannte sich auch wohl ganz offen als Feind

1) Laut Paul. Jov. Elog. lit., sub tit. Jo. Picus, war seine Wirkung
diese, ut subtilium disciplinarum professores a scribendo de-
terruisse videatur.
2) De rebus coelestibus.
3) In S. Maria del popolo zu Rom. -- Die Engel erinnern an die
Theorie Dante's zu Anfang des Convito.
4) Dieß ist wohl der Fall mit Antonio Galateo, der in einem Brief
an Ferdinand den Catholischen (Mai, spicileg. rom. vol. VIII,
p.
226, vom J. 1510) die Astrologie heftig verläugnet, in einem
andern Brief an den Grafen von Potenza jedoch (ibid., p. 539)
aus den Sternen schließt, daß die Türken heuer Rhodus angreifen
würden.

zu haben ſcheint als alle Bußpredigten, von welchen dieſe6. Abſchnitt.
Leute oft nicht mehr erreicht wurden.

Vor Allem verleidete er den Aſtrologen die weitereDeren
Wirkung.

Publication ihrer Lehrgebäude 1), und die welche bisher
dergleichen hatten drucken laſſen, ſchämten ſich mehr oder
weniger. Gioviano Pontano z. B. hatte in ſeinem Buche
„vom Schickſal“ (S. 508) die ganze Wahnwiſſenſchaft an-
erkannt und ſie in einem eigenen großen Werke 2) theoretiſch
in der Art des alten Firmicus vorgetragen; jetzt, in ſeinem
Dialog „Aegidius“ giebt er zwar nicht die Aſtrologie, wohl
aber die Aſtrologen Preis, rühmt den freien Willen und
beſchränkt den Einfluß der Sterne auf die körperlichen
Dinge. Die Sache blieb in Uebung, aber ſie ſcheint doch
nicht mehr das Leben ſo beherrſcht zu haben wie früher.
Die Malerei, welche im XV. Jahrhundert den Wahn nach
Kräften verherrlicht hatte, ſpricht nun die veränderte Denk-
weiſe aus: Rafael in der Kuppel der Capelle Chigi 3) ſtellt
ringsum die Planetengötter und den Fixſternhimmel dar,
aber bewacht und geleitet von herrlichen Engelgeſtalten,
und von oben herab geſegnet durch den ewigen Vater. Noch
ein anderes Element ſcheint der Aſtrologie in Italien feind-
lich geweſen zu ſein: die Spanier hatten keinen Theil daran,
auch ihre Generale nicht, und wer ſich bei ihnen in Gunſt
ſetzen wollte 4), bekannte ſich auch wohl ganz offen als Feind

1) Laut Paul. Jov. Elog. lit., sub tit. Jo. Picus, war ſeine Wirkung
dieſe, ut subtilium disciplinarum professores a scribendo de-
terruisse videatur.
2) De rebus cœlestibus.
3) In S. Maria del popolo zu Rom. — Die Engel erinnern an die
Theorie Dante's zu Anfang des Convito.
4) Dieß iſt wohl der Fall mit Antonio Galateo, der in einem Brief
an Ferdinand den Catholiſchen (Mai, spicileg. rom. vol. VIII,
p.
226, vom J. 1510) die Aſtrologie heftig verläugnet, in einem
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[523/0533] zu haben ſcheint als alle Bußpredigten, von welchen dieſe Leute oft nicht mehr erreicht wurden. 6. Abſchnitt. Vor Allem verleidete er den Aſtrologen die weitere Publication ihrer Lehrgebäude 1), und die welche bisher dergleichen hatten drucken laſſen, ſchämten ſich mehr oder weniger. Gioviano Pontano z. B. hatte in ſeinem Buche „vom Schickſal“ (S. 508) die ganze Wahnwiſſenſchaft an- erkannt und ſie in einem eigenen großen Werke 2) theoretiſch in der Art des alten Firmicus vorgetragen; jetzt, in ſeinem Dialog „Aegidius“ giebt er zwar nicht die Aſtrologie, wohl aber die Aſtrologen Preis, rühmt den freien Willen und beſchränkt den Einfluß der Sterne auf die körperlichen Dinge. Die Sache blieb in Uebung, aber ſie ſcheint doch nicht mehr das Leben ſo beherrſcht zu haben wie früher. Die Malerei, welche im XV. Jahrhundert den Wahn nach Kräften verherrlicht hatte, ſpricht nun die veränderte Denk- weiſe aus: Rafael in der Kuppel der Capelle Chigi 3) ſtellt ringsum die Planetengötter und den Fixſternhimmel dar, aber bewacht und geleitet von herrlichen Engelgeſtalten, und von oben herab geſegnet durch den ewigen Vater. Noch ein anderes Element ſcheint der Aſtrologie in Italien feind- lich geweſen zu ſein: die Spanier hatten keinen Theil daran, auch ihre Generale nicht, und wer ſich bei ihnen in Gunſt ſetzen wollte 4), bekannte ſich auch wohl ganz offen als Feind Deren Wirkung. 1) Laut Paul. Jov. Elog. lit., sub tit. Jo. Picus, war ſeine Wirkung dieſe, ut subtilium disciplinarum professores a scribendo de- terruisse videatur. 2) De rebus cœlestibus. 3) In S. Maria del popolo zu Rom. — Die Engel erinnern an die Theorie Dante's zu Anfang des Convito. 4) Dieß iſt wohl der Fall mit Antonio Galateo, der in einem Brief an Ferdinand den Catholiſchen (Mai, spicileg. rom. vol. VIII, p. 226, vom J. 1510) die Aſtrologie heftig verläugnet, in einem andern Brief an den Grafen von Potenza jedoch (ibid., p. 539) aus den Sternen ſchließt, daß die Türken heuer Rhodus angreifen würden.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/533>, abgerufen am 24.11.2024.