scheinungen Verstorbener, und wenn die Anschauung von6. Abschnitt. der nordischen etwas abweicht, so verräth sich dieß höchstens durch den antiken Namen ombra. Wenn sich noch heute ein solcher Schatten erzeigt, so läßt man ein paar Messen für seine Ruhe lesen. Daß die Seelen böser Menschen in furchtbarer Gestalt erscheinen, versteht sich von selbst, doch geht daneben noch eine besondere Ansicht einher, wonach die Gespenster Verstorbener überhaupt bösartig wären. Die Todten bringen die kleinen Kinder um, meint der Caplan bei Bandello 1). Wahrscheinlich trennt er hiebei in Ge- danken noch einen besondern Schatten von der Seele, denn diese büßt ja im Fegefeuer und wo sie erscheint, pflegt sie nur zu flehen und zu jammern. Andere Male ist, was erscheint, nicht sowohl das Schattenbild eines bestimmten Menschen als das eines Ereignisses, eines vergangenen Zu- standes. So erklären die Nachbarn den Teufelsspuk im alten viscontinischen Palast bei S. Giovanni in Conca zu Mailand; hier habe einst Bernabo Visconti unzählige Opfer seiner Tyrannei foltern und erdrosseln lassen, und es sei kein Wunder wenn sich etwas erzeige 2). Einem un- getreuen Armenhausverwalter zu Perugia erschien eines Abends, als er Geld zählte, ein Schwarm von Armen mit Lichtern in den Händen und tanzten vor ihm herum; eine große Gestalt aber führte drohend das Wort für sie, es war S. Alo, der Schutzheilige des Armenhauses 3). -- Diese Anschauungen verstanden sich so sehr von selbst, daß auch Dichter ein allgemein gültiges Motiv darin finden konnten.
1)Molte fiate i morti guastano le creature. Bandello II, Nov. 1.
2)Bandello III, Nov. 20. Freilich war es nur ein Amant, der den Gemahl seiner Dame, den Bewohner des Palastes, erschrecken wollte. Er und die Seinigen verkleideten sich in Teufel; Einen, der alle Thierstimmen nachmachen konnte, hatte er sogar von auswärts kom- men lassen.
3)Graziani, arch. stor. XVI, I, p. 640. ad a. 1467. Der Verwalter starb vor Schrecken.
Cultur der Renaissance. 34
ſcheinungen Verſtorbener, und wenn die Anſchauung von6. Abſchnitt. der nordiſchen etwas abweicht, ſo verräth ſich dieß höchſtens durch den antiken Namen ombra. Wenn ſich noch heute ein ſolcher Schatten erzeigt, ſo läßt man ein paar Meſſen für ſeine Ruhe leſen. Daß die Seelen böſer Menſchen in furchtbarer Geſtalt erſcheinen, verſteht ſich von ſelbſt, doch geht daneben noch eine beſondere Anſicht einher, wonach die Geſpenſter Verſtorbener überhaupt bösartig wären. Die Todten bringen die kleinen Kinder um, meint der Caplan bei Bandello 1). Wahrſcheinlich trennt er hiebei in Ge- danken noch einen beſondern Schatten von der Seele, denn dieſe büßt ja im Fegefeuer und wo ſie erſcheint, pflegt ſie nur zu flehen und zu jammern. Andere Male iſt, was erſcheint, nicht ſowohl das Schattenbild eines beſtimmten Menſchen als das eines Ereigniſſes, eines vergangenen Zu- ſtandes. So erklären die Nachbarn den Teufelsſpuk im alten viscontiniſchen Palaſt bei S. Giovanni in Conca zu Mailand; hier habe einſt Bernabò Visconti unzählige Opfer ſeiner Tyrannei foltern und erdroſſeln laſſen, und es ſei kein Wunder wenn ſich etwas erzeige 2). Einem un- getreuen Armenhausverwalter zu Perugia erſchien eines Abends, als er Geld zählte, ein Schwarm von Armen mit Lichtern in den Händen und tanzten vor ihm herum; eine große Geſtalt aber führte drohend das Wort für ſie, es war S. Alò, der Schutzheilige des Armenhauſes 3). — Dieſe Anſchauungen verſtanden ſich ſo ſehr von ſelbſt, daß auch Dichter ein allgemein gültiges Motiv darin finden konnten.
1)Molte fiate i morti guastano le creature. Bandello II, Nov. 1.
2)Bandello III, Nov. 20. Freilich war es nur ein Amant, der den Gemahl ſeiner Dame, den Bewohner des Palaſtes, erſchrecken wollte. Er und die Seinigen verkleideten ſich in Teufel; Einen, der alle Thierſtimmen nachmachen konnte, hatte er ſogar von auswärts kom- men laſſen.
3)Graziani, arch. stor. XVI, I, p. 640. ad a. 1467. Der Verwalter ſtarb vor Schrecken.
Cultur der Renaiſſance. 34
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für ſeine Ruhe leſen. Daß die Seelen böſer Menſchen
in furchtbarer Geſtalt erſcheinen, verſteht ſich von ſelbſt,
doch geht daneben noch eine beſondere Anſicht einher, wonach
die Geſpenſter Verſtorbener überhaupt bösartig wären. Die
Todten bringen die kleinen Kinder um, meint der Caplan
bei Bandello 1). Wahrſcheinlich trennt er hiebei in Ge-
danken noch einen beſondern Schatten von der Seele, denn
dieſe büßt ja im Fegefeuer und wo ſie erſcheint, pflegt ſie
nur zu flehen und zu jammern. Andere Male iſt, was
erſcheint, nicht ſowohl das Schattenbild eines beſtimmten
Menſchen als das eines Ereigniſſes, eines vergangenen Zu-
ſtandes. So erklären die Nachbarn den Teufelsſpuk im
alten viscontiniſchen Palaſt bei S. Giovanni in Conca zu
Mailand; hier habe einſt Bernabò Visconti unzählige
Opfer ſeiner Tyrannei foltern und erdroſſeln laſſen, und
es ſei kein Wunder wenn ſich etwas erzeige 2). Einem un-
getreuen Armenhausverwalter zu Perugia erſchien eines
Abends, als er Geld zählte, ein Schwarm von Armen mit
Lichtern in den Händen und tanzten vor ihm herum; eine
große Geſtalt aber führte drohend das Wort für ſie, es
war S. Alò, der Schutzheilige des Armenhauſes 3). — Dieſe
Anſchauungen verſtanden ſich ſo ſehr von ſelbſt, daß auch
Dichter ein allgemein gültiges Motiv darin finden konnten.
6. Abſchnitt.
1) Molte fiate i morti guastano le creature. Bandello II, Nov. 1.
2) Bandello III, Nov. 20. Freilich war es nur ein Amant, der den
Gemahl ſeiner Dame, den Bewohner des Palaſtes, erſchrecken wollte.
Er und die Seinigen verkleideten ſich in Teufel; Einen, der alle
Thierſtimmen nachmachen konnte, hatte er ſogar von auswärts kom-
men laſſen.
3) Graziani, arch. stor. XVI, I, p. 640. ad a. 1467. Der Verwalter
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/539>, abgerufen am 24.11.2024.
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