Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

In einem, der Nacheiferungsgesellschaft (societe d'emulation) von Abbeville erstatteten Berichte drückt sich Herr Baroche, Präsident derselben, also aus: "Die Bevölkerungen sittlicher zu machen, ist ein Gegenstand, worauf das Nachdenken und das Streben unseres Nacheiferungsvereins von jeher gerichtet gewesen ist. Zu diesem glücklichen Resultate führen zwei Mittel: zu belohnen und zu bestrafen. Gerne hätte man sich der Nothwendigkeit, zu dem zweiten Mittel seine Zuflucht zu nehmen, überhoben gesehen; aber das einflußreichste unter allen Lastern, die Trunksucht, macht mit jedem Tage, besonders unter den jüngern Arbeitern in den Werkstätten, erschreckendere Fortschritte, und es hat daher die Mustergesellschaft, mit Muth sich waffnend, nicht länger angestanden, bei der Regierung um ein Gesetz zur Unterdrückung dieses Lasters, der Ursache so vieler Mordthaten, der Quelle so vieler Unordnungen im bürgerlichen Leben, nachzusuchen. Sie hat dabei die zur Gewohnheit gewordene Trunkenheit mit in die Classe der Vergehen gestellt, und wenn man die Wirkungen dieser unseligen Angewöhnung, und wie gefährlich dabei das gegebene Beispiel ist, in Erwägung zieht, so kann man dieses Urtheil in der That nicht für zu streng erachten. *)

Die härteste Strafe indeß, diejenige, welche die Gesellschaft am Häufigsten angewendet zu sehen wünscht und worauf sie große Hoffnung setzt, sei die Entziehung der bürgerlichen Rechte. Es ist dieß eine

*) Was hier eben gesagt worden, paßt auch mehr oder weniger für die Städte in den deutschen Weinländern. In den deutschen Bierländern dagegen würde gewiß mancher Arme, der sich des theuren Bieres wegen dem Schnapse zugewendet hat, gerne zu jenem gesunden Genußmittel zurückkehren, wenn die städtischen Behörden überall darauf bedacht wären, das Braucommunen-Unwesen abzuschaffen oder durch leichtere Ertheilung von Concessionen zur Errichtung neuer Brauereien und neuer Ausschankhäuser eine wolthätige Concurrenz zu begründen, was dann nicht nur die Verbesserung des Bieres, sondern auch, die Hauptsache, dessen Verwohlfeilerung zur nothwendigen Folge haben müßte.
(Anmerk. d. Uebersetzers.)

In einem, der Nacheiferungsgesellschaft (société d’émulation) von Abbeville erstatteten Berichte drückt sich Herr Baroche, Präsident derselben, also aus: „Die Bevölkerungen sittlicher zu machen, ist ein Gegenstand, worauf das Nachdenken und das Streben unseres Nacheiferungsvereins von jeher gerichtet gewesen ist. Zu diesem glücklichen Resultate führen zwei Mittel: zu belohnen und zu bestrafen. Gerne hätte man sich der Nothwendigkeit, zu dem zweiten Mittel seine Zuflucht zu nehmen, überhoben gesehen; aber das einflußreichste unter allen Lastern, die Trunksucht, macht mit jedem Tage, besonders unter den jüngern Arbeitern in den Werkstätten, erschreckendere Fortschritte, und es hat daher die Mustergesellschaft, mit Muth sich waffnend, nicht länger angestanden, bei der Regierung um ein Gesetz zur Unterdrückung dieses Lasters, der Ursache so vieler Mordthaten, der Quelle so vieler Unordnungen im bürgerlichen Leben, nachzusuchen. Sie hat dabei die zur Gewohnheit gewordene Trunkenheit mit in die Classe der Vergehen gestellt, und wenn man die Wirkungen dieser unseligen Angewöhnung, und wie gefährlich dabei das gegebene Beispiel ist, in Erwägung zieht, so kann man dieses Urtheil in der That nicht für zu streng erachten. *)

Die härteste Strafe indeß, diejenige, welche die Gesellschaft am Häufigsten angewendet zu sehen wünscht und worauf sie große Hoffnung setzt, sei die Entziehung der bürgerlichen Rechte. Es ist dieß eine

*) Was hier eben gesagt worden, paßt auch mehr oder weniger für die Städte in den deutschen Weinländern. In den deutschen Bierländern dagegen würde gewiß mancher Arme, der sich des theuren Bieres wegen dem Schnapse zugewendet hat, gerne zu jenem gesunden Genußmittel zurückkehren, wenn die städtischen Behörden überall darauf bedacht wären, das Braucommunen-Unwesen abzuschaffen oder durch leichtere Ertheilung von Concessionen zur Errichtung neuer Brauereien und neuer Ausschankhäuser eine wolthätige Concurrenz zu begründen, was dann nicht nur die Verbesserung des Bieres, sondern auch, die Hauptsache, dessen Verwohlfeilerung zur nothwendigen Folge haben müßte.
(Anmerk. d. Uebersetzers.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0073" n="63"/>
        <p> In einem, der Nacheiferungsgesellschaft (<hi rendition="#aq">société                         d&#x2019;émulation</hi>) von Abbeville erstatteten Berichte drückt sich Herr                     Baroche, Präsident derselben, also aus: &#x201E;Die Bevölkerungen sittlicher zu machen,                     ist ein Gegenstand, worauf das Nachdenken und das Streben unseres                     Nacheiferungsvereins von jeher gerichtet gewesen ist. Zu diesem glücklichen                     Resultate führen zwei Mittel: zu belohnen und zu bestrafen. Gerne hätte man sich                     der Nothwendigkeit, zu dem zweiten Mittel seine Zuflucht zu nehmen, überhoben                     gesehen; aber das einflußreichste unter allen Lastern, die Trunksucht, macht mit                     jedem Tage, besonders unter den jüngern Arbeitern in den Werkstätten,                     erschreckendere Fortschritte, und es hat daher die Mustergesellschaft, mit Muth                     sich waffnend, nicht länger angestanden, bei der Regierung um ein Gesetz zur                     Unterdrückung dieses Lasters, der Ursache so vieler Mordthaten, der Quelle so                     vieler Unordnungen im bürgerlichen Leben, nachzusuchen. Sie hat dabei die zur                     Gewohnheit gewordene Trunkenheit mit in die Classe der Vergehen gestellt, und                     wenn man die Wirkungen dieser unseligen Angewöhnung, und wie gefährlich dabei                     das gegebene Beispiel ist, in Erwägung zieht, so kann man dieses Urtheil in der                     That nicht für zu streng erachten. <note place="foot" n="*)">Was hier eben                         gesagt worden, paßt auch mehr oder weniger für die Städte in den deutschen                         Weinländern. In den deutschen Bierländern dagegen würde gewiß mancher Arme,                         der sich des theuren Bieres wegen dem Schnapse zugewendet hat, gerne zu                         jenem gesunden Genußmittel zurückkehren, wenn die städtischen Behörden                         überall darauf bedacht wären, das Braucommunen-Unwesen abzuschaffen oder                         durch leichtere Ertheilung von Concessionen zur Errichtung neuer Brauereien                         und neuer Ausschankhäuser eine wolthätige Concurrenz zu begründen, was dann                         nicht nur die Verbesserung des Bieres, sondern auch, die Hauptsache, dessen                         Verwohlfeilerung zur nothwendigen Folge haben müßte.<lb/><hi rendition="#right"> (Anmerk. d. Uebersetzers.) </hi></note></p>
        <p>Die härteste Strafe indeß, diejenige, welche die Gesellschaft am Häufigsten                     angewendet zu sehen wünscht und worauf sie große Hoffnung setzt, <hi rendition="#g">sei die Entziehung der bürgerlichen Rechte</hi>. Es ist dieß                     eine
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0073] In einem, der Nacheiferungsgesellschaft (société d’émulation) von Abbeville erstatteten Berichte drückt sich Herr Baroche, Präsident derselben, also aus: „Die Bevölkerungen sittlicher zu machen, ist ein Gegenstand, worauf das Nachdenken und das Streben unseres Nacheiferungsvereins von jeher gerichtet gewesen ist. Zu diesem glücklichen Resultate führen zwei Mittel: zu belohnen und zu bestrafen. Gerne hätte man sich der Nothwendigkeit, zu dem zweiten Mittel seine Zuflucht zu nehmen, überhoben gesehen; aber das einflußreichste unter allen Lastern, die Trunksucht, macht mit jedem Tage, besonders unter den jüngern Arbeitern in den Werkstätten, erschreckendere Fortschritte, und es hat daher die Mustergesellschaft, mit Muth sich waffnend, nicht länger angestanden, bei der Regierung um ein Gesetz zur Unterdrückung dieses Lasters, der Ursache so vieler Mordthaten, der Quelle so vieler Unordnungen im bürgerlichen Leben, nachzusuchen. Sie hat dabei die zur Gewohnheit gewordene Trunkenheit mit in die Classe der Vergehen gestellt, und wenn man die Wirkungen dieser unseligen Angewöhnung, und wie gefährlich dabei das gegebene Beispiel ist, in Erwägung zieht, so kann man dieses Urtheil in der That nicht für zu streng erachten. *) Die härteste Strafe indeß, diejenige, welche die Gesellschaft am Häufigsten angewendet zu sehen wünscht und worauf sie große Hoffnung setzt, sei die Entziehung der bürgerlichen Rechte. Es ist dieß eine *) Was hier eben gesagt worden, paßt auch mehr oder weniger für die Städte in den deutschen Weinländern. In den deutschen Bierländern dagegen würde gewiß mancher Arme, der sich des theuren Bieres wegen dem Schnapse zugewendet hat, gerne zu jenem gesunden Genußmittel zurückkehren, wenn die städtischen Behörden überall darauf bedacht wären, das Braucommunen-Unwesen abzuschaffen oder durch leichtere Ertheilung von Concessionen zur Errichtung neuer Brauereien und neuer Ausschankhäuser eine wolthätige Concurrenz zu begründen, was dann nicht nur die Verbesserung des Bieres, sondern auch, die Hauptsache, dessen Verwohlfeilerung zur nothwendigen Folge haben müßte. (Anmerk. d. Uebersetzers.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-01T10:28:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Benjamin Fiechter, Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-11-01T10:28:26Z)
Bayerische Staatsbibliothek München: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-11-01T10:28:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/73
Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/73>, abgerufen am 26.11.2024.