Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

seines Lebens, um wie viel häusliches Glück er sich gebracht, welche Summe Geldes er verschwelgt hatte, ohne dabei noch seine für immer zu Grunde gerichtete Gesundheit in Anschlag zu bringen. Ich hielt ihm vor, wie sehr er zu beklagen sein werde, wenn einst das Alter mit seiner Begleitung von Kränklichkeiten über ihn gekommen sei, wenn er dann, aller Kräfte und Hülfsquellen baar, eines Tages genöthigt sei, die Hand nach einem Almosen auszustrecken oder sein Leben im Spitale zu beschließen. Um kurz zu sein, er sah die volle Tragweite meiner Ermahnungen ein und gewann die vollste Ueberzeugung von der Theilnahme, welche er mir einflößte. Ich rechnete nun vor seinen Augen die Summen, welche er vergeudet hatte, zusammen, stellte ihm dagegen in Aussicht, was er in einer gewissen Zeit verdienen und zurücklegen könnte, wenn er der Lüderlichkeit entsagte; ich zeigte ihm deutlich, daß er selbst und allein den Schlüssel zu dieser Zukunft in Händen habe. Er änderte darauf seine Lebensweise, hörte auf zu söffeln und hat seitdem auch stets sein mir gegebenes Wort gehalten, indem er fortan das regelmäßigste Leben führte. Während meiner fortdauernden Sorge für sein physisches Wohl, half ich, von seiner wackeren Frau bestens unterstützt, zugleich auch seiner moralischen Genesung stets durch Ermuthigung und Ermahnungen sorglichst nach, und so gingen denn meine in ihn gesetzten Hoffnungen auf's Vollkommenste in Erfüllung.

Endlich erhielt ich auch noch einen letzten Beweis, wie aufrichtig und andauernd seine sittliche Besserung sei. Da nämlich das Schicksal ihn mit dem Tode seiner einzigen Tochter, auf die er seine theuerste Hoffnung gebaut hatte, überaus hart traf, so besorgte ich, der Schmerz darüber würde das von mir unternommene Werk wieder zerstören und er, gleich so vielen Anderen, seinen Kummer nun im Weine zu ersäufen suchen; aber es ward mir die Freude, ihn ziemlich gefaßt in sein so grausames Geschick sich ergeben zu sehen. Auch ist nach der Zeit, und es sind seitdem schon viele Jahre verflossen,

seines Lebens, um wie viel häusliches Glück er sich gebracht, welche Summe Geldes er verschwelgt hatte, ohne dabei noch seine für immer zu Grunde gerichtete Gesundheit in Anschlag zu bringen. Ich hielt ihm vor, wie sehr er zu beklagen sein werde, wenn einst das Alter mit seiner Begleitung von Kränklichkeiten über ihn gekommen sei, wenn er dann, aller Kräfte und Hülfsquellen baar, eines Tages genöthigt sei, die Hand nach einem Almosen auszustrecken oder sein Leben im Spitale zu beschließen. Um kurz zu sein, er sah die volle Tragweite meiner Ermahnungen ein und gewann die vollste Ueberzeugung von der Theilnahme, welche er mir einflößte. Ich rechnete nun vor seinen Augen die Summen, welche er vergeudet hatte, zusammen, stellte ihm dagegen in Aussicht, was er in einer gewissen Zeit verdienen und zurücklegen könnte, wenn er der Lüderlichkeit entsagte; ich zeigte ihm deutlich, daß er selbst und allein den Schlüssel zu dieser Zukunft in Händen habe. Er änderte darauf seine Lebensweise, hörte auf zu söffeln und hat seitdem auch stets sein mir gegebenes Wort gehalten, indem er fortan das regelmäßigste Leben führte. Während meiner fortdauernden Sorge für sein physisches Wohl, half ich, von seiner wackeren Frau bestens unterstützt, zugleich auch seiner moralischen Genesung stets durch Ermuthigung und Ermahnungen sorglichst nach, und so gingen denn meine in ihn gesetzten Hoffnungen auf’s Vollkommenste in Erfüllung.

Endlich erhielt ich auch noch einen letzten Beweis, wie aufrichtig und andauernd seine sittliche Besserung sei. Da nämlich das Schicksal ihn mit dem Tode seiner einzigen Tochter, auf die er seine theuerste Hoffnung gebaut hatte, überaus hart traf, so besorgte ich, der Schmerz darüber würde das von mir unternommene Werk wieder zerstören und er, gleich so vielen Anderen, seinen Kummer nun im Weine zu ersäufen suchen; aber es ward mir die Freude, ihn ziemlich gefaßt in sein so grausames Geschick sich ergeben zu sehen. Auch ist nach der Zeit, und es sind seitdem schon viele Jahre verflossen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0099" n="89"/>
seines Lebens, um                     wie viel häusliches Glück er sich gebracht, welche Summe Geldes er verschwelgt                     hatte, ohne dabei noch seine für immer zu Grunde gerichtete Gesundheit in                     Anschlag zu bringen. Ich hielt ihm vor, wie sehr er zu beklagen sein werde, wenn                     einst das Alter mit seiner Begleitung von Kränklichkeiten über ihn gekommen sei,                     wenn er dann, aller Kräfte und Hülfsquellen baar, eines Tages genöthigt sei, die                     Hand nach einem Almosen auszustrecken oder sein Leben im Spitale zu beschließen.                     Um kurz zu sein, er sah die volle Tragweite meiner Ermahnungen ein und gewann                     die vollste Ueberzeugung von der Theilnahme, welche er mir einflößte. Ich                     rechnete nun vor seinen Augen die Summen, welche er vergeudet hatte, zusammen,                     stellte ihm dagegen in Aussicht, was er in einer gewissen Zeit verdienen und                     zurücklegen könnte, wenn er der Lüderlichkeit entsagte; ich zeigte ihm deutlich,                     daß er selbst und allein den Schlüssel zu dieser Zukunft in Händen habe. Er                     änderte darauf seine Lebensweise, hörte auf zu söffeln und hat seitdem auch                     stets sein mir gegebenes Wort gehalten, indem er fortan das regelmäßigste Leben                     führte. Während meiner fortdauernden Sorge für sein physisches Wohl, half ich,                     von seiner wackeren Frau bestens unterstützt, zugleich auch seiner moralischen                     Genesung stets durch Ermuthigung und Ermahnungen sorglichst nach, und so gingen                     denn meine in ihn gesetzten Hoffnungen auf&#x2019;s Vollkommenste in Erfüllung.</p>
        <p>Endlich erhielt ich auch noch einen letzten Beweis, wie aufrichtig und andauernd                     seine sittliche Besserung sei. Da nämlich das Schicksal ihn mit dem Tode seiner                     einzigen Tochter, auf die er seine theuerste Hoffnung gebaut hatte, überaus hart                     traf, so besorgte ich, der Schmerz darüber würde das von mir unternommene Werk                     wieder zerstören und er, gleich so vielen Anderen, seinen Kummer nun im Weine zu                     ersäufen suchen; aber es ward mir die Freude, ihn ziemlich gefaßt in sein so                     grausames Geschick sich ergeben zu sehen. Auch ist nach der Zeit, und es sind                     seitdem schon viele Jahre verflossen,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0099] seines Lebens, um wie viel häusliches Glück er sich gebracht, welche Summe Geldes er verschwelgt hatte, ohne dabei noch seine für immer zu Grunde gerichtete Gesundheit in Anschlag zu bringen. Ich hielt ihm vor, wie sehr er zu beklagen sein werde, wenn einst das Alter mit seiner Begleitung von Kränklichkeiten über ihn gekommen sei, wenn er dann, aller Kräfte und Hülfsquellen baar, eines Tages genöthigt sei, die Hand nach einem Almosen auszustrecken oder sein Leben im Spitale zu beschließen. Um kurz zu sein, er sah die volle Tragweite meiner Ermahnungen ein und gewann die vollste Ueberzeugung von der Theilnahme, welche er mir einflößte. Ich rechnete nun vor seinen Augen die Summen, welche er vergeudet hatte, zusammen, stellte ihm dagegen in Aussicht, was er in einer gewissen Zeit verdienen und zurücklegen könnte, wenn er der Lüderlichkeit entsagte; ich zeigte ihm deutlich, daß er selbst und allein den Schlüssel zu dieser Zukunft in Händen habe. Er änderte darauf seine Lebensweise, hörte auf zu söffeln und hat seitdem auch stets sein mir gegebenes Wort gehalten, indem er fortan das regelmäßigste Leben führte. Während meiner fortdauernden Sorge für sein physisches Wohl, half ich, von seiner wackeren Frau bestens unterstützt, zugleich auch seiner moralischen Genesung stets durch Ermuthigung und Ermahnungen sorglichst nach, und so gingen denn meine in ihn gesetzten Hoffnungen auf’s Vollkommenste in Erfüllung. Endlich erhielt ich auch noch einen letzten Beweis, wie aufrichtig und andauernd seine sittliche Besserung sei. Da nämlich das Schicksal ihn mit dem Tode seiner einzigen Tochter, auf die er seine theuerste Hoffnung gebaut hatte, überaus hart traf, so besorgte ich, der Schmerz darüber würde das von mir unternommene Werk wieder zerstören und er, gleich so vielen Anderen, seinen Kummer nun im Weine zu ersäufen suchen; aber es ward mir die Freude, ihn ziemlich gefaßt in sein so grausames Geschick sich ergeben zu sehen. Auch ist nach der Zeit, und es sind seitdem schon viele Jahre verflossen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-01T10:28:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Benjamin Fiechter, Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-11-01T10:28:26Z)
Bayerische Staatsbibliothek München: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-11-01T10:28:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/99
Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/99>, abgerufen am 28.11.2024.