Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.VIII. Causalität durch unterlassene Thätigkeit. Führt die Thätigkeit des Handelnden zu einem dem- VIII. Cauſalität durch unterlaſſene Thätigkeit. Führt die Thätigkeit des Handelnden zu einem dem- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0100" n="96"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Cauſalität durch unterlaſſene Thätigkeit.</hi> </head><lb/> <p>Führt die Thätigkeit des Handelnden zu einem dem-<lb/> ſelben nicht vorausſehbar geweſenen ſtrafrechtlichen Erfolge,<lb/> ſo liegt nur eine eigene, in Ermangelung eines in derſelben<lb/> enthaltenen verſchuldeten Willens ſelbſtverſtändlich ſtrafloſe,<lb/> Cauſalität vor. Die Frage iſt hier nun die, ob, im Falle<lb/> der Handelnde erſt nach ſtattgefundener Beendigung ſeiner<lb/> ſtrafloſen Thätigkeit das Bevorſtehen eines ſtrafrechtlichen<lb/> Erfolgs derſelben erkennt, noch nachträglich für ihn eine<lb/> Haftbarkeit für dieſen Erfolg begründet werden kann. —<lb/> Man pflegt dieſe Frage unter dem Geſichtspunkt einer geſetz-<lb/> lichen Verbindlichkeit des Handelnden zur Abwendung des<lb/> ſtrafrechtlichen Erfolgs ſeiner ſelbſt unverſchuldeten Cauſalität<lb/> zu betrachten. <hi rendition="#g">Krug, Glaſer</hi> und <hi rendition="#g">Merkel</hi> meinen, daß<lb/> darum mit Vornahme der erſten ſtrafloſen Handlung ein<lb/><hi rendition="#aq">d. eventualis</hi> — man wolle für den etwaigen Erfolg der-<lb/> ſelben einſtehen, wenn man ihn demnächſt nicht abwenden<lb/> werde — verbunden ſei. Die unterlaſſene Abwendung hätte<lb/> ſonach zur Folge, daß hierdurch die Cauſalität der erſten<lb/> Handlung von Anfang an ſtrafbar würde. Aber es iſt die<lb/> anfängliche, von einem verſchuldeten Willen nicht ausge-<lb/> gangene, Handlung eine <hi rendition="#g">definitiv</hi> ſtrafloſe und kann ſich<lb/> eben darum rückwärts nicht mehr in eine ſtrafbare um-<lb/> wandeln laſſen (m. Abh. Gerichtsſaal 1869 H. 3). — <hi rendition="#g">Schütze</hi><lb/> Lehrbuch S. 90 N. 6 — ähnlich <hi rendition="#g">Schwarze</hi> Commentar<lb/> S. 49 flg. — findet hingegen den Grund für die Haftbarkeit<lb/> darin, daß durch die pflichtwidrige Unthätigkeit der ver-<lb/> brecheriſche Wille documentirt werde. Dieſer Wille würde<lb/> jedoch ohne alle Verbindung lediglich neben der durch die<lb/> erſte Handlung begründeten, ſchuldloſen, Cauſalität ſtehen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [96/0100]
VIII. Cauſalität durch unterlaſſene Thätigkeit.
Führt die Thätigkeit des Handelnden zu einem dem-
ſelben nicht vorausſehbar geweſenen ſtrafrechtlichen Erfolge,
ſo liegt nur eine eigene, in Ermangelung eines in derſelben
enthaltenen verſchuldeten Willens ſelbſtverſtändlich ſtrafloſe,
Cauſalität vor. Die Frage iſt hier nun die, ob, im Falle
der Handelnde erſt nach ſtattgefundener Beendigung ſeiner
ſtrafloſen Thätigkeit das Bevorſtehen eines ſtrafrechtlichen
Erfolgs derſelben erkennt, noch nachträglich für ihn eine
Haftbarkeit für dieſen Erfolg begründet werden kann. —
Man pflegt dieſe Frage unter dem Geſichtspunkt einer geſetz-
lichen Verbindlichkeit des Handelnden zur Abwendung des
ſtrafrechtlichen Erfolgs ſeiner ſelbſt unverſchuldeten Cauſalität
zu betrachten. Krug, Glaſer und Merkel meinen, daß
darum mit Vornahme der erſten ſtrafloſen Handlung ein
d. eventualis — man wolle für den etwaigen Erfolg der-
ſelben einſtehen, wenn man ihn demnächſt nicht abwenden
werde — verbunden ſei. Die unterlaſſene Abwendung hätte
ſonach zur Folge, daß hierdurch die Cauſalität der erſten
Handlung von Anfang an ſtrafbar würde. Aber es iſt die
anfängliche, von einem verſchuldeten Willen nicht ausge-
gangene, Handlung eine definitiv ſtrafloſe und kann ſich
eben darum rückwärts nicht mehr in eine ſtrafbare um-
wandeln laſſen (m. Abh. Gerichtsſaal 1869 H. 3). — Schütze
Lehrbuch S. 90 N. 6 — ähnlich Schwarze Commentar
S. 49 flg. — findet hingegen den Grund für die Haftbarkeit
darin, daß durch die pflichtwidrige Unthätigkeit der ver-
brecheriſche Wille documentirt werde. Dieſer Wille würde
jedoch ohne alle Verbindung lediglich neben der durch die
erſte Handlung begründeten, ſchuldloſen, Cauſalität ſtehen,
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