Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.I. Causalität. Unter Causalzusammenhang wird man wohl den Proceß 1
I. Cauſalität. Unter Cauſalzuſammenhang wird man wohl den Proceß 1
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I. Cauſalität.
Unter Cauſalzuſammenhang wird man wohl den Proceß
der Entſtehung einer Erſcheinung begreifen dürfen. Will man
den Cauſalzuſammenhang einer concreten Erſcheinung ermit-
teln, ſo muß man in geordneter Reihenfolge ſämmtliche Kräfte
feſtſtellen, welche für die Entſtehung der Erſcheinung irgend
eine Wirkſamkeit geäußert haben. Die ganze Summe dieſer
Kräfte iſt dann als die Urſache der Erſcheinung anzuſehen.
Mit demſelben Rechre läßt ſich aber auch jede einzelne dieſer
Kräfte für ſich allein ſchon als die Urſache der Erſcheinung
betrachten, denn die Exiſtenz derſelben hängt ſo ſehr von jeder
Einzelnkraft ab, daß, wenn man aus dem Cauſalzuſammenhang
auch nur eine einzige Einzelnkraft ausſcheidet, die Erſcheinung
ſelbſt zuſammenfällt. Es verleiht daher jede Einzelnkraft der,
wenn man von ihr abſieht, todten Maſſe aller übrigen
Einzelnkräfte erſt die Lebenskraft, es macht jede Einzelnkraft
alle übrigen cauſal (m. Abh. Gerichtsſaal 1870 S. 1 flg.).
— Der menſchliche Wille kann nur inſofern als ein Beſtand-
theil des Cauſalzuſammenhangs angeſehen werden, als man
in ihm lediglich das agens erblickt, welches die Körperkräfte
in Bewegung geſetzt hat. Ob aber dieſer Wille ein bewußter
— vorſätzlicher oder fahrläſſiger — oder derjenige eines
unzurechnungsfähigen Menſchen iſt, erſcheint für den Cauſal-
zuſammenhang gleichgültig, denn es tritt in der Verkettung
von Thatſachen keine Aenderung ein, mag man auch an die
Stelle des bewußten Willens einen bewußtloſen ſetzen, oder
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