Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.auch durch eine schuldvolle Unterlassung, rechtzeitig ärztliche auch durch eine ſchuldvolle Unterlaſſung, rechtzeitig ärztliche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0079" n="75"/> auch durch eine ſchuldvolle Unterlaſſung, rechtzeitig ärztliche<lb/> Hülfe in Anſpruch zu nehmen, der Cauſalzuſammenhang<lb/> unterbrochen werden könne. Es dürfte aber nicht einzuſehen<lb/> ſein, wie, wenn die Verletzung ihren natürlichen Verlauf<lb/> nimmt, ſchädliche poſitive Einflüſſe ſich alſo zu der Verletzung<lb/> nicht hinzugeſellen, der endliche Ausgang derſelben anderen<lb/> Kräften zugeſchrieben werden ſoll, als welcher ſich der Thäter<lb/> ſelbſt ſchuldvoll bedient hatte. Noch weniger dürfte es er-<lb/> klärlich ſein, daß die nämliche Unterlaſſung den Cauſalzu-<lb/> ſammenhang unterbrechen oder ganz unangetaſtet laſſen ſoll,<lb/> je nachdem ihr eine Verſchuldung des Verletzten zu Grunde<lb/> liegt oder nicht. Liegt daher weiter nichts vor als die<lb/> Weigerung des Verletzten, ſich einer Amputation zu unter-<lb/> ziehen, ſo wird hierdurch, die Amputation mag gefährlich ſein<lb/> oder nicht, die Haftbarkeit des Thäters für Vollendung nicht<lb/> beſeitigt. Jſt freilich die Verletzung durch ein zweckwidriges<lb/> poſitives Verhalten des Verletzten dergeſtalt verſchlimmert<lb/> worden, daß daſſelbe als mitwirkende Urſache anzuſehen iſt,<lb/> ſo wird hierdurch der Cauſalzuſammenhang zwar auch nicht<lb/> unterbrochen, aber es würde ſich dann die Frage aufwerfen,<lb/> ob der Thäter hierauf hatte gefaßt ſein müſſen oder nicht,<lb/> und ihn im letzteren Fall die Strafe der Vollendung nicht<lb/> treffen. War aber der Verletzte ein armer Mann, der mit<lb/> der Requirirung eines Arztes nicht ſo ſchnell bei der Hand<lb/> und, um ſein tägliches Brod zu verdienen, genöthigt iſt, ſeine<lb/> gewöhnliche Lebensweiſe fortzuſetzen, ſeine Profeſſion zu be-<lb/> treiben, zum Holzſammeln in den Wald zu gehen und hierbei<lb/> zu ſeiner Stärkung Brandwein zu trinken u. ſ. w., ſo wird<lb/> der mit dieſen Verhältniſſen bekannte Thäter auch hierfür<lb/> einzuſtehen haben, ſollten auch dieſe Handlungen von dem<lb/> Verletzten mit dem Bewußtſein ihrer Schädlichkeit unter-<lb/> nommen worden ſein. — Die Behauptung, der Thäter habe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [75/0079]
auch durch eine ſchuldvolle Unterlaſſung, rechtzeitig ärztliche
Hülfe in Anſpruch zu nehmen, der Cauſalzuſammenhang
unterbrochen werden könne. Es dürfte aber nicht einzuſehen
ſein, wie, wenn die Verletzung ihren natürlichen Verlauf
nimmt, ſchädliche poſitive Einflüſſe ſich alſo zu der Verletzung
nicht hinzugeſellen, der endliche Ausgang derſelben anderen
Kräften zugeſchrieben werden ſoll, als welcher ſich der Thäter
ſelbſt ſchuldvoll bedient hatte. Noch weniger dürfte es er-
klärlich ſein, daß die nämliche Unterlaſſung den Cauſalzu-
ſammenhang unterbrechen oder ganz unangetaſtet laſſen ſoll,
je nachdem ihr eine Verſchuldung des Verletzten zu Grunde
liegt oder nicht. Liegt daher weiter nichts vor als die
Weigerung des Verletzten, ſich einer Amputation zu unter-
ziehen, ſo wird hierdurch, die Amputation mag gefährlich ſein
oder nicht, die Haftbarkeit des Thäters für Vollendung nicht
beſeitigt. Jſt freilich die Verletzung durch ein zweckwidriges
poſitives Verhalten des Verletzten dergeſtalt verſchlimmert
worden, daß daſſelbe als mitwirkende Urſache anzuſehen iſt,
ſo wird hierdurch der Cauſalzuſammenhang zwar auch nicht
unterbrochen, aber es würde ſich dann die Frage aufwerfen,
ob der Thäter hierauf hatte gefaßt ſein müſſen oder nicht,
und ihn im letzteren Fall die Strafe der Vollendung nicht
treffen. War aber der Verletzte ein armer Mann, der mit
der Requirirung eines Arztes nicht ſo ſchnell bei der Hand
und, um ſein tägliches Brod zu verdienen, genöthigt iſt, ſeine
gewöhnliche Lebensweiſe fortzuſetzen, ſeine Profeſſion zu be-
treiben, zum Holzſammeln in den Wald zu gehen und hierbei
zu ſeiner Stärkung Brandwein zu trinken u. ſ. w., ſo wird
der mit dieſen Verhältniſſen bekannte Thäter auch hierfür
einzuſtehen haben, ſollten auch dieſe Handlungen von dem
Verletzten mit dem Bewußtſein ihrer Schädlichkeit unter-
nommen worden ſein. — Die Behauptung, der Thäter habe
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