Busoni, Ferruccio: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. 2. Aufl. Leipzig, [1916].Schild, der Marschrhythmus in der Bedeutung des Schrei- Und was kann schließlich die Darstellung eines kleinen Wohl ist es der Musik gegeben, die menschlichen Gemüts 1 Vergleiche später die Sätze über die "Tiefe".
Schild, der Marschrhythmus in der Bedeutung des Schrei- Und was kann schließlich die Darstellung eines kleinen Wohl ist es der Musik gegeben, die menschlichen Gemüts 1 Vergleiche später die Sätze über die „Tiefe“.
<TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0015" n="15"/> Schild, der Marschrhythmus in der Bedeutung des Schrei-<lb/> tens, der Choral als Träger der religiösen Empfindung.<lb/> Zählen wir noch das Nationalcharakteristische – National-<lb/> instrumente, Nationalweisen – zum vorigen, so haben<lb/> wir die Rüstkammer der Programmusik erschöpfend be-<lb/> sichtigt. Bewegung und Ruhe, Moll und Dur, Hoch und<lb/> Tief <note place="foot" n="1"><p>Vergleiche <ref target="#d30-1916">später die Sätze über die „Tiefe“.</ref> </p><lb/></note> in ihrer herkömmlichen Bedeutung ergänzen das<lb/> Inventar. Das sind gut verwendbare Nebenhilfsmittel in<lb/> einem großen Rahmen, aber allein genommen ebensowenig<lb/> Musik, als Wachsfiguren Monumente zu nennen sind.</p><lb/> <p>Und was kann schließlich die Darstellung eines kleinen<lb/> Vorgangs auf Erden, der Bericht über einen ärgerlichen<lb/> Nachbar – gleichviel ob in der angrenzenden Stube oder<lb/> im angrenzenden Weltteile – mit jener Musik, die durch<lb/> das Weltall zieht, gemeinsam haben?</p><lb/> <p>Wohl ist es der Musik gegeben, die menschlichen Gemüts<lb/> zustände schwingen zu lassen: Angst (Leporello), Beklemmung,<lb/> Erstarkung, Ermattung (<persName>Beethovens</persName> letzte Quartette), Ent-<lb/> schluß (Wotan), Zögern, Niedergeschlagenheit, Ermunterung,<lb/> Härte, Weichheit, Aufregung, Beruhigung, das Überraschende,<lb/> das Erwartungsvolle, und mehr; ebenso den inneren<lb/> Widerklang äußerer Ereignisse, der in jenen Gemütsstim-<lb/> mungen enthalten ist. Nicht aber den Beweggrund jener<lb/> Seelenregungen selbst: nicht die Freude über eine beseitigte<lb/> Gefahr, nicht die Gefahr oder die Art der Gefahr, welche<lb/> die Angst hervorruft; wohl einen Leidenschaftszustand, aber<lb/> wiederum nicht die psychische Gattung dieser Leidenschaft,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [15/0015]
Schild, der Marschrhythmus in der Bedeutung des Schrei-
tens, der Choral als Träger der religiösen Empfindung.
Zählen wir noch das Nationalcharakteristische – National-
instrumente, Nationalweisen – zum vorigen, so haben
wir die Rüstkammer der Programmusik erschöpfend be-
sichtigt. Bewegung und Ruhe, Moll und Dur, Hoch und
Tief 1 in ihrer herkömmlichen Bedeutung ergänzen das
Inventar. Das sind gut verwendbare Nebenhilfsmittel in
einem großen Rahmen, aber allein genommen ebensowenig
Musik, als Wachsfiguren Monumente zu nennen sind.
Und was kann schließlich die Darstellung eines kleinen
Vorgangs auf Erden, der Bericht über einen ärgerlichen
Nachbar – gleichviel ob in der angrenzenden Stube oder
im angrenzenden Weltteile – mit jener Musik, die durch
das Weltall zieht, gemeinsam haben?
Wohl ist es der Musik gegeben, die menschlichen Gemüts
zustände schwingen zu lassen: Angst (Leporello), Beklemmung,
Erstarkung, Ermattung (Beethovens letzte Quartette), Ent-
schluß (Wotan), Zögern, Niedergeschlagenheit, Ermunterung,
Härte, Weichheit, Aufregung, Beruhigung, das Überraschende,
das Erwartungsvolle, und mehr; ebenso den inneren
Widerklang äußerer Ereignisse, der in jenen Gemütsstim-
mungen enthalten ist. Nicht aber den Beweggrund jener
Seelenregungen selbst: nicht die Freude über eine beseitigte
Gefahr, nicht die Gefahr oder die Art der Gefahr, welche
die Angst hervorruft; wohl einen Leidenschaftszustand, aber
wiederum nicht die psychische Gattung dieser Leidenschaft,
1 Vergleiche später die Sätze über die „Tiefe“.
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(2019-05-15T13:49:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Schaper, Maximilian Furthmüller, Theresa Menard, Vanda Hehr, Clemens Gubsch, Claudio Fuchs, Jupp Wegner, David Mews, Ullrich Scheideler: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2019-05-27T13:49:52Z)
Benjamin Fiechter: Konvertierung ins DTA-Basisformat
(2019-05-27T13:49:52Z)
Weitere Informationen:Textgrundlage von 1906 von Busoni hauptsächlich 1914 überarbeitet. Gedruckt 1916 in Altenburg; erschienen im Insel-Verlag zu Leipzig als Nr. 202 der Insel-Bücherei. Die Transkription erfolgte nach den unter https://www.busoni-nachlass.org/de/Projekt/E1000003.html, http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien. Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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