Busoni, Ferruccio: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. 2. Aufl. Leipzig, [1916].Daß schon einige empfunden haben, wie die Intervalle Ich habe den Versuch gemacht, alle Möglichkeiten der Die Skala c des es fes ges as b c klingt schon bedeutend Wohin aber würde ein Gesetzgeber die Tonfolgen c des Daß schon einige empfunden haben, wie die Intervalle Ich habe den Versuch gemacht, alle Möglichkeiten der Die Skala c des es fes ges as b c klingt schon bedeutend Wohin aber würde ein Gesetzgeber die Tonfolgen c des <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0041" n="41"/> <p>Daß schon einige empfunden haben, wie die Intervalle<lb/> der Siebenfolge noch anders geordnet (graduiert) werden<lb/> können, ist in vereinzelten Momenten bereits bei <persName>Liszt</persName> und<lb/> in der heutigen musikalischen Vorwärtsbewegung ausge-<lb/> sprochener zur Erscheinung gekommen. Der Drang und<lb/> die Sehnsucht und der begabte Instinkt sprechen daraus.<lb/> Doch scheints mir nicht, daß eine bewußte und geordnete Vor-<lb/> stellung dieser erhöhten Ausdrucksmittel sich geformt habe.</p><lb/> <p>Ich habe den Versuch gemacht, alle Möglichkeiten der<lb/> Abstufung der Siebenfolge zu gewinnen, und es gelang mir,<lb/> durch Erniedrigung und Erhöhung der Intervalle 113 ver-<lb/> schiedene Skalen festzustellen. Diese 113 Skalen (inner-<lb/> halb der Oktave <hi rendition="#aq">C–C</hi>) begreifen den größten Teil der<lb/> bekannten „24 Tonarten“, außerdem aber eine Reihe neuer<lb/> Tonarten von eigenartigem Charakter. Damit ist aber der<lb/> Schatz nicht erschöpft, denn die „Transposition“ jeder ein-<lb/> zelnen dieser 113 steht uns ebenfalls noch offen und über-<lb/> dies die Vermischung zweier (und weshalb nicht mehrerer?)<lb/> solcher Tonarten in Harmonie und Melodie. <note resp="#JW" type="editorial">Ob die Zahl 113 hier eine Übertreibung <persName>Busonis</persName> darstellt, ist schwer zu sagen. Eine genauere algorithmische Betrachtung des Problems zeigt, dass unter Zuhilfenahme aller zwölf gleichstufigen Halbtöne innerhalb einer Oktave 729 siebentönige aufsteigende Skalen kombiniert werden können. Nach Eliminierung der in der Intervallstruktur identischen Skalen und Analyse der Tonleitern bezüglich nicht leitertypischer Elemente (z. B. chromatischer Passagen und aufeinanderfolgender Terzen) bleiben 59 siebentönige aufsteigende Skalen übrig. Mit 113 ist <persName>Busoni</persName> weder nahe an der einen noch an der anderen Zahl, was die Frage aufwirft, welche Ansprüche Busoni an eine solche von ihm neu erdachte Leiter überhaupt hat.</note> </p><lb/> <p>Die Skala <hi rendition="#aq">c des es fes ges as b c</hi> klingt schon bedeutend<lb/> anders als die <hi rendition="#aq">des</hi> -Moll-Tonleiter, wenn man <hi rendition="#aq">c</hi> als ihren<lb/> Grundton annimmt. Legt man ihr noch den gewöhnlichen<lb/><hi rendition="#aq">C</hi> -Dur-Dreiklang als Harmonie unter, so ergibt sich eine<lb/> neue harmonische Empfindung. Man höre aber dieselbe Ton-<lb/> leiter abwechselnd, vom <hi rendition="#aq"> A </hi> -Moll-, <hi rendition="#aq">Es</hi> -Dur- und <hi rendition="#aq">C</hi> -Dur-<lb/> Dreiklang gestützt, und man wird sich der angenehmsten Über-<lb/> raschung über den fremdartigen Wohllaut nicht erwehren<lb/> können.</p><lb/> <p>Wohin aber würde ein Gesetzgeber die Tonfolgen <hi rendition="#aq">c des<lb/> es fes g a h c | c des es f ges a h c | c d es fes ges<lb/> a h c | c des e f ges a b c |</hi> oder gar: <hi rendition="#aq">c d es fes g<lb/></hi></p> </div> </body> </text> </TEI> [41/0041]
Daß schon einige empfunden haben, wie die Intervalle
der Siebenfolge noch anders geordnet (graduiert) werden
können, ist in vereinzelten Momenten bereits bei Liszt und
in der heutigen musikalischen Vorwärtsbewegung ausge-
sprochener zur Erscheinung gekommen. Der Drang und
die Sehnsucht und der begabte Instinkt sprechen daraus.
Doch scheints mir nicht, daß eine bewußte und geordnete Vor-
stellung dieser erhöhten Ausdrucksmittel sich geformt habe.
Ich habe den Versuch gemacht, alle Möglichkeiten der
Abstufung der Siebenfolge zu gewinnen, und es gelang mir,
durch Erniedrigung und Erhöhung der Intervalle 113 ver-
schiedene Skalen festzustellen. Diese 113 Skalen (inner-
halb der Oktave C–C) begreifen den größten Teil der
bekannten „24 Tonarten“, außerdem aber eine Reihe neuer
Tonarten von eigenartigem Charakter. Damit ist aber der
Schatz nicht erschöpft, denn die „Transposition“ jeder ein-
zelnen dieser 113 steht uns ebenfalls noch offen und über-
dies die Vermischung zweier (und weshalb nicht mehrerer?)
solcher Tonarten in Harmonie und Melodie.
Die Skala c des es fes ges as b c klingt schon bedeutend
anders als die des -Moll-Tonleiter, wenn man c als ihren
Grundton annimmt. Legt man ihr noch den gewöhnlichen
C -Dur-Dreiklang als Harmonie unter, so ergibt sich eine
neue harmonische Empfindung. Man höre aber dieselbe Ton-
leiter abwechselnd, vom A -Moll-, Es -Dur- und C -Dur-
Dreiklang gestützt, und man wird sich der angenehmsten Über-
raschung über den fremdartigen Wohllaut nicht erwehren
können.
Wohin aber würde ein Gesetzgeber die Tonfolgen c des
es fes g a h c | c des es f ges a h c | c d es fes ges
a h c | c des e f ges a b c | oder gar: c d es fes g
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften, herausgegeben von Christian Schaper und Ullrich Scheideler, Humboldt-Universität zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2019-05-15T13:49:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Schaper, Maximilian Furthmüller, Theresa Menard, Vanda Hehr, Clemens Gubsch, Claudio Fuchs, Jupp Wegner, David Mews, Ullrich Scheideler: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2019-05-27T13:49:52Z)
Benjamin Fiechter: Konvertierung ins DTA-Basisformat
(2019-05-27T13:49:52Z)
Weitere Informationen:Textgrundlage von 1906 von Busoni hauptsächlich 1914 überarbeitet. Gedruckt 1916 in Altenburg; erschienen im Insel-Verlag zu Leipzig als Nr. 202 der Insel-Bücherei. Die Transkription erfolgte nach den unter https://www.busoni-nachlass.org/de/Projekt/E1000003.html, http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien. Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |