Butschky, Samuel von: Die Hochdeutsche Kantzeley. Breslau u. a., [1652].Muttertrost/ wegen ihres verstorb. Sohns/ und algemach sich selbst aufhebet. Alleswas sein Wesen hat/ lauft zum Ende: Die Welt hat ihre gezehlte Jahre; Die Sonne hat ihre ümmerkende Tage/ und der Mond seine ümzirkte Nächte: Die Luft verzehret sich von sich selbst; Das Wasser versenket sich in die Tiefe oder Höhle seiner Wellen; und das Feuer verbrennet sich in seiner Be- wegung. Alles zielet auf seinen Mittel- punkt; dieser Mittelpunkt hat sein Ende; und dieses Ende hat ein Nichts; und wo- fern dieses Nichts auch noch begriffen wer- den könte/ wirde es seinen Absprung auf ein ander eingebildetes Nichts nehmen. Sie uhrteile nun hieraus/ meine Frau/ daß/ was wier auf dieser Welt seyn können/ weil al- les das jenige/ was Uns in der Welt er- hält/ auf seine Endschaft zielet. So bald wier gebohren werden/ fahen wier an zu ster- ben: Der erste Tag unseres Lebens/ ist der erste Tag unseres Todes: Begeben wier Uns aus der Wiegen/ so folget Uns schon das Begräbnüs: unsere Tage erhellen un- sere Nächte; und unsere Nächte vermin- dern unser Alter: Also wird durch diese we- sentliche und natürliche Veränderung/ alles durch die Ursach der Ewigkeit zeitig und reif. Was wird die Frau sagen? Jhr Herr ten/
Muttertroſt/ wegen ihres verſtorb. Sohns/ und algemach ſich ſelbſt aufhébet. Alleswas ſein Wéſen hat/ lauft zum Ende: Die Welt hat ihre gezehlte Jahre; Die Sonne hat ihre uͤmmerkende Tage/ und der Mond ſeine uͤmzirkte Naͤchte: Die Luft verzehret ſich von ſich ſelbſt; Das Waſſer verſenket ſich in die Tiefe oder Hoͤhle ſeiner Wellen; und das Feuer verbrennet ſich in ſeiner Be- wégung. Alles zielet auf ſeinen Mittel- punkt; dieſer Mittelpunkt hat ſein Ende; und dieſes Ende hat ein Nichts; und wo- fern dieſes Nichts auch noch begriffen wer- den koͤnte/ wirde es ſeinen Abſprung auf ein ander eingebildetes Nichts nehmen. Sie uhrteile nun hieraus/ meine Frau/ daß/ was wier auf dieſer Welt ſeyn koͤnnen/ weil al- les das jénige/ was Uns in der Welt er- haͤlt/ auf ſeine Endſchaft zielet. So bald wier gebohren werden/ fahen wier an zu ſter- ben: Der erſte Tag unſeres Lébens/ iſt der erſte Tag unſeres Todes: Begében wier Uns aus der Wiegen/ ſo folget Uns ſchon das Begraͤbnuͤs: unſere Tage erhellen un- ſere Naͤchte; und unſere Naͤchte vermin- dern unſer Alter: Alſo wird durch dieſe wé- ſentliche und natuͤrliche Veraͤnderung/ alles durch die Urſach der Ewigkeit zeitig und reif. Was wird die Frau ſagen? Jhr Herr ten/
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Muttertroſt/ wegen ihres verſtorb. Sohns/
und algemach ſich ſelbſt aufhébet. Alles
was ſein Wéſen hat/ lauft zum Ende: Die
Welt hat ihre gezehlte Jahre; Die Sonne
hat ihre uͤmmerkende Tage/ und der Mond
ſeine uͤmzirkte Naͤchte: Die Luft verzehret
ſich von ſich ſelbſt; Das Waſſer verſenket
ſich in die Tiefe oder Hoͤhle ſeiner Wellen;
und das Feuer verbrennet ſich in ſeiner Be-
wégung. Alles zielet auf ſeinen Mittel-
punkt; dieſer Mittelpunkt hat ſein Ende;
und dieſes Ende hat ein Nichts; und wo-
fern dieſes Nichts auch noch begriffen wer-
den koͤnte/ wirde es ſeinen Abſprung auf ein
ander eingebildetes Nichts nehmen. Sie
uhrteile nun hieraus/ meine Frau/ daß/ was
wier auf dieſer Welt ſeyn koͤnnen/ weil al-
les das jénige/ was Uns in der Welt er-
haͤlt/ auf ſeine Endſchaft zielet. So bald
wier gebohren werden/ fahen wier an zu ſter-
ben: Der erſte Tag unſeres Lébens/ iſt der
erſte Tag unſeres Todes: Begében wier
Uns aus der Wiegen/ ſo folget Uns ſchon
das Begraͤbnuͤs: unſere Tage erhellen un-
ſere Naͤchte; und unſere Naͤchte vermin-
dern unſer Alter: Alſo wird durch dieſe wé-
ſentliche und natuͤrliche Veraͤnderung/ alles
durch die Urſach der Ewigkeit zeitig und
reif.
Was wird die Frau ſagen? Jhr Herr
Sohn iſt tod: iſt denn das zu unſern Zei-
ten/
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