Da der Kokusbaum ihm so sehr viel Vor- theile verschafte: so hätte er ihn gar zu gern vervielfältiget gesehen. Aber wie solt' er das anfangen? Er hatte wohl gehört, daß man Bäume zu pfropfen oder einzuimpfen pflege; aber wie das eigentlich gemacht werden müsse, darum hatte er sich niemahls bekümmert. O, seufzte er oft, wie wenig habe ich in meiner Jugend meinen Vortheil gekant, daß ich nicht auf Alles, was ich sahe oder hörte, recht ge- nau Achtung gab, um den Leuten alle ihre Künste abzulernen! Hätte ich das Glük' noch einmahl jung zu werden: o wie wolt' ich aufmerksam sein auf Alles, was Menschen Hände und menschliche Geschiklichkeit nur im- mer machen können! Es solte kein Handwer- ker, kein Künstler sein, dem ich nicht etwas von seinen Kunststükken ablernen wolte.
Aber was halfen ihm diese Klagen jezt, da es zu spät war, ihnen abzuhelfen? Besser wars, er richtete alle seine Gedanken darauf, wie er den Mangel an gelernten Künsten durch
seine
Da der Kokusbaum ihm ſo ſehr viel Vor- theile verſchafte: ſo haͤtte er ihn gar zu gern vervielfaͤltiget geſehen. Aber wie ſolt' er das anfangen? Er hatte wohl gehoͤrt, daß man Baͤume zu pfropfen oder einzuimpfen pflege; aber wie das eigentlich gemacht werden muͤſſe, darum hatte er ſich niemahls bekuͤmmert. O, ſeufzte er oft, wie wenig habe ich in meiner Jugend meinen Vortheil gekant, daß ich nicht auf Alles, was ich ſahe oder hoͤrte, recht ge- nau Achtung gab, um den Leuten alle ihre Kuͤnſte abzulernen! Haͤtte ich das Gluͤk' noch einmahl jung zu werden: o wie wolt' ich aufmerkſam ſein auf Alles, was Menſchen Haͤnde und menſchliche Geſchiklichkeit nur im- mer machen koͤnnen! Es ſolte kein Handwer- ker, kein Kuͤnſtler ſein, dem ich nicht etwas von ſeinen Kunſtſtuͤkken ablernen wolte.
Aber was halfen ihm dieſe Klagen jezt, da es zu ſpaͤt war, ihnen abzuhelfen? Beſſer wars, er richtete alle ſeine Gedanken darauf, wie er den Mangel an gelernten Kuͤnſten durch
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Da der Kokusbaum ihm ſo ſehr viel Vor-
theile verſchafte: ſo haͤtte er ihn gar zu gern
vervielfaͤltiget geſehen. Aber wie ſolt' er das
anfangen? Er hatte wohl gehoͤrt, daß man
Baͤume zu pfropfen oder einzuimpfen pflege;
aber wie das eigentlich gemacht werden muͤſſe,
darum hatte er ſich niemahls bekuͤmmert. O,
ſeufzte er oft, wie wenig habe ich in meiner
Jugend meinen Vortheil gekant, daß ich nicht
auf Alles, was ich ſahe oder hoͤrte, recht ge-
nau Achtung gab, um den Leuten alle ihre
Kuͤnſte abzulernen! Haͤtte ich das Gluͤk' noch
einmahl jung zu werden: o wie wolt' ich
aufmerkſam ſein auf Alles, was Menſchen
Haͤnde und menſchliche Geſchiklichkeit nur im-
mer machen koͤnnen! Es ſolte kein Handwer-
ker, kein Kuͤnſtler ſein, dem ich nicht etwas
von ſeinen Kunſtſtuͤkken ablernen wolte.
Aber was halfen ihm dieſe Klagen jezt,
da es zu ſpaͤt war, ihnen abzuhelfen? Beſſer
wars, er richtete alle ſeine Gedanken darauf,
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/240>, abgerufen am 23.11.2024.
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