Aber diese rauhe Jahrszeit wolte noch im- mer nicht kommen, ohngeachtet der Oktober schon zu Ende ging. Stat dessen fing es an zu regnen, und zwar so unaufhörlich zu reg- nen, als wenn die Luft in Wasser wäre ver- wandelt worden. Robinson wußte gar nicht, was er davon denken solte. Schon vierzehn Tage hindurch hatte er keinen Fuß weiter aus seiner Wohnung sezen können, als nach dem Keller, nach dem Heuschober, und nach dem Brunnen, um für sich und seine Lama's Le- bensmittel und Wasser zu holen. Die übrige Zeit mußte er, wie ein Gefangener, zubrin- gen.
Ach! wie langsam verstrich ihm da die Zeit! Nichts zu thun zu haben, und ganz allein zu sein -- Kinder, was das für ein Lei- den sei, davon habt ihr noch gar keine Vor- stellung! Hätte ihm jemand ein Buch oder Papier, Dinte und Feder schaffen können, gern hätte er für jedes Blatt einen Tag sei- nes Lebens hingegeben. O, seufzte er oft, was war ich doch in meiner Jugend für ein
Thor,
Aber dieſe rauhe Jahrszeit wolte noch im- mer nicht kommen, ohngeachtet der Oktober ſchon zu Ende ging. Stat deſſen fing es an zu regnen, und zwar ſo unaufhoͤrlich zu reg- nen, als wenn die Luft in Waſſer waͤre ver- wandelt worden. Robinſon wußte gar nicht, was er davon denken ſolte. Schon vierzehn Tage hindurch hatte er keinen Fuß weiter aus ſeiner Wohnung ſezen koͤnnen, als nach dem Keller, nach dem Heuſchober, und nach dem Brunnen, um fuͤr ſich und ſeine Lama's Le- bensmittel und Waſſer zu holen. Die uͤbrige Zeit mußte er, wie ein Gefangener, zubrin- gen.
Ach! wie langſam verſtrich ihm da die Zeit! Nichts zu thun zu haben, und ganz allein zu ſein — Kinder, was das fuͤr ein Lei- den ſei, davon habt ihr noch gar keine Vor- ſtellung! Haͤtte ihm jemand ein Buch oder Papier, Dinte und Feder ſchaffen koͤnnen, gern haͤtte er fuͤr jedes Blatt einen Tag ſei- nes Lebens hingegeben. O, ſeufzte er oft, was war ich doch in meiner Jugend fuͤr ein
Thor,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0291"n="251"/><p>Aber dieſe rauhe Jahrszeit wolte noch im-<lb/>
mer nicht kommen, <choice><sic>ohngeachttt</sic><corr>ohngeachtet</corr></choice> der Oktober<lb/>ſchon zu Ende ging. Stat deſſen fing es an<lb/>
zu regnen, und zwar ſo unaufhoͤrlich zu reg-<lb/>
nen, als wenn die Luft in Waſſer waͤre ver-<lb/>
wandelt worden. <hirendition="#fr">Robinſon</hi> wußte gar nicht,<lb/>
was er davon denken ſolte. Schon vierzehn<lb/>
Tage hindurch hatte er keinen Fuß weiter aus<lb/>ſeiner Wohnung ſezen koͤnnen, als nach dem<lb/>
Keller, nach dem Heuſchober, und nach dem<lb/>
Brunnen, um fuͤr ſich und ſeine Lama's Le-<lb/>
bensmittel und Waſſer zu holen. Die uͤbrige<lb/>
Zeit mußte er, wie ein Gefangener, zubrin-<lb/>
gen.</p><lb/><p>Ach! wie langſam verſtrich ihm da die<lb/>
Zeit! Nichts zu thun zu haben, und ganz<lb/>
allein zu ſein — Kinder, was das fuͤr ein Lei-<lb/>
den ſei, davon habt ihr noch gar keine Vor-<lb/>ſtellung! Haͤtte ihm jemand ein Buch oder<lb/>
Papier, Dinte und Feder ſchaffen koͤnnen,<lb/>
gern haͤtte er fuͤr jedes Blatt einen Tag ſei-<lb/>
nes Lebens hingegeben. O, ſeufzte er oft,<lb/>
was war ich doch in meiner Jugend fuͤr ein<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Thor,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[251/0291]
Aber dieſe rauhe Jahrszeit wolte noch im-
mer nicht kommen, ohngeachtet der Oktober
ſchon zu Ende ging. Stat deſſen fing es an
zu regnen, und zwar ſo unaufhoͤrlich zu reg-
nen, als wenn die Luft in Waſſer waͤre ver-
wandelt worden. Robinſon wußte gar nicht,
was er davon denken ſolte. Schon vierzehn
Tage hindurch hatte er keinen Fuß weiter aus
ſeiner Wohnung ſezen koͤnnen, als nach dem
Keller, nach dem Heuſchober, und nach dem
Brunnen, um fuͤr ſich und ſeine Lama's Le-
bensmittel und Waſſer zu holen. Die uͤbrige
Zeit mußte er, wie ein Gefangener, zubrin-
gen.
Ach! wie langſam verſtrich ihm da die
Zeit! Nichts zu thun zu haben, und ganz
allein zu ſein — Kinder, was das fuͤr ein Lei-
den ſei, davon habt ihr noch gar keine Vor-
ſtellung! Haͤtte ihm jemand ein Buch oder
Papier, Dinte und Feder ſchaffen koͤnnen,
gern haͤtte er fuͤr jedes Blatt einen Tag ſei-
nes Lebens hingegeben. O, ſeufzte er oft,
was war ich doch in meiner Jugend fuͤr ein
Thor,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/291>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.