Aber die Angst ließ ihn nicht lange ru- hen. Er rafte seine lezten Kräfte zusammen, um, wo möglich, das Nöthigste zu seiner Ver- pflegung neben sein Lager zu tragen, damit er, wenn die Krankheit ihm das Aufstehen unmöglich machte, doch nicht ganz ohne alle Erquikkung wäre. Mit grosser Beschwerlich- keit trug er ein Paar Kokusschalen vol Wasser herbei, die er neben sein Lager sezte. Dan legte er einige gebratene Kartoffeln und vier Zitronen, die ihm noch übrig waren, dazu und sank ohnmächtig daneben auf sein trauri- ges Krankenbette.
Hätt' es dem lieben Gott jezt gefallen ihn durch einen plözlichen Tod von der Erde wegzunehmen: ach! wie gern, wie gern wär' er gestorben! Er wagte es, Gott darum zu bitten: aber bald darauf besan er sich wieder, daß dieses Gebet nicht recht sei. "Bin ich nicht Gottes Kind? dacht' er; bin ich nicht sein Werk, und ist er nicht mein liebreicher, mein weiser und mächtiger Vater? Wie darf ich ihm also vorschreiben, was er mit mir thun sol? Weiß er es nicht am besten, was mir gut ist, und wird ers nicht so mit mir machen, als es mir am zuträglichsten ist? Ja, ja, das wird er, der gute, liebe, mächtige Gott! Schweig also, mein armes bekümmer-
tes
Aber die Angſt ließ ihn nicht lange ru- hen. Er rafte ſeine lezten Kraͤfte zuſammen, um, wo moͤglich, das Noͤthigſte zu ſeiner Ver- pflegung neben ſein Lager zu tragen, damit er, wenn die Krankheit ihm das Aufſtehen unmoͤglich machte, doch nicht ganz ohne alle Erquikkung waͤre. Mit groſſer Beſchwerlich- keit trug er ein Paar Kokusſchalen vol Waſſer herbei, die er neben ſein Lager ſezte. Dan legte er einige gebratene Kartoffeln und vier Zitronen, die ihm noch uͤbrig waren, dazu und ſank ohnmaͤchtig daneben auf ſein trauri- ges Krankenbette.
Haͤtt' es dem lieben Gott jezt gefallen ihn durch einen ploͤzlichen Tod von der Erde wegzunehmen: ach! wie gern, wie gern waͤr' er geſtorben! Er wagte es, Gott darum zu bitten: aber bald darauf beſan er ſich wieder, daß dieſes Gebet nicht recht ſei. „Bin ich nicht Gottes Kind? dacht' er; bin ich nicht ſein Werk, und iſt er nicht mein liebreicher, mein weiſer und maͤchtiger Vater? Wie darf ich ihm alſo vorſchreiben, was er mit mir thun ſol? Weiß er es nicht am beſten, was mir gut iſt, und wird ers nicht ſo mit mir machen, als es mir am zutraͤglichſten iſt? Ja, ja, das wird er, der gute, liebe, maͤchtige Gott! Schweig alſo, mein armes bekuͤmmer-
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Aber die Angſt ließ ihn nicht lange ru-
hen. Er rafte ſeine lezten Kraͤfte zuſammen,
um, wo moͤglich, das Noͤthigſte zu ſeiner Ver-
pflegung neben ſein Lager zu tragen, damit
er, wenn die Krankheit ihm das Aufſtehen
unmoͤglich machte, doch nicht ganz ohne alle
Erquikkung waͤre. Mit groſſer Beſchwerlich-
keit trug er ein Paar Kokusſchalen vol Waſſer
herbei, die er neben ſein Lager ſezte. Dan
legte er einige gebratene Kartoffeln und vier
Zitronen, die ihm noch uͤbrig waren, dazu
und ſank ohnmaͤchtig daneben auf ſein trauri-
ges Krankenbette.
Haͤtt' es dem lieben Gott jezt gefallen
ihn durch einen ploͤzlichen Tod von der Erde
wegzunehmen: ach! wie gern, wie gern waͤr'
er geſtorben! Er wagte es, Gott darum zu
bitten: aber bald darauf beſan er ſich wieder,
daß dieſes Gebet nicht recht ſei. „Bin ich
nicht Gottes Kind? dacht' er; bin ich nicht
ſein Werk, und iſt er nicht mein liebreicher,
mein weiſer und maͤchtiger Vater? Wie darf
ich ihm alſo vorſchreiben, was er mit mir
thun ſol? Weiß er es nicht am beſten, was
mir gut iſt, und wird ers nicht ſo mit mir
machen, als es mir am zutraͤglichſten iſt? Ja,
ja, das wird er, der gute, liebe, maͤchtige
Gott! Schweig alſo, mein armes bekuͤmmer-
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/326>, abgerufen am 21.11.2024.
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