Es gelang ihm; und nun sank er kraft- los hin, und blieb eine ziemliche Zeitlang ohne Bewustsein liegen.
Da endlich seine Augen sich wieder öfne- ten, richtete er sich auf und schaute umher. Gott, welch ein Anblik! Von dem Schiffe, von dem Bote, von seinen Gefährten war nichts, nichts mehr zu sehen, als einige los- gerissene Bretter, die von dem Meereswogen nach dem Strande hingetrieben wurden. Nur er, nur er allein war dem Tode entgangen.
Vor Freud' und Schrekken zitternd warf er sich auf die Knie, hob seine Hände gen Himmel, und dankte mit lauter Stimme, und unter einem Strom von Tränen, dem Herrn des Himmels und der Erde, der ihn so wunderbar errettet hatte. --
Johannes. Aber warum mogte Gott auch wohl den Robinson allein erretten, da er die andern Leute alle ertrinken ließ?
Vater. Lieber Johannes, bist du wohl im Stande, jedesmahl die Ursachen einzuse- hen, warum wir Erwachsene, die wir euch
herz-
Es gelang ihm; und nun ſank er kraft- los hin, und blieb eine ziemliche Zeitlang ohne Bewuſtſein liegen.
Da endlich ſeine Augen ſich wieder oͤfne- ten, richtete er ſich auf und ſchaute umher. Gott, welch ein Anblik! Von dem Schiffe, von dem Bote, von ſeinen Gefaͤhrten war nichts, nichts mehr zu ſehen, als einige los- geriſſene Bretter, die von dem Meereswogen nach dem Strande hingetrieben wurden. Nur er, nur er allein war dem Tode entgangen.
Vor Freud' und Schrekken zitternd warf er ſich auf die Knie, hob ſeine Haͤnde gen Himmel, und dankte mit lauter Stimme, und unter einem Strom von Traͤnen, dem Herrn des Himmels und der Erde, der ihn ſo wunderbar errettet hatte. —
Johannes. Aber warum mogte Gott auch wohl den Robinſon allein erretten, da er die andern Leute alle ertrinken ließ?
Vater. Lieber Johannes, biſt du wohl im Stande, jedesmahl die Urſachen einzuſe- hen, warum wir Erwachſene, die wir euch
herz-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0096"n="56"/><p>Es gelang ihm; und nun ſank er kraft-<lb/>
los hin, und blieb eine ziemliche Zeitlang<lb/>
ohne Bewuſtſein liegen.</p><lb/><p>Da endlich ſeine Augen ſich wieder oͤfne-<lb/>
ten, richtete er ſich auf und ſchaute umher.<lb/>
Gott, welch ein Anblik! Von dem Schiffe,<lb/>
von dem Bote, von ſeinen Gefaͤhrten war<lb/>
nichts, nichts mehr zu ſehen, als einige los-<lb/>
geriſſene Bretter, die von dem Meereswogen<lb/>
nach dem Strande hingetrieben wurden. Nur<lb/>
er, nur er allein war dem Tode entgangen.</p><lb/><p>Vor Freud' und Schrekken zitternd warf<lb/>
er ſich auf die Knie, hob ſeine Haͤnde gen<lb/>
Himmel, und dankte mit lauter Stimme,<lb/>
und unter einem Strom von Traͤnen, dem<lb/>
Herrn des Himmels und der Erde, der ihn<lb/>ſo wunderbar errettet hatte. —</p><lb/><p><hirendition="#fr">Johannes.</hi> Aber warum mogte Gott<lb/>
auch wohl den <hirendition="#fr">Robinſon</hi> allein erretten, da<lb/>
er die andern Leute alle ertrinken ließ?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vater.</hi> Lieber Johannes, biſt du wohl<lb/>
im Stande, jedesmahl die Urſachen einzuſe-<lb/>
hen, warum wir Erwachſene, die wir euch<lb/><fwplace="bottom"type="catch">herz-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[56/0096]
Es gelang ihm; und nun ſank er kraft-
los hin, und blieb eine ziemliche Zeitlang
ohne Bewuſtſein liegen.
Da endlich ſeine Augen ſich wieder oͤfne-
ten, richtete er ſich auf und ſchaute umher.
Gott, welch ein Anblik! Von dem Schiffe,
von dem Bote, von ſeinen Gefaͤhrten war
nichts, nichts mehr zu ſehen, als einige los-
geriſſene Bretter, die von dem Meereswogen
nach dem Strande hingetrieben wurden. Nur
er, nur er allein war dem Tode entgangen.
Vor Freud' und Schrekken zitternd warf
er ſich auf die Knie, hob ſeine Haͤnde gen
Himmel, und dankte mit lauter Stimme,
und unter einem Strom von Traͤnen, dem
Herrn des Himmels und der Erde, der ihn
ſo wunderbar errettet hatte. —
Johannes. Aber warum mogte Gott
auch wohl den Robinſon allein erretten, da
er die andern Leute alle ertrinken ließ?
Vater. Lieber Johannes, biſt du wohl
im Stande, jedesmahl die Urſachen einzuſe-
hen, warum wir Erwachſene, die wir euch
herz-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/96>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.