Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

und an seiner bevorstehenden Erlösung gar nicht
zu zweifeln.

Im höchsten Taumel der Freude, mehr flie-
gend, als tretend, huscht' er die Strikleiter hin-
ab; fiel Freitag, welcher schlummernd auf ei-
ner Grasbank saß, um den Hals, drükte ihn,
und benezte, ohne ein Wort hervor bringen zu
können, sein Gesicht mit vielen Tränen. "Was
ist dir, lieber Herr?" fragte Freitag, indem
er sich ermunterte, und über die ungestümen Lieb-
kosungen, die ihm widerfuhren, ganz erschrekt
war. Aber Robinson konte im Uebermaaß
seiner Freude weiter nichts hervorbringen, als:
ach, Freitag!

"Gott sei dem Kopfe meines armen Herrn
gnädig!" dachte Freitag, weil er auf die Ver-
muthung gerieth, daß er wahnsinnig geworden
sei. "Lege dich schlafen, lieber Herr!" sagt'
er zu ihm, und wolte ihm unter die Arme fas-
sen, um ihn in die Höhle zu führen. Aber Ro-
binson
sahe ihm mit unbeschreiblicher Freund-
lichkeit ins Gesicht und antwortete: "Schla-
fen, lieber Freitag? Ich, jezt schlafen, in

dem

und an ſeiner bevorſtehenden Erloͤſung gar nicht
zu zweifeln.

Im hoͤchſten Taumel der Freude, mehr flie-
gend, als tretend, huſcht' er die Strikleiter hin-
ab; fiel Freitag, welcher ſchlummernd auf ei-
ner Grasbank ſaß, um den Hals, druͤkte ihn,
und benezte, ohne ein Wort hervor bringen zu
koͤnnen, ſein Geſicht mit vielen Traͤnen. „Was
iſt dir, lieber Herr?„ fragte Freitag, indem
er ſich ermunterte, und uͤber die ungeſtuͤmen Lieb-
koſungen, die ihm widerfuhren, ganz erſchrekt
war. Aber Robinſon konte im Uebermaaß
ſeiner Freude weiter nichts hervorbringen, als:
ach, Freitag!

„Gott ſei dem Kopfe meines armen Herrn
gnaͤdig!„ dachte Freitag, weil er auf die Ver-
muthung gerieth, daß er wahnſinnig geworden
ſei. „Lege dich ſchlafen, lieber Herr!„ ſagt'
er zu ihm, und wolte ihm unter die Arme faſ-
ſen, um ihn in die Hoͤhle zu fuͤhren. Aber Ro-
binſon
ſahe ihm mit unbeſchreiblicher Freund-
lichkeit ins Geſicht und antwortete: „Schla-
fen, lieber Freitag? Ich, jezt ſchlafen, in

dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0348" n="342"/>
und an &#x017F;einer bevor&#x017F;tehenden Erlo&#x0364;&#x017F;ung gar nicht<lb/>
zu zweifeln.</p><lb/>
          <p>Im ho&#x0364;ch&#x017F;ten Taumel der Freude, mehr flie-<lb/>
gend, als tretend, hu&#x017F;cht' er die Strikleiter hin-<lb/>
ab; fiel <hi rendition="#fr">Freitag,</hi> welcher &#x017F;chlummernd auf ei-<lb/>
ner Grasbank &#x017F;aß, um den Hals, dru&#x0364;kte ihn,<lb/>
und benezte, ohne ein Wort hervor bringen zu<lb/>
ko&#x0364;nnen, &#x017F;ein Ge&#x017F;icht mit vielen Tra&#x0364;nen. &#x201E;Was<lb/>
i&#x017F;t dir, lieber Herr?&#x201E; fragte <hi rendition="#fr">Freitag,</hi> indem<lb/>
er &#x017F;ich ermunterte, und u&#x0364;ber die unge&#x017F;tu&#x0364;men Lieb-<lb/>
ko&#x017F;ungen, die ihm widerfuhren, ganz er&#x017F;chrekt<lb/>
war. Aber <hi rendition="#fr">Robin&#x017F;on</hi> konte im Uebermaaß<lb/>
&#x017F;einer Freude weiter nichts hervorbringen, als:<lb/><hi rendition="#fr">ach, Freitag!</hi></p><lb/>
          <p>&#x201E;Gott &#x017F;ei dem Kopfe meines armen Herrn<lb/>
gna&#x0364;dig!&#x201E; dachte <hi rendition="#fr">Freitag,</hi> weil er auf die Ver-<lb/>
muthung gerieth, daß er wahn&#x017F;innig geworden<lb/>
&#x017F;ei. &#x201E;Lege dich &#x017F;chlafen, lieber Herr!&#x201E; &#x017F;agt'<lb/>
er zu ihm, und wolte ihm unter die Arme fa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, um ihn in die Ho&#x0364;hle zu fu&#x0364;hren. Aber <hi rendition="#fr">Ro-<lb/>
bin&#x017F;on</hi> &#x017F;ahe ihm mit unbe&#x017F;chreiblicher Freund-<lb/>
lichkeit ins Ge&#x017F;icht und antwortete: &#x201E;Schla-<lb/>
fen, lieber <hi rendition="#fr">Freitag?</hi> Ich, jezt &#x017F;chlafen, in<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342/0348] und an ſeiner bevorſtehenden Erloͤſung gar nicht zu zweifeln. Im hoͤchſten Taumel der Freude, mehr flie- gend, als tretend, huſcht' er die Strikleiter hin- ab; fiel Freitag, welcher ſchlummernd auf ei- ner Grasbank ſaß, um den Hals, druͤkte ihn, und benezte, ohne ein Wort hervor bringen zu koͤnnen, ſein Geſicht mit vielen Traͤnen. „Was iſt dir, lieber Herr?„ fragte Freitag, indem er ſich ermunterte, und uͤber die ungeſtuͤmen Lieb- koſungen, die ihm widerfuhren, ganz erſchrekt war. Aber Robinſon konte im Uebermaaß ſeiner Freude weiter nichts hervorbringen, als: ach, Freitag! „Gott ſei dem Kopfe meines armen Herrn gnaͤdig!„ dachte Freitag, weil er auf die Ver- muthung gerieth, daß er wahnſinnig geworden ſei. „Lege dich ſchlafen, lieber Herr!„ ſagt' er zu ihm, und wolte ihm unter die Arme faſ- ſen, um ihn in die Hoͤhle zu fuͤhren. Aber Ro- binſon ſahe ihm mit unbeſchreiblicher Freund- lichkeit ins Geſicht und antwortete: „Schla- fen, lieber Freitag? Ich, jezt ſchlafen, in dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/348
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/348>, abgerufen am 16.06.2024.