Kräfte, fast alles auf einen unnatürlichen Kizel unserer Nerven und auf ein unabläßiges Reiben an unserm ganzen Wesen, um ihm Politur und Glanz zu geben, angesehen ist? Das meiste von dem, was er täglich sieht, hört, fühlt und thut, das allermeiste von dem, was seine Ergözlichkei- ten ausmacht, nagt wie ein Wurm an der Wurzel seiner Kräfte, macht sie schlaf durch Ueberspan- nung, und lähmt sie durch übertriebenes Ge- schmeidigmachen.
"Wenn ich, sagt irgendwo ein Menschenbe- obachter, die unseeligen Folgen dieser Verfeinerung erwäge; wenn ich die Menschen, so wie sie jezt sind, (mich selbst nicht ausgeschlossen) mit den rau- hern aber auch kraftvollern, aber auch edlern und selbständigern Menschen der Vorwelt vergleiche: so komt es mir immer vor, als wenn es der Kunst gelungen wäre, ein Geschlecht von Löwen in ein Geschlecht von Füchsen zu verwandeln, und daß sie nun gar damit umginge, die lezte Hand daran zu legen, um eine Familie schwacher und possier- licher Eichhöruchen daraus zu machen." Diese
Ver-
Kraͤfte, faſt alles auf einen unnatuͤrlichen Kizel unſerer Nerven und auf ein unablaͤßiges Reiben an unſerm ganzen Weſen, um ihm Politur und Glanz zu geben, angeſehen iſt? Das meiſte von dem, was er taͤglich ſieht, hoͤrt, fuͤhlt und thut, das allermeiſte von dem, was ſeine Ergoͤzlichkei- ten ausmacht, nagt wie ein Wurm an der Wurzel ſeiner Kraͤfte, macht ſie ſchlaf durch Ueberſpan- nung, und laͤhmt ſie durch uͤbertriebenes Ge- ſchmeidigmachen.
“Wenn ich, ſagt irgendwo ein Menſchenbe- obachter, die unſeeligen Folgen dieſer Verfeinerung erwaͤge; wenn ich die Menſchen, ſo wie ſie jezt ſind, (mich ſelbſt nicht ausgeſchloſſen) mit den rau- hern aber auch kraftvollern, aber auch edlern und ſelbſtaͤndigern Menſchen der Vorwelt vergleiche: ſo komt es mir immer vor, als wenn es der Kunſt gelungen waͤre, ein Geſchlecht von Loͤwen in ein Geſchlecht von Fuͤchſen zu verwandeln, und daß ſie nun gar damit umginge, die lezte Hand daran zu legen, um eine Familie ſchwacher und poſſier- licher Eichhoͤruchen daraus zu machen.„ Dieſe
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Kraͤfte, faſt alles auf einen unnatuͤrlichen Kizel<lb/>
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Kraͤfte, faſt alles auf einen unnatuͤrlichen Kizel
unſerer Nerven und auf ein unablaͤßiges Reiben
an unſerm ganzen Weſen, um ihm Politur und
Glanz zu geben, angeſehen iſt? Das meiſte von
dem, was er taͤglich ſieht, hoͤrt, fuͤhlt und thut,
das allermeiſte von dem, was ſeine Ergoͤzlichkei-
ten ausmacht, nagt wie ein Wurm an der Wurzel
ſeiner Kraͤfte, macht ſie ſchlaf durch Ueberſpan-
nung, und laͤhmt ſie durch uͤbertriebenes Ge-
ſchmeidigmachen.
“Wenn ich, ſagt irgendwo ein Menſchenbe-
obachter, die unſeeligen Folgen dieſer Verfeinerung
erwaͤge; wenn ich die Menſchen, ſo wie ſie jezt
ſind, (mich ſelbſt nicht ausgeſchloſſen) mit den rau-
hern aber auch kraftvollern, aber auch edlern und
ſelbſtaͤndigern Menſchen der Vorwelt vergleiche:
ſo komt es mir immer vor, als wenn es der Kunſt
gelungen waͤre, ein Geſchlecht von Loͤwen in ein
Geſchlecht von Fuͤchſen zu verwandeln, und daß
ſie nun gar damit umginge, die lezte Hand daran
zu legen, um eine Familie ſchwacher und poſſier-
licher Eichhoͤruchen daraus zu machen.„ Dieſe
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/136>, abgerufen am 17.05.2024.
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