Ganzen genommen -- gleichviel aus was für Ursachen -- ihrem gegenseitigen Betragen nach, menschlicher gewesen, als jezt; noch nie hat man für seine Ruhe, für sein Eigenthum und für sein Leben selbst, von Ungerechtigkeit und zügelloser Gewaltthätigkeit weniger zu besorgen gehabt; nie ist der Umgang der Menschen unter einander sanf- ter, stiller und friedlicher gewesen; nie ist der ge- sittete Mensch dem Muthwillen und der Grobheit eines rohen ungesitteten Pöbels weniger ausgesezt gewesen, als bei uns; nie hat man der unter- drükten Vernunft und dem gefesselten Gewissen von den ihnen geraubten natürlichen Rechten mehr wieder einzuräumen sich bequemt; nie sind die Hierarchie, der Aberglauben und der mit beiden unzertrenlich verbundene Verfolgungsgeist, im Ganzen genommen, eingeschränkter, schwächer und also auch unschädlicher gewesen; nie hat die Welt einer grössern und ausgebreitetern Duldung genossen; nie ist es dem Weisen und Patrioten vergönt gewesen, seine Stimme gegen öffentliche Misbräuche, gegen schädliche Vorurtheile, ja sogar gegen die Eingriffe der mächtigsten Despoten
mitten
Ganzen genommen — gleichviel aus was fuͤr Urſachen — ihrem gegenſeitigen Betragen nach, menſchlicher geweſen, als jezt; noch nie hat man fuͤr ſeine Ruhe, fuͤr ſein Eigenthum und fuͤr ſein Leben ſelbſt, von Ungerechtigkeit und zuͤgelloſer Gewaltthaͤtigkeit weniger zu beſorgen gehabt; nie iſt der Umgang der Menſchen unter einander ſanf- ter, ſtiller und friedlicher geweſen; nie iſt der ge- ſittete Menſch dem Muthwillen und der Grobheit eines rohen ungeſitteten Poͤbels weniger ausgeſezt geweſen, als bei uns; nie hat man der unter- druͤkten Vernunft und dem gefeſſelten Gewiſſen von den ihnen geraubten natuͤrlichen Rechten mehr wieder einzuraͤumen ſich bequemt; nie ſind die Hierarchie, der Aberglauben und der mit beiden unzertrenlich verbundene Verfolgungsgeiſt, im Ganzen genommen, eingeſchraͤnkter, ſchwaͤcher und alſo auch unſchaͤdlicher geweſen; nie hat die Welt einer groͤſſern und ausgebreitetern Duldung genoſſen; nie iſt es dem Weiſen und Patrioten vergoͤnt geweſen, ſeine Stimme gegen oͤffentliche Misbraͤuche, gegen ſchaͤdliche Vorurtheile, ja ſogar gegen die Eingriffe der maͤchtigſten Despoten
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Ganzen genommen — gleichviel aus was fuͤr
Urſachen — ihrem gegenſeitigen Betragen nach,
menſchlicher geweſen, als jezt; noch nie hat man
fuͤr ſeine Ruhe, fuͤr ſein Eigenthum und fuͤr ſein
Leben ſelbſt, von Ungerechtigkeit und zuͤgelloſer
Gewaltthaͤtigkeit weniger zu beſorgen gehabt; nie
iſt der Umgang der Menſchen unter einander ſanf-
ter, ſtiller und friedlicher geweſen; nie iſt der ge-
ſittete Menſch dem Muthwillen und der Grobheit
eines rohen ungeſitteten Poͤbels weniger ausgeſezt
geweſen, als bei uns; nie hat man der unter-
druͤkten Vernunft und dem gefeſſelten Gewiſſen
von den ihnen geraubten natuͤrlichen Rechten mehr
wieder einzuraͤumen ſich bequemt; nie ſind die
Hierarchie, der Aberglauben und der mit beiden
unzertrenlich verbundene Verfolgungsgeiſt, im
Ganzen genommen, eingeſchraͤnkter, ſchwaͤcher
und alſo auch unſchaͤdlicher geweſen; nie hat die
Welt einer groͤſſern und ausgebreitetern Duldung
genoſſen; nie iſt es dem Weiſen und Patrioten
vergoͤnt geweſen, ſeine Stimme gegen oͤffentliche
Misbraͤuche, gegen ſchaͤdliche Vorurtheile, ja
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/170>, abgerufen am 26.11.2024.
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