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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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unbekümmert, was alles das Gesumse,
Gezisch und Gequäke bedeuten könne, das
in der Nähe und in der Ferne um seine
Ohren saust."
*)



Die Höhe der Sonne erinnert mich, daß es
Zeit sei, mein langes Geplauder zu endigen, wenn
ich deiner Aufmerksamkeit nicht zuviel zumuthen
wil. Ich fasse daher das Wichtigste von dem,
was ich dir noch zu rathen habe, so kurz als mög-
lich zusammen, und theil' es dir, ohne alle Ver-
bindung, sazweise mit.

Hüte dich, so oft dir der Kopf von ir-
gend einer Leidenschaft glüht, etwas zu
beschließen oder zu thun, was nicht ganz
ausserordentlich dringend ist;
sondern warte,
bis dein Blut sich abgekühlt hat, und die Ver-
nunft wieder am Ruder sizt. Jeder leidenschaft-
liche Zustand ist eine Art von Wahnsin: durch
welchen Zufal könte das, was wir zur Zeit des-
selben beschließen, vernünftig und wirklich rath-
sam sein?




Lerne
*) Wieland.

unbekuͤmmert, was alles das Geſumſe,
Geziſch und Gequaͤke bedeuten koͤnne, das
in der Naͤhe und in der Ferne um ſeine
Ohren ſauſt.„
*)



Die Hoͤhe der Sonne erinnert mich, daß es
Zeit ſei, mein langes Geplauder zu endigen, wenn
ich deiner Aufmerkſamkeit nicht zuviel zumuthen
wil. Ich faſſe daher das Wichtigſte von dem,
was ich dir noch zu rathen habe, ſo kurz als moͤg-
lich zuſammen, und theil’ es dir, ohne alle Ver-
bindung, ſazweiſe mit.

Huͤte dich, ſo oft dir der Kopf von ir-
gend einer Leidenſchaft gluͤht, etwas zu
beſchließen oder zu thun, was nicht ganz
auſſerordentlich dringend iſt;
ſondern warte,
bis dein Blut ſich abgekuͤhlt hat, und die Ver-
nunft wieder am Ruder ſizt. Jeder leidenſchaft-
liche Zuſtand iſt eine Art von Wahnſin: durch
welchen Zufal koͤnte das, was wir zur Zeit deſ-
ſelben beſchließen, vernuͤnftig und wirklich rath-
ſam ſein?




Lerne
*) Wieland.
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[239/0269] unbekuͤmmert, was alles das Geſumſe, Geziſch und Gequaͤke bedeuten koͤnne, das in der Naͤhe und in der Ferne um ſeine Ohren ſauſt.„ *) Die Hoͤhe der Sonne erinnert mich, daß es Zeit ſei, mein langes Geplauder zu endigen, wenn ich deiner Aufmerkſamkeit nicht zuviel zumuthen wil. Ich faſſe daher das Wichtigſte von dem, was ich dir noch zu rathen habe, ſo kurz als moͤg- lich zuſammen, und theil’ es dir, ohne alle Ver- bindung, ſazweiſe mit. Huͤte dich, ſo oft dir der Kopf von ir- gend einer Leidenſchaft gluͤht, etwas zu beſchließen oder zu thun, was nicht ganz auſſerordentlich dringend iſt; ſondern warte, bis dein Blut ſich abgekuͤhlt hat, und die Ver- nunft wieder am Ruder ſizt. Jeder leidenſchaft- liche Zuſtand iſt eine Art von Wahnſin: durch welchen Zufal koͤnte das, was wir zur Zeit deſ- ſelben beſchließen, vernuͤnftig und wirklich rath- ſam ſein? Lerne *) Wieland.

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/269>, abgerufen am 22.11.2024.