Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

von Seiten der Religion oder von Seiten
der Pflicht zur Menschenliebe, der Pflicht,
etwas für das Ganze zu thun, hernehmen
köntest; suche vielmehr deinen Plan so an-
zulegen, daß diejenigen, die ihm beitreten
sollen, ihren eigenen persönlichen Vortheil
darin wahrnehmen mögen.
Hast du es be-
sonders mit Königen und Fürsten zu thun, so sei
nicht so albern, ihnen irgend einen andern Be-
wegungsgrund vorzuhalten, als den, welcher
von der Vergrösserung ihrer Finanzen und ihrer
Macht hergenommen ist. Denn bei diesen ist
insgemein sogar die Eitelkeit der Vergrösserungs-
begierde untergeordnet. Was aber diejenigen
Zeiten betrist, in welchen man gemeinnüzige Sa-
chen aus religiösen Bewegungsgründen unter-
nahm oder beförderte: so mußt du wissen, daß
sie längst vorüber sind, und daß man heutiges
Tages demjenigen, der den Leuten von dieser
Seite etwas Mildthätiges abgewinnen wil, ins
Angesicht zu lachen pflegt. Das Zeitalter, worin
wir jezt leben, hat einen ganz andern Karakter;
denn ob es gleich nicht das goldene ist, so darf

man

von Seiten der Religion oder von Seiten
der Pflicht zur Menſchenliebe, der Pflicht,
etwas fuͤr das Ganze zu thun, hernehmen
koͤnteſt; ſuche vielmehr deinen Plan ſo an-
zulegen, daß diejenigen, die ihm beitreten
ſollen, ihren eigenen perſoͤnlichen Vortheil
darin wahrnehmen moͤgen.
Haſt du es be-
ſonders mit Koͤnigen und Fuͤrſten zu thun, ſo ſei
nicht ſo albern, ihnen irgend einen andern Be-
wegungsgrund vorzuhalten, als den, welcher
von der Vergroͤſſerung ihrer Finanzen und ihrer
Macht hergenommen iſt. Denn bei dieſen iſt
insgemein ſogar die Eitelkeit der Vergroͤſſerungs-
begierde untergeordnet. Was aber diejenigen
Zeiten betriſt, in welchen man gemeinnuͤzige Sa-
chen aus religioͤſen Bewegungsgruͤnden unter-
nahm oder befoͤrderte: ſo mußt du wiſſen, daß
ſie laͤngſt voruͤber ſind, und daß man heutiges
Tages demjenigen, der den Leuten von dieſer
Seite etwas Mildthaͤtiges abgewinnen wil, ins
Angeſicht zu lachen pflegt. Das Zeitalter, worin
wir jezt leben, hat einen ganz andern Karakter;
denn ob es gleich nicht das goldene iſt, ſo darf

man
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0276" n="246"/><hi rendition="#fr">von Seiten der Religion oder von Seiten<lb/>
der Pflicht zur Men&#x017F;chenliebe, der Pflicht,<lb/>
etwas fu&#x0364;r das Ganze zu thun, hernehmen<lb/>
ko&#x0364;nte&#x017F;t; &#x017F;uche vielmehr deinen Plan &#x017F;o an-<lb/>
zulegen, daß diejenigen, die ihm beitreten<lb/>
&#x017F;ollen, ihren eigenen per&#x017F;o&#x0364;nlichen Vortheil<lb/>
darin wahrnehmen mo&#x0364;gen.</hi> Ha&#x017F;t du es be-<lb/>
&#x017F;onders mit Ko&#x0364;nigen und Fu&#x0364;r&#x017F;ten zu thun, &#x017F;o &#x017F;ei<lb/>
nicht &#x017F;o albern, ihnen irgend einen andern Be-<lb/>
wegungsgrund vorzuhalten, als den, welcher<lb/>
von der Vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erung ihrer Finanzen und ihrer<lb/>
Macht hergenommen i&#x017F;t. Denn bei die&#x017F;en i&#x017F;t<lb/>
insgemein &#x017F;ogar die Eitelkeit der Vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erungs-<lb/>
begierde untergeordnet. Was aber diejenigen<lb/>
Zeiten betri&#x017F;t, in welchen man gemeinnu&#x0364;zige Sa-<lb/>
chen aus religio&#x0364;&#x017F;en Bewegungsgru&#x0364;nden unter-<lb/>
nahm oder befo&#x0364;rderte: &#x017F;o mußt du wi&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
&#x017F;ie la&#x0364;ng&#x017F;t voru&#x0364;ber &#x017F;ind, und daß man heutiges<lb/>
Tages demjenigen, der den Leuten von die&#x017F;er<lb/>
Seite etwas Mildtha&#x0364;tiges abgewinnen wil, ins<lb/>
Ange&#x017F;icht zu lachen pflegt. Das Zeitalter, worin<lb/>
wir jezt leben, hat einen ganz andern Karakter;<lb/>
denn ob es gleich nicht das <hi rendition="#fr">goldene</hi> i&#x017F;t, &#x017F;o darf<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0276] von Seiten der Religion oder von Seiten der Pflicht zur Menſchenliebe, der Pflicht, etwas fuͤr das Ganze zu thun, hernehmen koͤnteſt; ſuche vielmehr deinen Plan ſo an- zulegen, daß diejenigen, die ihm beitreten ſollen, ihren eigenen perſoͤnlichen Vortheil darin wahrnehmen moͤgen. Haſt du es be- ſonders mit Koͤnigen und Fuͤrſten zu thun, ſo ſei nicht ſo albern, ihnen irgend einen andern Be- wegungsgrund vorzuhalten, als den, welcher von der Vergroͤſſerung ihrer Finanzen und ihrer Macht hergenommen iſt. Denn bei dieſen iſt insgemein ſogar die Eitelkeit der Vergroͤſſerungs- begierde untergeordnet. Was aber diejenigen Zeiten betriſt, in welchen man gemeinnuͤzige Sa- chen aus religioͤſen Bewegungsgruͤnden unter- nahm oder befoͤrderte: ſo mußt du wiſſen, daß ſie laͤngſt voruͤber ſind, und daß man heutiges Tages demjenigen, der den Leuten von dieſer Seite etwas Mildthaͤtiges abgewinnen wil, ins Angeſicht zu lachen pflegt. Das Zeitalter, worin wir jezt leben, hat einen ganz andern Karakter; denn ob es gleich nicht das goldene iſt, ſo darf man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/276
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/276>, abgerufen am 22.11.2024.