von Seiten der Religion oder von Seiten der Pflicht zur Menschenliebe, der Pflicht, etwas für das Ganze zu thun, hernehmen köntest; suche vielmehr deinen Plan so an- zulegen, daß diejenigen, die ihm beitreten sollen, ihren eigenen persönlichen Vortheil darin wahrnehmen mögen. Hast du es be- sonders mit Königen und Fürsten zu thun, so sei nicht so albern, ihnen irgend einen andern Be- wegungsgrund vorzuhalten, als den, welcher von der Vergrösserung ihrer Finanzen und ihrer Macht hergenommen ist. Denn bei diesen ist insgemein sogar die Eitelkeit der Vergrösserungs- begierde untergeordnet. Was aber diejenigen Zeiten betrist, in welchen man gemeinnüzige Sa- chen aus religiösen Bewegungsgründen unter- nahm oder beförderte: so mußt du wissen, daß sie längst vorüber sind, und daß man heutiges Tages demjenigen, der den Leuten von dieser Seite etwas Mildthätiges abgewinnen wil, ins Angesicht zu lachen pflegt. Das Zeitalter, worin wir jezt leben, hat einen ganz andern Karakter; denn ob es gleich nicht das goldene ist, so darf
man
von Seiten der Religion oder von Seiten der Pflicht zur Menſchenliebe, der Pflicht, etwas fuͤr das Ganze zu thun, hernehmen koͤnteſt; ſuche vielmehr deinen Plan ſo an- zulegen, daß diejenigen, die ihm beitreten ſollen, ihren eigenen perſoͤnlichen Vortheil darin wahrnehmen moͤgen. Haſt du es be- ſonders mit Koͤnigen und Fuͤrſten zu thun, ſo ſei nicht ſo albern, ihnen irgend einen andern Be- wegungsgrund vorzuhalten, als den, welcher von der Vergroͤſſerung ihrer Finanzen und ihrer Macht hergenommen iſt. Denn bei dieſen iſt insgemein ſogar die Eitelkeit der Vergroͤſſerungs- begierde untergeordnet. Was aber diejenigen Zeiten betriſt, in welchen man gemeinnuͤzige Sa- chen aus religioͤſen Bewegungsgruͤnden unter- nahm oder befoͤrderte: ſo mußt du wiſſen, daß ſie laͤngſt voruͤber ſind, und daß man heutiges Tages demjenigen, der den Leuten von dieſer Seite etwas Mildthaͤtiges abgewinnen wil, ins Angeſicht zu lachen pflegt. Das Zeitalter, worin wir jezt leben, hat einen ganz andern Karakter; denn ob es gleich nicht das goldene iſt, ſo darf
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von Seiten der Religion oder von Seiten
der Pflicht zur Menſchenliebe, der Pflicht,
etwas fuͤr das Ganze zu thun, hernehmen
koͤnteſt; ſuche vielmehr deinen Plan ſo an-
zulegen, daß diejenigen, die ihm beitreten
ſollen, ihren eigenen perſoͤnlichen Vortheil
darin wahrnehmen moͤgen. Haſt du es be-
ſonders mit Koͤnigen und Fuͤrſten zu thun, ſo ſei
nicht ſo albern, ihnen irgend einen andern Be-
wegungsgrund vorzuhalten, als den, welcher
von der Vergroͤſſerung ihrer Finanzen und ihrer
Macht hergenommen iſt. Denn bei dieſen iſt
insgemein ſogar die Eitelkeit der Vergroͤſſerungs-
begierde untergeordnet. Was aber diejenigen
Zeiten betriſt, in welchen man gemeinnuͤzige Sa-
chen aus religioͤſen Bewegungsgruͤnden unter-
nahm oder befoͤrderte: ſo mußt du wiſſen, daß
ſie laͤngſt voruͤber ſind, und daß man heutiges
Tages demjenigen, der den Leuten von dieſer
Seite etwas Mildthaͤtiges abgewinnen wil, ins
Angeſicht zu lachen pflegt. Das Zeitalter, worin
wir jezt leben, hat einen ganz andern Karakter;
denn ob es gleich nicht das goldene iſt, ſo darf
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/276>, abgerufen am 22.11.2024.
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