Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

selschaft Vortheil zu ziehen, ohne dabei Gefahr
zu laufen, sein Wachsthum an Volkommenheit,
seine Tugend, seine Gesundheit, und die Zufrie-
denheit seines ganzen Lebens aufzuopfern? Ver-
nim denn auch hierüber meinen besten Rath,
und laß ihn dir, wenn du deine eigene Wohlfahrt
liebst, ja immer heilig bleiben!

Erstlich müsse es deine vorzüglichste
Sorge sein, mit keinem andern Frauen-
zimmer jemahls in geselschaftliche Verbin-
dung zu gerathen, als mit solchen, welche
im strengsten Verstande ehrliebend, sitsam
und durchaus von unbescholtenem Rufe
sind.
Achte aber vornemlich auf das Leztere;
denn die ersten beiden Eigenschaften können oft-
mahls Blendwerk sein, die leztere unweit seltener,
höchstens nur in so fern, daß auch die Ausschwei-
fende, wenn sie dabei listig genug ist, ihren guten
Nahmen eine Zeitlang vielleicht noch zu erhalten
weiß, schwerlich aber in so fern, daß auch dieje-
nige, deren Sitsamkeit öffentlich bezweifelt wird,
jemahls ganz schuldlos sein solte. Nim viel-
mehr, bis zu eigener Erfahrung, als eine zuver-

lässige

ſelſchaft Vortheil zu ziehen, ohne dabei Gefahr
zu laufen, ſein Wachsthum an Volkommenheit,
ſeine Tugend, ſeine Geſundheit, und die Zufrie-
denheit ſeines ganzen Lebens aufzuopfern? Ver-
nim denn auch hieruͤber meinen beſten Rath,
und laß ihn dir, wenn du deine eigene Wohlfahrt
liebſt, ja immer heilig bleiben!

Erſtlich muͤſſe es deine vorzuͤglichſte
Sorge ſein, mit keinem andern Frauen-
zimmer jemahls in geſelſchaftliche Verbin-
dung zu gerathen, als mit ſolchen, welche
im ſtrengſten Verſtande ehrliebend, ſitſam
und durchaus von unbeſcholtenem Rufe
ſind.
Achte aber vornemlich auf das Leztere;
denn die erſten beiden Eigenſchaften koͤnnen oft-
mahls Blendwerk ſein, die leztere unweit ſeltener,
hoͤchſtens nur in ſo fern, daß auch die Ausſchwei-
fende, wenn ſie dabei liſtig genug iſt, ihren guten
Nahmen eine Zeitlang vielleicht noch zu erhalten
weiß, ſchwerlich aber in ſo fern, daß auch dieje-
nige, deren Sitſamkeit oͤffentlich bezweifelt wird,
jemahls ganz ſchuldlos ſein ſolte. Nim viel-
mehr, bis zu eigener Erfahrung, als eine zuver-

laͤſſige
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0285" n="255"/>
&#x017F;el&#x017F;chaft Vortheil zu ziehen, ohne dabei Gefahr<lb/>
zu laufen, &#x017F;ein Wachsthum an Volkommenheit,<lb/>
&#x017F;eine Tugend, &#x017F;eine Ge&#x017F;undheit, und die Zufrie-<lb/>
denheit &#x017F;eines ganzen Lebens aufzuopfern? Ver-<lb/>
nim denn auch hieru&#x0364;ber meinen be&#x017F;ten Rath,<lb/>
und laß ihn dir, wenn du deine eigene Wohlfahrt<lb/>
lieb&#x017F;t, ja immer heilig bleiben!</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Er&#x017F;tlich mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e es deine vorzu&#x0364;glich&#x017F;te<lb/>
Sorge &#x017F;ein, mit keinem andern Frauen-<lb/>
zimmer jemahls in ge&#x017F;el&#x017F;chaftliche Verbin-<lb/>
dung zu gerathen, als mit &#x017F;olchen, welche<lb/>
im &#x017F;treng&#x017F;ten Ver&#x017F;tande ehrliebend, &#x017F;it&#x017F;am<lb/>
und durchaus von unbe&#x017F;choltenem Rufe<lb/>
&#x017F;ind.</hi> Achte aber vornemlich auf das Leztere;<lb/>
denn die er&#x017F;ten beiden Eigen&#x017F;chaften ko&#x0364;nnen oft-<lb/>
mahls Blendwerk &#x017F;ein, die leztere unweit &#x017F;eltener,<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;tens nur in &#x017F;o fern, daß auch die Aus&#x017F;chwei-<lb/>
fende, wenn &#x017F;ie dabei li&#x017F;tig genug i&#x017F;t, ihren guten<lb/>
Nahmen eine Zeitlang vielleicht noch zu erhalten<lb/>
weiß, &#x017F;chwerlich aber in &#x017F;o fern, daß auch dieje-<lb/>
nige, deren Sit&#x017F;amkeit o&#x0364;ffentlich bezweifelt wird,<lb/>
jemahls ganz &#x017F;chuldlos &#x017F;ein &#x017F;olte. Nim viel-<lb/>
mehr, bis zu eigener Erfahrung, als eine zuver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">la&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0285] ſelſchaft Vortheil zu ziehen, ohne dabei Gefahr zu laufen, ſein Wachsthum an Volkommenheit, ſeine Tugend, ſeine Geſundheit, und die Zufrie- denheit ſeines ganzen Lebens aufzuopfern? Ver- nim denn auch hieruͤber meinen beſten Rath, und laß ihn dir, wenn du deine eigene Wohlfahrt liebſt, ja immer heilig bleiben! Erſtlich muͤſſe es deine vorzuͤglichſte Sorge ſein, mit keinem andern Frauen- zimmer jemahls in geſelſchaftliche Verbin- dung zu gerathen, als mit ſolchen, welche im ſtrengſten Verſtande ehrliebend, ſitſam und durchaus von unbeſcholtenem Rufe ſind. Achte aber vornemlich auf das Leztere; denn die erſten beiden Eigenſchaften koͤnnen oft- mahls Blendwerk ſein, die leztere unweit ſeltener, hoͤchſtens nur in ſo fern, daß auch die Ausſchwei- fende, wenn ſie dabei liſtig genug iſt, ihren guten Nahmen eine Zeitlang vielleicht noch zu erhalten weiß, ſchwerlich aber in ſo fern, daß auch dieje- nige, deren Sitſamkeit oͤffentlich bezweifelt wird, jemahls ganz ſchuldlos ſein ſolte. Nim viel- mehr, bis zu eigener Erfahrung, als eine zuver- laͤſſige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/285
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/285>, abgerufen am 22.11.2024.