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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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lässige Beobachtung an: daß ein Frauenzimmer,
deren Ruf einmahl beflekt worden ist, selten ganz
unschuldig
war, und wenn auch alles, was
das Gerücht ihr nachsagt, durchaus erlogen wäre.
Einem wirklich sitsamen und tugendhaften Weibe
blikt die Reinigkeit des Herzens auf eine so un-
verkenbare Weise aus Augen, Mienen, Gebehr-
den, Kleidung und Anstand hervor, daß auch
die entschlossenste Verläumderin nicht das Herz
hat, einen Schatten von Verdacht gegen sie zu
erregen. Oder hast du je gehört, daß man gegen
die Sitsamkeit der C. in W., oder der R. in H.
sich nur den leisesten Zweifel zugeflüstert hätte?
Niemahls! Und doch sind beide nichts weniger,
als Prüden; und doch haben beide wohl eine
eben so glatte und durchsichtige Haut, wohl eben
so viel Annehmlichkeiten des Geistes, als andere!
Aber warum erlaubt man sich solche Zweifel gegen
die Tugend der X. Y. Z.? Etwa, weil man
etwas Unanständiges von ihnen gesehn oder in

Erfahrung

laͤſſige Beobachtung an: daß ein Frauenzimmer,
deren Ruf einmahl beflekt worden iſt, ſelten ganz
unſchuldig
war, und wenn auch alles, was
das Geruͤcht ihr nachſagt, durchaus erlogen waͤre.
Einem wirklich ſitſamen und tugendhaften Weibe
blikt die Reinigkeit des Herzens auf eine ſo un-
verkenbare Weiſe aus Augen, Mienen, Gebehr-
den, Kleidung und Anſtand hervor, daß auch
die entſchloſſenſte Verlaͤumderin nicht das Herz
hat, einen Schatten von Verdacht gegen ſie zu
erregen. Oder haſt du je gehoͤrt, daß man gegen
die Sitſamkeit der C. in W., oder der R. in H.
ſich nur den leiſeſten Zweifel zugefluͤſtert haͤtte?
Niemahls! Und doch ſind beide nichts weniger,
als Pruͤden; und doch haben beide wohl eine
eben ſo glatte und durchſichtige Haut, wohl eben
ſo viel Annehmlichkeiten des Geiſtes, als andere!
Aber warum erlaubt man ſich ſolche Zweifel gegen
die Tugend der X. Y. Z.? Etwa, weil man
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[256/0286] laͤſſige Beobachtung an: daß ein Frauenzimmer, deren Ruf einmahl beflekt worden iſt, ſelten ganz unſchuldig war, und wenn auch alles, was das Geruͤcht ihr nachſagt, durchaus erlogen waͤre. Einem wirklich ſitſamen und tugendhaften Weibe blikt die Reinigkeit des Herzens auf eine ſo un- verkenbare Weiſe aus Augen, Mienen, Gebehr- den, Kleidung und Anſtand hervor, daß auch die entſchloſſenſte Verlaͤumderin nicht das Herz hat, einen Schatten von Verdacht gegen ſie zu erregen. Oder haſt du je gehoͤrt, daß man gegen die Sitſamkeit der C. in W., oder der R. in H. ſich nur den leiſeſten Zweifel zugefluͤſtert haͤtte? Niemahls! Und doch ſind beide nichts weniger, als Pruͤden; und doch haben beide wohl eine eben ſo glatte und durchſichtige Haut, wohl eben ſo viel Annehmlichkeiten des Geiſtes, als andere! Aber warum erlaubt man ſich ſolche Zweifel gegen die Tugend der X. Y. Z.? Etwa, weil man etwas Unanſtaͤndiges von ihnen geſehn oder in Erfahrung

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/286>, abgerufen am 22.11.2024.