Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

welche darüber verflossen ist, mit ihrem Herzens-
blute zurükkaufen mögten!

Archimedes verlangte nur einen festen Punkt,
um den ganzen Erdbal aus seinem Gleise zu
schieben. Auch in der moralischen Welt bedarf
jeder, der große Wirkungen hervorbringen wil,
gleichfals eines solchen festen Punktes. Und der
muß in uns selbst sein. Wehe dem, der seine
Kraft auf den Umkreis richtet, ohne das Centrum
gehörig befestiget zu haben!

Ich wil ohne Metapher reden. Wer äusser-
liche Geschäfte, welche auf das Wohl der mensch-
lichen Geselschaft abzielen, übernehmen wil (und
ich seze voraus, daß der Man von Ehre und Ge-
wissen sich zu keinem andern wird gebrauchen
lassen) der fange doch ja damit an, sich selbst zu
bessern, sich selbst in allem, was gut und edel ist,
auf immer zu befestigen, und sich dadurch ein
Maaß von innerer Zufriedenheit zu erwerben,
welches sein Herz nicht mehr zu fassen vermag,
und es daher auf andere Wesen ausser sich über-
fließen zu lassen, sich gedrungen fühlt. Wer
dieses verabsäumt, und gleichwohl ins Große wir-

ken

welche daruͤber verfloſſen iſt, mit ihrem Herzens-
blute zuruͤkkaufen moͤgten!

Archimedes verlangte nur einen feſten Punkt,
um den ganzen Erdbal aus ſeinem Gleiſe zu
ſchieben. Auch in der moraliſchen Welt bedarf
jeder, der große Wirkungen hervorbringen wil,
gleichfals eines ſolchen feſten Punktes. Und der
muß in uns ſelbſt ſein. Wehe dem, der ſeine
Kraft auf den Umkreis richtet, ohne das Centrum
gehoͤrig befeſtiget zu haben!

Ich wil ohne Metapher reden. Wer aͤuſſer-
liche Geſchaͤfte, welche auf das Wohl der menſch-
lichen Geſelſchaft abzielen, uͤbernehmen wil (und
ich ſeze voraus, daß der Man von Ehre und Ge-
wiſſen ſich zu keinem andern wird gebrauchen
laſſen) der fange doch ja damit an, ſich ſelbſt zu
beſſern, ſich ſelbſt in allem, was gut und edel iſt,
auf immer zu befeſtigen, und ſich dadurch ein
Maaß von innerer Zufriedenheit zu erwerben,
welches ſein Herz nicht mehr zu faſſen vermag,
und es daher auf andere Weſen auſſer ſich uͤber-
fließen zu laſſen, ſich gedrungen fuͤhlt. Wer
dieſes verabſaͤumt, und gleichwohl ins Große wir-

ken
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="8"/>
welche daru&#x0364;ber verflo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, mit ihrem Herzens-<lb/>
blute zuru&#x0364;kkaufen mo&#x0364;gten!</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Archimedes</hi> verlangte nur einen fe&#x017F;ten Punkt,<lb/>
um den ganzen Erdbal aus &#x017F;einem Glei&#x017F;e zu<lb/>
&#x017F;chieben. Auch in der morali&#x017F;chen Welt bedarf<lb/>
jeder, der große Wirkungen hervorbringen wil,<lb/>
gleichfals eines &#x017F;olchen fe&#x017F;ten Punktes. Und der<lb/>
muß in uns &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ein. Wehe dem, der &#x017F;eine<lb/>
Kraft auf den Umkreis richtet, ohne das Centrum<lb/>
geho&#x0364;rig befe&#x017F;tiget zu haben!</p><lb/>
        <p>Ich wil ohne Metapher reden. Wer a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
liche Ge&#x017F;cha&#x0364;fte, welche auf das Wohl der men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Ge&#x017F;el&#x017F;chaft abzielen, u&#x0364;bernehmen wil (und<lb/>
ich &#x017F;eze voraus, daß der Man von Ehre und Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich zu keinem andern wird gebrauchen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en) der fange doch ja damit an, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ern, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t in allem, was gut und edel i&#x017F;t,<lb/>
auf immer zu befe&#x017F;tigen, und &#x017F;ich dadurch ein<lb/>
Maaß von innerer Zufriedenheit zu erwerben,<lb/>
welches &#x017F;ein Herz nicht mehr zu fa&#x017F;&#x017F;en vermag,<lb/>
und es daher auf andere We&#x017F;en au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich u&#x0364;ber-<lb/>
fließen zu la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ich gedrungen fu&#x0364;hlt. Wer<lb/>
die&#x017F;es verab&#x017F;a&#x0364;umt, und gleichwohl ins Große wir-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ken</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0038] welche daruͤber verfloſſen iſt, mit ihrem Herzens- blute zuruͤkkaufen moͤgten! Archimedes verlangte nur einen feſten Punkt, um den ganzen Erdbal aus ſeinem Gleiſe zu ſchieben. Auch in der moraliſchen Welt bedarf jeder, der große Wirkungen hervorbringen wil, gleichfals eines ſolchen feſten Punktes. Und der muß in uns ſelbſt ſein. Wehe dem, der ſeine Kraft auf den Umkreis richtet, ohne das Centrum gehoͤrig befeſtiget zu haben! Ich wil ohne Metapher reden. Wer aͤuſſer- liche Geſchaͤfte, welche auf das Wohl der menſch- lichen Geſelſchaft abzielen, uͤbernehmen wil (und ich ſeze voraus, daß der Man von Ehre und Ge- wiſſen ſich zu keinem andern wird gebrauchen laſſen) der fange doch ja damit an, ſich ſelbſt zu beſſern, ſich ſelbſt in allem, was gut und edel iſt, auf immer zu befeſtigen, und ſich dadurch ein Maaß von innerer Zufriedenheit zu erwerben, welches ſein Herz nicht mehr zu faſſen vermag, und es daher auf andere Weſen auſſer ſich uͤber- fließen zu laſſen, ſich gedrungen fuͤhlt. Wer dieſes verabſaͤumt, und gleichwohl ins Große wir- ken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/38
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/38>, abgerufen am 21.11.2024.