serung und Vervolkomnung zu arbeiten. Er ist am geschiktesten zu dieser Beschäftigung, nachdem er durch eine Reihe beträchtlicher Erfahrungen sich selbst und die Welt kennen zu lernen angefan- gen hat, und indem er solchergestalt an sich selbst arbeitet, arbeitet er wirklich für die Welt. Denn um so viel geschikter wird er, seinen Freun- den, seinem Vaterlande und den Menschen über- haupt nüzlich zu sein und in einem größern oder kleinern Kreise mit mehr oder weniger Gepränge, auf eine öffentliche oder nicht so merkliche Art, zum algemeinen Besten des Sistems mitzu- wirken."
Es ist eine der gefährlichsten Seuchen, an der unser Zeitalter vorzüglich krank liegt, daß jeder unbärtige Knabe, der so eben erst der Ruthe seines Lehrmeisters entsprungen ist, sich nun schon für fähig und für berufen hält, ein Lehrer des menschlichen Geschlechts zu werden. Hat er einige Romane und Gedichtchen, einen Wust sogenanter gelehrten Zeitungen und Bibliotheken gelesen; hat er ein Paar Duzend schönklingender neumodischer Phrasen und affektirter Wendungen
auf-
B 5
ſerung und Vervolkomnung zu arbeiten. Er iſt am geſchikteſten zu dieſer Beſchaͤftigung, nachdem er durch eine Reihe betraͤchtlicher Erfahrungen ſich ſelbſt und die Welt kennen zu lernen angefan- gen hat, und indem er ſolchergeſtalt an ſich ſelbſt arbeitet, arbeitet er wirklich fuͤr die Welt. Denn um ſo viel geſchikter wird er, ſeinen Freun- den, ſeinem Vaterlande und den Menſchen uͤber- haupt nuͤzlich zu ſein und in einem groͤßern oder kleinern Kreiſe mit mehr oder weniger Gepraͤnge, auf eine oͤffentliche oder nicht ſo merkliche Art, zum algemeinen Beſten des Siſtems mitzu- wirken.„
Es iſt eine der gefaͤhrlichſten Seuchen, an der unſer Zeitalter vorzuͤglich krank liegt, daß jeder unbaͤrtige Knabe, der ſo eben erſt der Ruthe ſeines Lehrmeiſters entſprungen iſt, ſich nun ſchon fuͤr faͤhig und fuͤr berufen haͤlt, ein Lehrer des menſchlichen Geſchlechts zu werden. Hat er einige Romane und Gedichtchen, einen Wuſt ſogenanter gelehrten Zeitungen und Bibliotheken geleſen; hat er ein Paar Duzend ſchoͤnklingender neumodiſcher Phraſen und affektirter Wendungen
auf-
B 5
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0055"n="25"/>ſerung und Vervolkomnung zu arbeiten. Er iſt<lb/>
am geſchikteſten zu dieſer Beſchaͤftigung, nachdem<lb/>
er durch eine Reihe betraͤchtlicher Erfahrungen<lb/>ſich ſelbſt und die Welt kennen zu lernen angefan-<lb/>
gen hat, und indem er ſolchergeſtalt <hirendition="#fr">an ſich ſelbſt</hi><lb/>
arbeitet, arbeitet er wirklich <hirendition="#fr">fuͤr die Welt</hi>.<lb/>
Denn um ſo viel geſchikter wird er, ſeinen Freun-<lb/>
den, ſeinem Vaterlande und den Menſchen uͤber-<lb/>
haupt nuͤzlich zu ſein und in einem groͤßern oder<lb/>
kleinern Kreiſe mit mehr oder weniger Gepraͤnge,<lb/>
auf eine oͤffentliche oder nicht ſo merkliche Art,<lb/>
zum algemeinen Beſten des Siſtems mitzu-<lb/>
wirken.„</p><lb/><p>Es iſt eine der gefaͤhrlichſten Seuchen, an<lb/>
der unſer Zeitalter vorzuͤglich krank liegt, daß<lb/>
jeder unbaͤrtige Knabe, der ſo eben erſt der Ruthe<lb/>ſeines Lehrmeiſters entſprungen iſt, ſich nun ſchon<lb/>
fuͤr faͤhig und fuͤr berufen haͤlt, ein Lehrer des<lb/>
menſchlichen Geſchlechts zu werden. Hat er<lb/>
einige Romane und Gedichtchen, einen Wuſt<lb/>ſogenanter gelehrten Zeitungen und Bibliotheken<lb/>
geleſen; hat er ein Paar Duzend ſchoͤnklingender<lb/>
neumodiſcher Phraſen und affektirter Wendungen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">auf-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[25/0055]
ſerung und Vervolkomnung zu arbeiten. Er iſt
am geſchikteſten zu dieſer Beſchaͤftigung, nachdem
er durch eine Reihe betraͤchtlicher Erfahrungen
ſich ſelbſt und die Welt kennen zu lernen angefan-
gen hat, und indem er ſolchergeſtalt an ſich ſelbſt
arbeitet, arbeitet er wirklich fuͤr die Welt.
Denn um ſo viel geſchikter wird er, ſeinen Freun-
den, ſeinem Vaterlande und den Menſchen uͤber-
haupt nuͤzlich zu ſein und in einem groͤßern oder
kleinern Kreiſe mit mehr oder weniger Gepraͤnge,
auf eine oͤffentliche oder nicht ſo merkliche Art,
zum algemeinen Beſten des Siſtems mitzu-
wirken.„
Es iſt eine der gefaͤhrlichſten Seuchen, an
der unſer Zeitalter vorzuͤglich krank liegt, daß
jeder unbaͤrtige Knabe, der ſo eben erſt der Ruthe
ſeines Lehrmeiſters entſprungen iſt, ſich nun ſchon
fuͤr faͤhig und fuͤr berufen haͤlt, ein Lehrer des
menſchlichen Geſchlechts zu werden. Hat er
einige Romane und Gedichtchen, einen Wuſt
ſogenanter gelehrten Zeitungen und Bibliotheken
geleſen; hat er ein Paar Duzend ſchoͤnklingender
neumodiſcher Phraſen und affektirter Wendungen
auf-
B 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/55>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.